Aung San Suu Kyi, der vor genau 28 Jahren der Friedensnobelpreis verliehen wurde, ist dieser Tage in Den Haag, um ihr Land vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verteidigen.

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Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Demonstranten: "Völkermordleugnerin" steht auf diesem Schild. Es fanden auch Kundgebungen zugunsten Aung San Suu Kyi statt.

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Die UN werfen dem Militär in Myanmar eine "genozidaler Absicht" vor. Mehr als 730.000 Rohingyas sind wegen den Gewalttaten in das benachbarte Bangladesch geflohen – auf gefährlichen Fluchtwegen.

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Hunderttausende Rohingyas leben nun in notdürftigen Lagern in Bangladesch – für die Wenigsten gibt es ein Zurück.

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Viele Rohingya-Dörfer in Myanmar wurden komplett zerstört.

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Yangon – Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) hat Myanmars De-facto-Regierungschefin, "Staatsrätin" Aung San Suu Kyi, das Verfahren wegen des Vorwurfs des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit angezweifelt. Gambia, das Myanmar geklagt hat, habe ein "unvollständiges und irreführendes" Bild von der tatsächlichen Lage im Bundesstaat Rakhine gezeichnet, sagte sie am Mittwoch.

Der kleine westafrikanische Staat Gambia hatte im Namen der 57 Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit vor dem IGH den Vorwurf erhoben, dass Myanmars Streitkräfte mit ihrem Vorgehen gegen die Rohingya 2017 gegen die UN-Völkermordkonvention von 1948 verstoßen hätten.

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Der afrikanische, überwiegend muslimische Staat Gambia beschuldigt Myanmar des Völkermords.
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Bei Juristen hatte es für Erstaunen gesorgt, dass Suu Kyi als Politikerin selbst vor dem obersten Gericht auftreten will. "Staaten schicken niemals Politiker an der Spitze von juristischen Teams zum IGH", sagte die Völkerrechtsexpertin Cecily Rose.

Mehrere Massenvertreibungen während der Balkan-Kriege in den 1990er-Jahren seien nicht als Völkermord behandelt worden, argumentierte die Friedensnobelpreisträgerin in ihrer Verteidigung. Die internationale Justiz habe der Versuchung widerstanden, diese rechtliche Bewertung anzuwenden, denn die Absicht, die betroffene Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören, sei nicht gegeben gewesen.

"Absicht eines Völkermordes"

Die Probleme in Myanmars Bundesstaat Rakhine, in dem die Rohingya leben, reichten Jahrhunderte zurück, sagte Suu Kyi. Die Soldaten Myanmars hätten im August 2017 auf Angriffe bewaffneter Gruppen reagiert. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie dabei unangemessene Gewalt eingesetzt hätten. Die "Absicht eines Völkermordes" könne aber nicht die einzige Hypothese in dem komplexen Fall sein. "Wir haben es mit einem internen bewaffneten Konflikt zu tun, der von der Rohingya-Armee begonnen wurde."

Dieser Konflikt habe tragischerweise zum Exodus tausender Menschen geführt. "Myanmar hätte mehr tun können, um unser gemeinsames Erbe und die tiefen Ebenen der Einheit zwischen den verschiedenen Menschen unseres Landes zu betonen", sagte sie. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass unverhältnismäßige Gewalt von Mitgliedern der Streitkräfte angewandt wurde. Wenn das Militär aber Kriegsverbrechen begangen haben sollte, dann würden diese strafrechtlich verfolgt. Eventuelle Verbrechen fielen aber nicht unter die Völkermordkonvention von 1948, betonte Suu Kyi.

"Systematische Gewaltakte"

Mitte November hatte der Internationale Strafgerichtshof Ermittlungen zu möglichen Verbrechen gegen die Rohingya in Myanmar zugestimmt. Es gebe "eine glaubwürdige Basis" für die Annahme, dass "weit verbreitete und/oder systematische Gewaltakte" begangen worden seien, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden könnten, hieß es zur Begründung. Die UN werfen dem Militär eine Kampagne gegen die Rohingya mit "genozidaler Absicht" vor. Mehr als 730.000 Angehörige der Minderheit sind in das benachbarte Bangladesch geflohen. (red, APA, 11.12.2019)