Greta Thunberg lässt auf der Klimakonferenz in Madrid lieber andere reden – etwa die Forscher.

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Greta Thunberg auf der Klimakonferenz in Madrid zu finden ist keine besonders schwierige Aufgabe. Dort, wo viele Kameras in die Höhe gehalten werden und sich lange Schlangen bilden, spricht mit großer Wahrscheinlichkeit gerade die schwedische Klimaschutzaktivistin. Mehr als ein paar Sätze bekommen Journalisten dabei allerdings selten zu hören. Die 16-Jährige will das Interesse an ihrer Person vielmehr nutzen, um die Aufmerksamkeit auf andere zu lenken, wie sie betonte. Bereits am Montag gab sie das Mikrofon direkt an junge Klimaschützer aus anderen Ländern weiter.

Am Dienstag lag das Augenmerk auf der Forschung. "Wir haben keine Zeit mehr, die Wissenschaft außen vor zu lassen", sagte Thunberg bei einer von ihr einberufenen Veranstaltung. "Es wirkt, als würden Menschen noch immer nicht begreifen, was los ist."

Klare Worte der Wissenschaft

Dafür, "was los ist", fanden die anwesenden Wissenschafter durchaus klare Worte. So etwa Sivan Kartha vom Stockholm Environment Institute. Er erinnerte daran, dass, sollten wir weitermachen wie bisher, die globale Durchschnittstemperatur um bis zu fünf Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Werten steigen könnte. Was das bedeute, verdeutlichte der Wissenschafter mit einem Vergleich zur letzten Eiszeit: "Die Welt musste nur fünf Grad wärmer werden, um kilometerdicke Eisdecken zu schmelzen", erklärte Kartha. Man möge sich vorstellen, was bei weiteren fünf Grad Erderwärmung drohe.

Verhandlungsschlupflöcher

Von den bisherigen Gesprächen zeigten sich die meisten Wissenschafter nicht überzeugt: "Heute wird weiter über Schlupflöcher verhandelt", meinte etwa der US-Klimaforscher William Moomaw. Die Möglichkeiten des Einzelnen seien im Kampf gegen die Klimakrise beschränkt. Es brauche echte nationale Anstrengungen – anstatt diese in Madrid nur in schöne Worte zu kleiden. Ob die Message drüben, bei den Politikerinnen und Politikern, ankam?

Österreichs Umweltministerin Maria Patek nutzte den Gipfel in Spanien, um auf die "Vorreiterrolle Österreichs" in Sachen Klimaschutz aufmerksam zu machen. Dass die Republik bei einem Klimaranking mehrerer Umweltorganisationen nur im unteren Mittelfeld landete – de facto ist Österreich um zwei Plätze nach hinten gerutscht –, tat dabei nichts zur Sache. Patek verwies auf gesetzte Maßnahmen im Bereich der Erneuerbaren, das Plastiksackerlverbot und den Raus-aus-dem-Öl-Bonus. Den Vergleich mit anderen findet die Delegation "nicht ganz fair" – Länder, die auf Atomkraft setzen, würden besser bewertet.

Beschwichtigungsversuche

Während man sich im Besprechungsraum der Österreicher im Beschwichtigen übte, scheute Al Gore ein paar Säle weiter nicht vor Superlativen zurück. Das, worum es hier gehe, sei nichts anderes als ein "globaler planetarischer Notfall", ein "absurd kriminelles Handeln" in Zusammenhang mit fossilen Energieträgern.

Gleich zu Beginn warnte der frühere US-Vizepräsident, heute ein überzeugter Umweltschützer: "Wenn Sie während des Vortrags das Gefühl haben, Sie fühlen sich ein wenig deprimiert – halten Sie durch, es gibt viel Grund zur Hoffnung am Ende der Präsentation." Wie gesagt, so getan: Nach mehr als 30 Minuten voller aufschreckender Grafiken, erschütternder Bilder aus Katastrophengebieten und eindringlicher Worte ("Wir können Waldbrände nicht das neue Normal werden lassen") folgt der versprochene ermutigende Blick in die Zukunft. "Wir haben die Lösungen bereits bei der Hand", ist Gore überzeugt, "wir müssen nur aufhören, dumme Dinge zu tun" – etwa fossile Energieträger zu fördern.

"Nicht schnell genug"

An die beim Gipfel anwesenden Politiker appelliert Gore mit kehliger, fast schon schreiender Stimme, es brauche deutlich mehr Ambitionen: "Es passiert etwas! Aber es passiert nicht schnell genug!"

Bei der österreichischen Umweltministerin scheint das zumindest teilweise angekommen: Den Verhandlern sei klar, dass die Bevölkerung eine große Erwartungshaltung habe, erklärte Patek. Diese könne aufgrund des Settings so aber nicht erfüllt werden: "Politische Entscheidungen sind hier nicht zu erwarten und stehen auch nicht auf der Agenda."

Drüben im "Action Hub" der Klimakonferenz hat das die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer so zusammengefasst: "Die Diskrepanz zwischen den Dingen, die in diesen Hallen besprochen werden, und dem, was auf der Straße passiert, ist größer als je zuvor." (Nora Laufer, Karin Riss, 10.12.2019)