Aufgewachsen weiter im Süden, fanden diese Menschen in Uxul ihr gewaltsames Ende.
Foto: Nicolaus Seefeld

Was Gewalt anbelangt, waren die Maya nicht zimperlich, wie ein Fund aus der Ruinenstätte von Uxul zeigt. In der ehemaligen Maya-Stadt, im heutigen südmexikanischen Bundesstaat Campeche gelegen, stießen deutsche Forscher auf die Gebeine von etwa 20 Menschen, die getötet und zerstückelt worden waren. Auch vor Säuglingen war dabei nicht haltgemacht worden.

Nicht jugendfrei

Forscher der Universität Bonn hatten die rund 1.400 Jahre alten Gebeine bereits vor mehreren Jahren am Boden eines Wasserspeichers entdeckt. Detaillierte Untersuchungen ergaben, dass dort neben mindestens 14 Männern und einer Frau auch einige Jugendliche und ein 18 Monate alter Säugling abgelegt worden waren. Beinahe alle Knochen wiesen Schnittspuren und Verletzungen von Steinklingen auf, deren regelmäßige Verteilung laut den Forschern verdeutlicht, dass man die Opfer in einem systematischen und geplanten Vorgang zerteilt hatte. Sie wurden außerhalb des Wasserspeichers getötet und enthauptet, dann zerteilt und ihre Körperteile am Grunde des Speichers niedergelegt.

Hitzespuren an den Knochen zeigten, dass die Körper Feuer ausgesetzt wurden – vermutlich um Haut und Muskeln besser ablösen zu können. Menschliche Bissspuren an den Knochen, die auf Kannibalismus hindeuten würden, ließen sich aber nicht nachweisen. Nach der Zerteilung wurden ursprünglich zusammenhängende Körperteile bewusst in möglichst großer Entfernung zueinander niedergelegt. "Darin wird deutlich der Wunsch erkennbar, die physische Einheit der Individuen zu zerstören", sagt der Bonner Forscher Nicolaus Seefeld, der ein Projekt zum Massengrab von Uxul und der Funktion von ritualisierter Gewalt in der Maya-Gesellschaft leitet.

Auf den Spuren der Opfer

Wer diese Menschen waren und warum sie getötet wurden, konnte zunächst nur spekuliert werden. Nun konnte eine Isotopenanalyse, die von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko durchgeführt wurde, das Bild aber etwas klären.

Das Element, auf das die Analyse fokussierte, ist Strontium, wie die Uni Bonn berichtet. Strontium wird mit der Nahrung aufgenommen und wie Kalzium in Knochen und Zähne eingelagert. Da die Isotopenverhältnisse des Elements in Gesteinen und Böden variieren, erhält man für unterschiedliche Regionen auf der Erde jeweils charakteristische Signaturen.

Gemeinsam mit mexikanischen Kollegen nahm Seefeld im Frühsommer dieses Jahres von insgesamt 13 Individuen winzige Proben aus dem Zahnschmelz. "Da die Entwicklung des Zahnschmelzes in früher Kindheit abgeschlossen ist, lässt sich anhand des Strontium-Isotopenverhältnisses auf die Region schließen, in der ein Mensch aufgewachsen ist", sagt Seefeld.

Machtdemonstration

Die Resultate der Isotopenanalyse zeigen, dass der Großteil der Opfer in mindestens 150 Kilometer Entfernung von Uxul im südlichen Tiefland, im Bereich des heutigen Guatemala, aufgewachsen war. "Mindestens ein Erwachsener und auch ein Säugling waren jedoch lokale Bewohner aus Uxul", sagt der Forscher. Es handelte sich offenbar überwiegend um Menschen von hoher sozialer Stellung, da acht der Individuen aufwendigen Zahnschmuck aus Jade oder Gravuren in den Schneidezähnen aufwiesen.

Durch bildliche Darstellungen ritueller Gewalt bei den klassischen Maya ist bekannt, dass die Enthauptung und Zerstückelung von Menschen meist im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen auftrat. Diese Darstellungen zeigen häufig siegreiche Herrscher, die bevorzugt die Eliten der unterlegenen Stadt zu Kriegsgefangenen machten, um sie später öffentlich zu demütigen und zu töten. "Deshalb sind die dokumentierten Handlungen aus Uxul nicht als bloßer Ausdruck von Grausamkeit oder Brutalität zu verstehen, sondern als eine Machtdemonstration", sagt Seefeld.

Die plausibelste Erklärung ist für den Forscher, dass es sich bei den meisten der getöteten Menschen um Kriegsgefangene aus einer Stadt im südlichen Maya-Tiefland handelt, die bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Uxul unterlag. Die Prominenz des Verlierers wurde anschließend nach Uxul gebracht und dort nach Landessitte einem grausigen Ende zugeführt. (red, 13.12.2019)