Foto: Luzias Ellert

In Zeiten, in denen die Frage nach der Herkunft bei nahezu allem gestellt wird und die Angst, doch falsch einzukaufen, stetiger Begleiter auf der Jagd nach dem Festtagsbraten ist, zeigt Josef Floh vor, wie gut Essen ohne Gewissensbisse geht.

Denn als der Rest der Köche begann, nachhaltig zu arbeiten, war das im niederösterreichischen Langenlebarn schon ein alter Hut. Genauer gesagt in der Gastwirtschaft Floh, die Josef Floh, unverkennbar meist mit Strohhut anzutreffen, betreibt.

Lange bevor Nachhaltigkeit in war, besuchten Floh und sein Team Produzenten, lernten sie sowie ihre Art zu arbeiten kennen und holten Rübe und Rind ins Gasthaus, deren Herkunft nachvollziehbar, ja deren Produktion nachhaltig ist. Daraus entstehen Gerichte wie "Karotten-Vielfalt aus Purple Haze, Ox-Herz-Karotte und Weißer Küttinger" in unserer Vorspeise oder "Topinamburcremesuppe" in verschiedenen Texturen. Die Zutaten zu Flohs Gerichten kommen aus der unmittelbaren Umgebung.

Das RONDO Weihnachtsmenü, komponiert von Josef Floh.
Foto: Luzia Ellert

Abgeschaut hat sich der Floh die Frage nach der Herkunft von den Winzern, die ja schon seit Jahrhunderten besonderen Parzellen und Weinbergen huldigen. Wein hat den Floh schon immer interessiert. Deshalb befindet sich unter seiner Gastwirtschaft auch einer der bestbestückten Weinkeller Österreichs.

Gut, dass er und sein Team gern mit Gästen teilen. Deshalb kommen diese auch immer wieder. Übrigens genauso wie die ehemaligen Mitarbeiter, die, wenn sie weiterziehen, alle vier Jahre für einen Abend zurückkehren und die Küche übernehmen.

Als wir mit Fotografin Luzia Ellert beim Floh einreiten, legt er natürlich selbst Hand an. Mariniert Sushi vom Demeter-Karpfen mit Sojasauce vom Traunsee, serviert auf Tellern von Sascha Hoffmann.

Hoffmann ist Chefkoch im Restaurant Fuhrmann in Wien. Vor etwa zwei Jahren hat er mit Freunden einen Töpferkurs besucht. Aus Spaß wurde Liebe, aus Amateurgebranntem schnell Hochprofessionelles, auf dem ästhetisch versierte Kollegen ihre Gerichte gern sehen. So wie Topinamburcremesuppe, Demeter-Karpfen oder das auf Rot gebettete Finale von der Quitte mit Topaz-Apfelragout, gepopptem Amaranth und Muskateis.


Vorspeise: Karotten-Vielfalt aus Purple Haze und Weißer Küttinger mit Baby-Kräuterseitlingen, dazu ein Glas Roter Veltliner vom Wagram.
Foto: Luzia Ellert

Vorspeise: Karotten-Vielfalt

120 g Purple-Haze-Karotten
100 g Ox-Herz-Karotte
160 g Bio-Karotten "lachsfarben"
120 ml Gemüsefond
100 g weiße Karotte "Weiße Küttiger"
80 ml Bio-Rapsöl
100 g Baby-Kräuterseitlinge
Bergkernsalz
Kräutersalz
100 g Demeter-Emmerreis, z. B. von Martin Allram
50 g Schalotten
80 ml Weißwein
100 ml Gemüsefond
Kapuzinerkresseblätter
Rosmarinöl

