ORF-General Alexander Wrabetz und sein Mann für's Große Pius Strobl auf der ORF-Baustelle. Bauleiter Strobl leitet nun auch die Investitionsplanung der ORF-Technik, bis das neue ORF-Zentrum fertig ist.

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ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ist sichtlich in Fahrt – der Boss des größten österreichischen Medienkonzerns versetzt seine Belegschaft gerade Tag für Tag aufs Neue in Aufruhr. In der Nacht auf Montag sortierte Wrabetz die TV-Information überraschend um, Dienstag nahm sich der Sozialdemokrat die ORF-Technik vor – und dem roten ORF-Bollwerk für die nächsten Jahre ihr vielmillionenschweres wirtschaftliches Herzstück weg.

Türkise Pläne für rote Technik

Das ist – in ORF-Dimensionen – ein geradezu spektakulärer Schritt: Die ORF-Technik ist seit Jahr und Tag ein Angriffsziel insbesondere der ÖVP. Nicht alleine, aber auch weil sie traditionell mit ihrer roten Betriebsratsmehrheit ein Machtfaktor für die Bestellung von ORF-Generaldirektoren ist. Fünf Zentralbetriebsräte sitzen im ORF-Stiftungsrat und stimmen gleichberechtigt mit den übrigen Stiftungsräten über die Bestellung der ORF-Führung ab.

Immer wieder versuchte die ÖVP, Teile der ORF-Technik auszulagern – zuletzt etwa plante das der damalige ORF-Finanzdirektor Richard Grasl 2016 als bürgerlicher Generalskandidat. Die Technik ist auch nach Sparanstrengungen personalstärkster ORF-Bereich. Bei der Betriebsratswahl im Herbst 2019 waren 1198 Menschen wahlberechtigt, die rote Liste von Betriebsratschef Gerhard Berti hielt ihre absolute Mehrheit.

Investitionen gehen an Baumanager Pius Strobl

Worum geht es nun? Die Technik-Investitionsplanung ist der wirtschaftlich gewichtigste Teil der ORF-Technik. Das wichtigste technische Investitionsprojekt des ORF ist die Ausstattung des gerade sanierten und teils neu gebauten ORF-Zentrums mit einem neuen Content-Management-Center, einem neuen multimedialen Newsroom, mit der schon installierten Technik für FM4 und der Technik für Ö1 und Ö3, für die nun auf den Küniglberg neue Gebäude errichtet werden. Da erreicht man rasch hohe zweistellige Millionenbeträge an Investitionsvolumen, sagen Menschen mit Sachkenntnis.

Wrabetz' Organisationsanweisung vom Dienstag unterstellt all diese technischen Investitionen de facto Pius Strobl, der das 300-Millionen-Bauprojekt Küniglberg für den ORF organisiert. Der Gründer und langjährige ORF-Stiftungsrat der Grünen war schon erster Kommunikationschef von Alexander Wrabetz als ORF-General, er managte den Song Contest 2015 in Wien und übernahm dann das ORF-Bauprojekt, das damals aus dem Ruder zu laufen drohte. Nebenbei ist Strobl inzwischen zuständig für Sicherheit im ORF, für Facility Management und für Humanitarian Broadcasting ("Licht ins Dunkel", "Mutter Erde").

Wrabetz Mann' für's Große hat in seinem Bereich "Medienstandort" schon einen zuständigen Projektmanager für Rundfunktechnik, Alexander Hetfleisch. Offenbar funktionierte die Abstimmung mit der ORF-Technik bisher nicht nach den Vorstellungen Strobls. Und der sorgt jedenfalls nach ORF-Angaben im Finanzausschuss an diesem Montag immerhin dafür, dass das zeitweilig aufregende Bauprojekt nun sehr präzise im Budget- und Zeitrahmen ist.

"Alle Technik-Dienststellen verpflichtet"

Die Organisationsanweisung klingt nicht, als hätte die Zusammenarbeit zwischen Strobls Team und der damit befassten ORF-Technik reibungslos funktioniert. Ausdrücklich hält sie fest: "Alle Dienststellen der Technischen Direktion sind verpflichtet, die Projektorganisation MSO (Medienstandort, Strobl also) sowie die Projektleitung RFT MSO (Rundfunktechnik Medienstandort) bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aktiv zu unterstützen und die Aufgaben innerhalb der aus der Terminplanung ableitbaren Fristen umzusetzen."

