Christa Schleper ist Mikrobiologin und leitet das Department für Ökogenomik und Systembiologie an der Universität Wien.

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In der aktuellen Semesterfrage beschäftigen sich verschiedene Experten und Expertinnen der Universität Wien mit der Frage "Wie schützen wir die Artenvielfalt?". Die Mikrobiologin Christa Schleper hat in ihrem Beitrag "Mikroorganismen: Warum die Kleinsten die größte Rolle im Ökosystem spielen" erklärt, welche Rolle Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Archaea spielen können. Auf die interessantesten Beiträge aus dem Forum reagiert die Mikrobiologin in diesem Artikel:

Christa Schleper: Es gibt bereits viele Studien zum positiven Einfluss von Mikroorganismen auf das Pflanzenwachstum und die Pflanzengesundheit. Bakterien können nicht nur Wurzelbildung, Keimung und Wachstum positiv beeinflussen, sei es durch die Bereitstellung von Mineralstoffen und durch Anregung zur Hormonbildung, sondern sie können beispielsweise auch die Pflanze vor Krankheitserregern schützen. Für einige Bakterienarten ist das gut untersucht und daher ist es auch nicht überraschend, dass sich eine Zugabe von Mikroorganismen zum Boden prinzipiell positiv auswirken kann. Allerdings ist es nicht sicher, dass auch längerfristige Wirkungen erzeugt werden können, weil die hinzugegebenen Mikroorganismen sich unter Umständen nicht lange im Boden vermehren. Wie schon in anderen Kommentaren richtig beschrieben, wird dies von den individuellen Bodenbeschaffenheiten, und den vorhandenen Pflanzenarten und Mikroorganismen abhängen.

Man kann hier durchaus Parallelen zur Medizin ziehen. Auch die Probiotika, die man zu sich nehmen kann, siedeln sich nicht unbedingt in unserem Darm an. Dennoch wurden Mikroorganismen aus dem Darm gesunder Spender bereits erfolgreich in Patienten implantiert und konnten, besonders im Falle von Clostridium difficile-Erkrankungen, zu einer schnellen Heilung führen. Voraussetzung dafür ist, dass sich das neue Mikrobiom gegen das alte durchsetzen kann. Bei vielen anderen Erkrankungen, wie entzündlichen Darmerkrankungen, führt dies aber nicht so leicht oder gar nicht zum Erfolg. Es sind noch viele Bakterien und Archaea Arten unbekannt und damit auch ihr Zusammenwirken unerforscht, sodass man nur sehr schwer Vorhersagen machen kann. Besonders das Mikrobiom des Bodens ist noch weitgehend unverstanden. Es ist auch mit Abstand das komplexeste. Von den tausenden von Arten in einer Bodenprobe können weniger als 0,01 Prozent derzeit im Labor kultiviert und damit näher studiert werden. Da gibt es noch viel zu tun für die Mikrobiologie.

Christa Schleper: Ich denke auch, dass die Landwirtschaft biotechnologische Weiterentwicklungen braucht, die eine Entwicklung zu produktiveren und nachhaltigere Produktionsweisen unterstützen kann. Es ist bekannt, dass eine gute biologische Landwirtschaft mit Fruchtwechsel insgesamt weniger Treibhausgase produzieren und gesunde Böden aufbauen kann.

Christa Schleper: Ich stimme prinzipiell zu, dass eine Veränderung der Mikrobiota von konventionell gegenüber organisch angebauten Äpfeln auf viele Ursachen zurückgeführt werden kann. Mir kam es hier primär darauf an, Staunen darüber zu erzeugen, wie viele Mikroorganismen auf und in einem einzigen Apfel sind und dass man signifikante Unterschiede zwischen zwei verschiedenen Anbauarten überhaupt sehen kann.

Die andere Studie auf die hier von einem der Leser hingewiesen wurde und die offenbar zu anderen Ergebnissen kam, ist zehn Jahre vorher entstanden. Damals waren die molekularen Methoden bei weitem noch nicht so gut in der Auflösung wie jetzt. In der Studie von 2009 wurden 100 bis 1000-fach weniger molekulare Signaturen angeschaut, als in der neueren.

Christa Schleper: Ich stimme vollkommen zu. Mikrobielle Gemeinschaften evolvieren ständig weiter. Durch "Verschleppung" von Mikroorganismen oder durch eine Veränderung des Ökosystems kann es zu großen Verschiebungen in der Zusammensetzung kommen und invasive Arten können sich durchsetzen. So werden beispielsweise aufgrund der Klimaveränderungen nun auch mehr humanpathogene Bakterien in Gewässern entdeckt.

Christa Schleper: Mir war es in diesem Artikel insbesondere wichtig, die vielfältigen Stoffwechselwege der kleinsten und ältesten Lebewesen hervorzuheben, also der Archaea und Bakterien. Diese gehören zu den Prokaryoten, sie stellen die einfachsten zellulären Lebensformen dar, weil sie keinen Zellkern oder sonstige Kompartimente haben. Demgegenüber stehen die wahrscheinlich erst viel später entstandenen Eukaryoten, zu denen alle anderen Lebewesen gehören, außer den Viren – also Tiere, Pflanzen, Pilze und Protisten. Diese besitzen einen Zellkern und noch weitere Kompartimente, insbesondere die Mitochondrien, die Energiemaschinen der Zelle. Übrigens ist nach den neuesten Vorstellungen der erste Eukaryot aus einem Archaeon, aus der neu entdeckten Gruppe der Asgard-Archaea, entstanden, das ein Bakterium aus der Gruppe der Alpha-Proteobakterien verschluckt hat. Die zellulären Unterschiede zwischen Bakterien, Archaea und Eukaryoten – den drei Domänen des Lebens – sind sehr fundamental, aber eine genauere Beschreibung würde hier den Rahmen sprengen. Sie können vieles darüber nachlesen oder auch gerne zu einer unserer Vorlesungen kommen.

Christa Schleper: Nach meinem Wissenstand ist beides nicht optimal. Auf jeden Fall lohnt es sich, auf nachhaltige Landwirtschaft zu setzen, bei der langfristig Humus aufgebaut wird und die Diversität im Boden erhalten bleibt. Fruchtfolgen statt Überdüngung oder Permakultur statt Pflug. Aber ich bin keine Landwirtin. (Christa Schleper, 12.12.2019)