Zubereitung

Die lachsfarbenen Karotten mit Schale würfeln, in Rapsöl anschwitzen und mit Gemüsefond ablöschen. Weichkochen und nach etwa 15 Minuten mit 20 ml Rapsöl fein pürieren.
Schalotten würfelig schneiden, in Rapsöl glacieren, Emmerreis hinzufügen, abwechselnd mit Weißwein und Gemüsefond untergießen und für etwa 20 Minuten leicht köcheln lassen.
Purple-Haze-Karotten gründlich waschen und mit der Schale samt Butter und Bergkernsalz im Bräter schmoren. Die Ox-Herzkarotten mit Bergkernkräutersalz würzen und im Rohr zugedeckt bei 145 Grad Celsius für etwa 40 Minuten schmoren. Die weiße Karotte in Salzwasser blanchieren, in Keile schneiden und auf Tellern anrichten. Karottenpüree hinzugeben. Mit Kapuzinerkresseblättern garnieren und mit Rosmarinöl beträufeln.
Das Risotto in einer Schüssel extra anrichten, gegebenenfalls mit Karotten und Rapsöl vollenden.

Getränkeempfehlung

Roter Veltliner
Zur Karotten-Vielfalt empfiehlt sich ein ein bis zwei Jahre junger Roter Veltliner vom Wagram, wie zum Beispiel: 2017 Roter Veltliner "Altweingarten" von Thomas Schuster Bio-Weingut Großriedenthal


Suppe: Cremesuppe mit Topinambur in flüssiger, knuspriger und würfeliger Form. Dazu Kräutertee vom Kamptaler Heiligenstein.
Foto: Luzia Ellert

Suppe: Topinamburcremesuppe

280 g Topinambur werden verarbeitet zu 180 ml Suppe, 50 g Chips und 50 g Ragout
50 g Butter
200 ml Gemüsefond
80 g Obers
Bergkernsalz
Pfeffer aus der Mühle
Muskatnuss
Blattradieschenblätter

Zubereitung

Topinambur für die Suppe waschen und mit der Schale in Würfel schneiden. Das geschnittene Topinambur in einem großen Topf in Rapsöl glacieren und mit Gemüsefond auffüllen. Weichkochen, flüssiges Obers hinzufügen, noch einmal aufkochen und mit Salz, geriebener Muskatnuss und Pfeffer abschmecken. Pürieren.
Für die Chips: Topinambur in rohem Zustand in sehr dünne Scheiben schneiden und in Fett herausbacken. Mit Salz würzen. Die Chips eignen sich auch losgelöst vom Rezept zum Knabbern.
Topinambur für das Ragout in kleine Würfel schneiden und mit etwas Verjus und Salz marinieren. Blattradieschenblätter hacken, ein paar der Blätter ungehackt zum Anrichten vorbereiten.
Topinamburwürfel in Schalen anrichten. Mit Topinamburchips und Blattradieschen arrangieren. Die aufgeschäumte Cremesuppe in einer kleinen Kanne zum Aufgießen erhitzen, auf dem Tisch servieren.

Getränkeempfehlung

Kräutertee vom Heiligenstein
Kräutertee vom Heiligenstein aus dem Slow-Food-Projekt von Weingut Jurtschitsch, Weingut Hirsch und Käsemacher Robert Paget aus dem Kamptal.


Hauptspeise: Filet vom Demeter-Karpfen auf Süßkartoffel, neben Sushi vom Karpfenbauchlappen mit Sojasauce vom Traunsee. Dazu gereifter Veltliner.
Foto: Luzia Ellert

Hauptspeise: Demeter-Karpfen

600 g Demeter-Karpfenfilet
200 g Süßkartoffel "Beauregard"
Rapsöl
Leindotteröl
120 ml Gemüsefond
120 g Flowersprouts (Kreuzung aus Kohlsprossen und Grünkohl)
20 g rote Feder (Zierkohlart)
Bergkernsalz
Floh-Kräutersalz
neunjährigerAceto Balsamico von Herwig Pecoraro (Opernsänger und Aceto-Produzent in Klosterneuburg)
Sonnenblumenöl

Für das Sushi:
80 g Bauchlappen vom Demeter-Karpfen
weiße Sojasauce von LUVI Fermente (Lukas Nagl vom Traunsee)