Dem Strobl-Mann Hetfleisch wird mit der Anweisung die "Projektleitung Rundfunktechnik MSO" unterstellt, und damit all jene Mitarbeiter der ORF-Technik, die mit der Technik für den Medienstandort beschäftigt sind. Formal ist dieser neu konstruierte Bereich der Technikdirektion unter Michael Götzhaber zugeordnet. Aber: Strobl als "Gesamtprojektleitung" erteilt der Rundfunktechnik Medienstandort laut Wrabetz' Order etwa "Vorgaben zu Terminen und Schnittstellen".

"Direkter Einfluss auf Investitionsplan der Technischen Direktion"

Die vom Strobl-Mann geleitete Rundfunktechnik Medienstandort bekommt mit der Organisationsanweisung eine Vielzahl von Kompetenzen: "Direkten Zugriff" etwa auf Anlagenplaner aus der Technik samt einer Art Personalhoheit: "Mitarbeiter, die zu mehr als 50 Prozent und einer Dauer von mehr als zwölf Monaten dem Projekt Rundfunktechnik Medienstandort zugeordnet sind, sind dem Projektleiter Rundfunktechnik fachlich und disziplinär zugeordnet."

Der Projektleiter bekommt ebenso "direkten Zugriff auf Kapazitäten der (Technik-)Hauptabteilungen Produktion Fernsehen und Hörfunk" für die Planung und Konfiguration der Standort-Technik. Er bekommt "direkte Einflussnahme auf den Investitionsplan der Technischen Direktion" für die Standort-Technik. Und dazu – sehr detailreich aufgelistet – praktisch die Gesamtverantwortung für die Technik des Standortprojektes.

Befristet entmachtet

Im "Lenkungsausschuss" für das Projekt Küniglberg sind die ORF-Direktoren aber immerhin vertreten. Und der Technikdirektor wird von Wrabetz' Organisationsanweisung nur befristet entmachtet: Nach Abschluss des Standortprojekts wandert die Investitionsplanung zurück in die "Linienorganisation" der Technik-Direktion. Wenn es sie in der Form dann noch gibt.

  • Reaktion: In der ORF-Technik sieht man die temporäre Neuorganisation keineswegs als Entmachtung. Personal und Budget blieben der ORF-Technik organisatorisch zugeordnet. Die begleitende Kontrolle des Standort-Projektes habe die Organisation empfohlen. Sie diene der Beschleunigung.

Vorstand statt Direktoren

Das Bauprojekt Küniglberg ist bis (Ende) 2021 angelegt, dann soll etwa Ö1 aus dem Funkhaus in der Wiener Argentinierstraße auf den Küniglberg ziehen. 2021 endet aber auch die reguläre Funktionsperiode von ORF-General Alexander Wrabetz und seiner Direktoren. Sofern kein neues ORF-Gesetz diese Amtszeit verkürzt – das dürfte sich aber kaum noch lohnen.

Die ÖVP bereitete noch in der Koalition mit der FPÖ ein neues ORF-Gesetz vor, das die Funktion des Alleingeschäftsführers des ORF mit derzeit vier ihm unterstellten Direktoren durch einen Vorstand mit mehreren Mitgliedern nach dem Vorbild von Aktiengesellschaften ersetzt.

Dafür braucht die ÖVP eine Mehrheit im Nationalrat – und die kostet wohl noch einige Abstimmung mit den Grünen, mit denen sie noch über eine Koalition verhandelt. Oder andernfalls einer anderen Fraktion.

Im Jänner Info-Klausur für Multimedia-Newsroom

Einen nächsten Punkt mit einigem Potenzial für Aufruhr auf dem Küniglberg soll sich Wrabetz für Jänner vorgenommen haben: Eine Klausur zur Frage, wie die Journalistinnen und Journalisten des ORF von TV, Radio und Online im künftigen Newsroom zusammenarbeiten werden. (fid, 11.12.2019)