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Die schwindenden Eisfelder des Puncak Jaya.
Foto: REUTERS/Jez O'Hare/Freeport-McMoRan

Wenn das Land hoch genug emporragt, können sich auch in tropischen Breiten Gletscher halten – zumindest bislang. Nur an ein paar Stellen der Erde ist dies der Fall: in den südamerikanischen Anden, dem Ruwenzori-Gebirge sowie dem Kilimandscharo- und dem Mount-Kenya-Massiv in Ostafrika und – vielleicht der am wenigsten prominente Fall – auf Neuguinea. Dort ragt mit dem knapp 4.900 Meter hohen Puncak Jaya der weltweit höchste Berg auf, der auf einer Insel liegt. Und noch sind seine Hänge nahe dem Gipfel vergletschert.

Doch damit dürfte es bereits im kommenden Jahrzehnt vorbei sein, berichten Forscher der Ohio State University im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences". Die dortigen Gletscher, die mindestens 5.000 Jahre alt sind, schrumpfen schon seit etwa 150 Jahren ab. In der Saison 2015/2016 verstärkte sich dieser Trend allerdings drastisch, vorangetrieben unter anderem von einem besonders starken El-Niño-Phänomen. Wahrscheinlich, so Studienkoautor Lonnie Thompson, wird es auch der nächste starke El Niño sein, der den Gletschern endgültig den Garaus macht.

Der Gletscher als Gott

Die Prognose der Forscher beruht auf einem Gletscher-Monitoring, das sie seit 2010 in der Region durchführen, und für das erst einmal die Skepsis der einheimischen Bevölkerung überwunden werden musste. Der Gletscher wird von den Indigenen der Region nämlich als Kopf einer Gottheit verehrt. Das Vorhaben, ihn anzubohren, um ihm Eiskerne zu entnehmen, führte zum Protest einiger Ältester. Für sie war es, als würde man der Gottheit ein Loch in den Schädel bohren, um ihr die Erinnerungen zu stehlen.

Thompson erklärte ihnen daraufhin relativ unverblümt, dass das im Prinzip genau das sei, was er vorhabe: Immerhin fungieren Eiskerne als natürliche Klimaarchive, aus ihnen kann man also die Umweltbedingungen früherer Zeiten ablesen. Eine La Ola löste er mit seiner Offenheit bei den Ältesten nicht aus – die Angehörigen der jüngeren Generationen schlugen sich aber auf die Seite der Forscher und setzten schließlich durch, dass das Projekt durchgeführt werden konnte.

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Das letzte Eis auf Neuguinea.
Foto: AP Photo/Papua Project Freeport McMoRan

Der vorläufige Befund: Zwischen 2010 und 2018 hat sich die Oberfläche des Gletschers um 75 Prozent verkleinert. 2016 zerfiel das ursprünglich einheitliche Eisfeld in zwei Teile, und 2019 schoss ein Bergsteiger ein Foto, auf dem zu sehen ist, dass der Gletscher schon fast verschwunden ist.

Wie die Untersuchung ergab, schmilzt der Gletscher sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterseite. Der Grund: Die Erwärmung erhöht nicht einfach nur die Lufttemperatur, sie sorgt zudem dafür, dass es heute auch in Höhenlagen regnet, in denen früher nur Schnee fiel. Und das ist der "Todeskuss" für einen Gletscher, wie es Thompson formuliert. Das Wasser bringt oben Eis zum Schmelzen, sickert aber auch durch Risse Richtung Boden und bildet dort einen Schmierfilm, auf dem der Gletscher langsam von der Gipfelregion in wärmere Bereiche rutscht. "Wenn Sie einen Gletscher umbringen wollen, schütten Sie einfach Wasser drauf", sagt Thompson.

Und das dürfte nur der erste Fall sein, vermutet der Forscher. Er bezeichnet den Puncak Jaya als "Kanarienvogel in der Kohlemine", eine Metapher für etwas, das eine bevorstehende tödliche Gefahr anzeigt. Thompson befürchtet, dass dem Gletscher auf Neuguinea beizeiten auch die afrikanischen Gletscher und die Quelccaya-Eiskappe in den Anden folgen werden. (jdo, 4. 1. 2020)