Zubereitung

Süßkartoffel schälen, würfelig schneiden und in Rapsöl anschwitzen. Mit Gemüsefond aufgießen und weich kochen. Mit wenig Flüssigkeit unter Zugabe von Rapsöl fein pürieren.
Karpfenfilet in Scheiben schneiden und von den Gräten befreien. Flowersprouts kurz in Salzwasser blanchieren und in Butter schwenken, mit Kräutersalz würzen.
Karpfenfilet in Sonnenblumenöl und etwas Butter auf der Hautseite braten. Süßkartoffelpüree anrichten, Karpfen obenauf legen und mit Kräutersalz würzen. Flowersprouts anrichten und mit Aceto Pecoraro sowie roh mariniertem roten Zierkohl vollenden.
Falls Sie herausragende Qualität vom Karpfen bekommen, den Bauchlappen dünn aufschneiden und mit weißer Sojasauce von LUVI Fermente vom Traunsee marinieren und zum Hauptgang servieren.

Detail am Rande: Der Greenpeace-Marktcheck ergab, dass Bio-Karpfen aktuell die ökologischste Wahl für das Weihnachtsmenü ist.


Getränkeempfehlung

Gereifter Grüner Veltliner
Grüner Veltliner "Rosenberg Reserve", Jahrgang 2006, Weingut Bernhard Ott, Feuersbrunn, aus der Magnum
Alternativ kann ein gereifter Weißburgunder angeboten werden.


Dessert: Apfelragout in Kombination mit Quitte, dazu Muskateis mit Nusscrumble. Die flüssige Begleitung übernimmt ein Eiswein aus Äpfeln.
Foto: Luzia Ellert

Dessert: Apfel & Quitte

Drei Topaz-Äpfel
80 g Butter
160 g Quittenragout (im Optimalfall aus der Vorratskammer eingekocht, alternativ kann es auch Birnenragout sein)
140 g Topaz-Apfelragout
40 ml Bio-Apfelsaft
50 ml Bio-Obers
Crumble aus karamellisierten Walnüssen, Mandeln und gepopptem Amaranth
Muskateis – Eismasse mit geriebener Muskatnuss

Zubereitung

Äpfel schälen, dämpfen und mit Nussbutter zu einer cremigen Masse pürieren. Apfelsaft und Obers vermengen, die Masse in eine ISI-Flasche füllen. Zwei ISI-Kapseln eindrehen. Walnüsse und Mandeln karamellisieren und grob zu Crumbles hacken. Danach mit gepopptem Amaranth mischen.
Eis-Grundmasse mit geriebener Muskatnuss abschmecken. Apfel-Nussbutter in einen tiefen Teller setzen. Mit Apfelschaum aus der ISI-Flasche toppen. Quittenragout und Nusscrumbles obenauf streuen und mit Muskateis vollenden.

Getränkeempfehlung

Eisapfel
"Eisapfel" ist ein biodynamischer Eiswein, den Leopold Mahrer in Sierndorf, Niederösterreich, aus Äpfeln herstellt. Die Machart ist dabei wie die eines Eisweins. Alkoholfreie Alternative: "Kronprinz Rudolf", ein reinsortiger Apfelsaft von Reinhard Wetter aus Missingdorf, Niederösterreich


Spitzenkoch Josef Floh
Foto: Luzia Ellert

"Weltoffenheit beginnt vor der Haustüre"

Spitzenkoch Josef Floh über seine Prinzipien.

STANDARD: Was macht Floh und seine Gastwirtschaft aus?

Josef Floh: Die Produzenten und ihre Produkte sind unser Herzstück. Das behaupten heute viele von ihrem Restaurant – als wir damit begonnen haben, war das aber noch alles andere als in.

STANDARD: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihren Fokus derartig auf Nachhaltigkeit zu verlegen?

Floh: Ich war immer schon ein neugieriger Mensch, der dazulernen möchte. Wenn man Lebensmittel hinterfragt, kommt man unweigerlich zu den Produzenten.

