Peter Maass war Kriegskorrespondent für die "Washington Post" im Bosnienkrieg in den 1990er-Jahren. Außerdem Korrespondent in anderen Kriegen (Afghanistan) für das "New York Times Magazine" und den "New Yorker". Heute ist er Universitätsdozent und Autor bei der Internet-Plattform "The Intercept".

Maass hat scharfe Kritik an der Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke geübt und ihn der Verharmlosung der serbischen Kriegsverbrechen beschuldigt. Bei der Nobel-Pressekonferenz in Stockholm stellte Maass Fragen an Handke, der bezeichnete diese jedoch als "leer" und "ignorant". Im selben Zusammenhang sagte er, da seien ihm Klopapierrollen mit "Kalligrafie aus Scheiße" noch lieber.

Olga Tokarczuk und Peter Handke bei der Verleihung des Literaturnobelpreises in Stockholm.
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Maass ruft nun auf Twitter die anderen internationalen Bosnien-Korrespondenten auf, auf der Basis ihrer Erfahrungen unter dem Hashtag #BosniaWarJournalists gegen die Ehrung von Handke aufzutreten. Eine beeindruckende Schar von erstklassigen Journalisten ist seiner Aufforderung gefolgt: Christiane Amanpour von CNN, die schlicht schreibt: "Ich war dort. Wir alle wissen, wer schuldig ist." Roger Cohen von der "New York Times", der die Berichte von Überlebenden der serbischen Todeslager gebracht hat: "Handke nennt den Genozid einen Mythos. Aber es ist geschehen." Samantha Power, die im "Boston Globe" die ersten Berichte über das Massaker von Srebrenica mit 8000 ermordeten bosnischen Männern und Burschen brachte und später Obamas UN-Botschafterin wurde, und etliche andere, darunter Kriegsfotografen wie Nina Aberman und Joel Brand, jene "internationalen Berichter und Belichter", von denen Handke behauptet, sie hätten die Opfer zu "fremdgewünschten Martermienen und -haltung (…) angeleitet, gelenkt, gewinkt".

Lächerliche Verschwörungstheorie

Eine ungeheuerliche Passage, die von den Handke-Verteidigern verdrängt wird. Wer wider alle Evidenz an den "Martermienen" zweifelt, der lese den jetzt in der "FAZ" erschienenen Bericht von Michael Martens über eine Überlebende des bosnisch-serbischen Folter- und Vergewaltigungslagers in Omarska (oder, wenn er es aushält, die Protokolle des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag).

Handke und seine Verteidiger werden sagen, das seien doch alles westliche Journalisten, Handlanger eines Westens, der aus irgendwelchen kapitalistischen Gründen das tapfere sozialistische Jugoslawien zerstören wollte. Eine lächerliche Verschwörungstheorie. Es war umgekehrt: Europa und die USA wollten lange nicht wahrhaben, dass die Slowenen, Bosnier, Kroaten rauswollten. Handke und seine Verteidiger werden sagen, "alle" seien irgendwie schuld. Aber allein der Bericht der Überlebenden aus Omarska beweist, wie systematisch die bosnischen Serben beim Werk der Kennzeichnung, Ausgrenzung und schließlich der Vernichtung der anderen vorgegangen sind.

Handke soll seinen Nobelpreis haben. Die literarische Qualität vieler seiner Bücher, angefangen bei "Wunschloses Unglück", das inzwischen zu Recht Schullektüre ist, rechtfertigt den Preis.

Man soll Handke nur nicht politisch ernst nehmen oder gar für sein "Querdenken" bewundern. Er hat angesichts dieser Tragödie schlicht menschlich und intellektuell versagt.(Hans Rauscher, 10.12.2019)