Recht elegant für eine neapolitanische Trattoria, dafür ist die Küche so volkstümlich wie erhofft.

Foto: Gerhard Wasserbauer

An der Bar werden Sprizz’ verschiedener Art gefertigt, wofür gern auch die selbstangesetzten, über der Theke reifenden Orangen- und Zitronenliköre (aus den Früchten von Nino Crupi in der nahen Margaretenstraße) zum Einsatz kommen.

Die bereitstehenden Taralli – geflochtene, in Schweineschmalz herausgebackene Teigringe (mit Mandeln oder Pfeffer!) – darf man sich natürlich dazu wünschen, als Neapel-Auskenner aber wird man dann eher nicht mehr ernst genommen: Dort sind die fettknusprigen Kringel ein klassischer Snack zu Bier, der "spass" (neapolitanisch für Knabberei) zum Aperitivo hat hingegen aus Nüssen zu bestehen.

Wir erkennen: Die Freude am Essen und Trinken ist in Neapel auch abseits der legendären Pizze eine sehr reglementierte. Genovese etwa (siehe Bild), ein mythisches, über Stunden geschmortes Ragù aus doppelt so vielen Zwiebeln wie Wadschunken – aber ohne Paradeiser! –, darf zwar nach Gusto mit oder ohne Fleischbrocken (die an sich für den "secondo" reserviert sind) aufgetischt werden. Die einzig möglichen Teigwaren dafür aber sind Ziti lunghi, eine Art Riesen-Maccheroni, die vor dem Kochen zwingend mit den Händen in zwei zu brechen sind.

Genovese darf nach Gusto mit oder ohne Fleischbrocken aufgetischt werden.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Oder die wunderbar cremige, zart rauchige Pasta e Patate al Provolone, neapoletanisch "a’ past e’ patan c’a’ provol": ein Gericht, bei dem Pasta und Erdäpfel gemeinsam garen, bevor sie mit Provolone und Scamorza vermengt werden. Arme-Leute-Küche in Reinkultur, wird dementsprechend mit Pasta Mista (einer Mixtur verschiedener, zum Teil zerbrochener Pasta-Varianten) zubereitet. Und zwar unbedingt, sonst kann man’s laut Kodex gleich bleiben lassen.

An Orthodoxien wie diese hält man sich im neuen Riva Officina wie selbstverständlich. Sind schließlich nur Neapolitaner hier beschäftigt, und der Capo, Alessandro d’Ambrosio (genau, der mit den Schuhen), ist zumindest ein halber.

Als das Lokal neben seiner Pizzeria Riva Favorita plötzlich frei wurde, habe er zugreifen müssen. Die Größe, sagt er, sei genau richtig für so eine kleine Trattoria mit Bar gewesen, wo er zumindest manche der anderen Dinge aus der Heimat genießen könne, die ihm neben guter Pizza immer Heimweh machen.

Parmigiana di Melanzane zum Beispiel, in gusseiserne Form geschichteter Gratin aus frittierten Melanzani mit dicker Paradeissauce und Mozzarella: so herrlich mollig, cremig, auf sanfte Art geil, dass es einen jedes Mal wieder erschüttert.

Oder Minestrone aus vielerlei Gemüse, mit löffelweise Parmesan und nicht wenig Olivenöl obendrauf. Oder diese fantastisch luftigen Fleischbällchen namens "a’ purpett", die durchaus ohne Pasta, aber unbedingt in fruchtiger Tomatensauce zu genießen sind.

Korrekte Kroketten

Im Ofen gebackene Artischockenherzen mit ordentlich Burrata drauf sind auch so eine neapolitanische Gemeinheit, das Fritto misto aus Frittatine (gebackene Pasta, außen knusprig, innen cremig), Croquets (hausgemachte Kroketten) und knusprigen Arancini aus cremigem Risotto mit Ragù und Mozzarella intus ist dann überhaupt höheres Backwerk aus dem heißen Öl.

Der Neapolitaner inhaliert derlei Deftigkeiten übrigens als Antipasto und hat hinterher noch Platz für den Tondo. Sollte man auch haben, das ist nämlich ein in luftigstes Pizzabrot gepacktes, rosa gegrilltes Faschiertes, das mit Friarielli, knusprigem Lardo und Parmesanmayo aufgehusst wird. Danach ist man bereit für alles – sogar für die Unbilden der schönsten Zeit des Jahres. (Severin Corti, RONDO, 13.12.2019)

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