STANDARD: Haben die Gäste Ihren Fokus auf die Produzenten verstanden?

Floh: Das Ganze ist ja auch bei uns langsam gewachsen. Wir fragen nach, fühlen und entscheiden dann. Wir hatten zu Beginn einen Tierarzt als Stammgast. Mein Weg zur Frage nach Herkunft und Produktion unserer Zutaten führte ja über den Wein. Eines Tages sagte dieser Tierarzt zu mir: "Ihr scheißt’s da mit dem Wein umanand, werd’s sehen, in ein paar Jahren ist das mit dem Fleisch genauso."

STANDARD: Und er sollte recht behalten ...

Floh: Genau. Ab dem Moment habe ich in puncto Herkunft und Produktion nachgefragt. Der Tierarzt hat mir den letzten Anstoß gegeben, um in die Gänge zu kommen. Vor Jahren haben wir sogenannte Wein-Cups veranstaltet. Das war noch zu Zeiten, als man im Anzug Wein getrunken hat. Diese Events waren sehr erfolgreich, weil sie eben nicht so spießig waren wie das damalige Weintrinken. Aufgebaut haben wir sie wie einen Fußball-Cup, bei dem Winzer und ganze Regionen gegeneinander angetreten sind. Irgendwann habe ich mir dann gedacht: Und der Erbsenbauer? Was ist mit seinem Ruhm? Wir haben den Cup eingestellt und die Produzenten auf der Speisekarte mit Fotos, mit Informationen zu ihren Produkten und mit Videos vor den Vorhang gebeten.

STANDARD: Und den vielbesagten Radius 66 beschlossen?

Floh: Das verstehen leider viele falsch. Auch wenn 97 Prozent unserer Zutaten tatsächlich aus einem Umkreis von 66 Kilometern kommen, geht es hier nicht um ein Dogma. Sondern darum, Produkte zu verwenden, die in Herkunft und Produktion nachvollziehbar sind. Die sind nämlich auch gut. Der Käse von Nuart aus Kärnten oder die Schokos von Zotter sind mehr als 66 Kilometer weg. Trotzdem haben wir sie, weil wir gut zusammenpassen.

STANDARD: Generell hat man den Eindruck, dass hier alles gut zusammenpasst.

Floh: Danke. Wir bemühen uns sehr, stimmig zu sein. Für den einen beginnt das bei den Wassergläsern aus Weinflaschen, der andere findet die Solaranlage super, der nächste wieder unsere Verbindung mit der Region. Für mich ginge das eine ohne das andere nicht.

STANDARD: Trotzdem hat man als ambitionierter Koch in, sagen wir, Paris mehr Möglichkeiten als in Langenlebarn, nicht?

Floh: Ich habe jahrelang in der Spitzengastronomie gearbeitet. Zum Beispiel bei Heinz Winkler in Aschau. Das war damals eines der besten Restaurants Europas. Von diesen Stationen habe ich sowohl gute Ideen wie auch Dinge, die ich nicht machen wollte, mitgenommen. Ich halte es für sehr wichtig, ins Ausland zu gehen. Weg von Mamas Rockzipfel und auf eigenen Beinen stehen. Bald war klar, dass ich die Gastwirtschaft übernehmen möchte. Weil nein: Ich als Floh aus Langenlebarn habe hier mehr Möglichkeiten, authentisch zu sein, als in Paris. Außerdem beginnt Weltoffenheit schon vor der Haustüre.

STANDARD: Und wie feiert ein nachhaltiger Langenlebarner Weihnachten?

Floh: Unaufgeregt. Meistens gibt es Fisch. Vielleicht heuer Karpfen. Als Nachspeise gibt es Kekse von der Schwiegermutter. Für mich muss Gutes nicht immer aufgeregt sein. Oft ist das Einfache besser. (Nina Wessely, RONDO, 13.12.2019)