Manfred Matzka, früherer Präsidialchef des Bundeskanzleramts, vergleicht im Gastkommentar die Zusammensetzung der Kabinette der EU-Kommissare mit österreichischen Ministerbüros. Österreich sollte sich ein Vorbild nehmen – nicht nur was die Größe der Beraterstäbe anbelangt.

Es gibt – anders als bei uns – eine klare Rechtsgrundlage für die Kabinette der Kommissare, nämlich die Mitteilung der Kommission C (2014) 9002; das ist etwa einer Verordnung im innerstaatlichen System vergleichbar. Sie beginnt mit einigen aufschlussreichen Grundsätzen:

Die Zusammensetzung der Kabinette soll ein breites Spektrum an Fachkompetenz bieten, Vorbildung, Berufserfahrung, Geschlecht und Alter müssen ausgewogen sein. Die Sekretäre müssen in ihrem Verhalten und bei ihren Entscheidungen immer im Bewusstsein der Interessen der Union handeln und sich von den Grundsätzen der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität und Rechtsstaatlichkeit leiten lassen.

Herbert Kickl hat den Mitarbeiterstab im Innenministerium bis zum Ende seiner Amtszeit verdoppelt.
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Das Personal berücksichtigt bei Beratung, Politikgestaltung und bei Entscheidungen sowie in seinem Umgang mit der Ressortbürokratie generell eine repräsentative Anzahl von Ansichten. Die Kabinettsmitarbeiter müssen jeden Interessenkonflikt, jedes Geschenk, alle externen Tätigkeiten, ja sogar Tätigkeiten der Ehegatten melden. Veröffentlichungsabsichten und geplante Teilnahmen an Konferenzen zu EU-Themen sind bekanntzugeben. Offenheit und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger und die repräsentativen Verbände sind Dienstpflicht.

Strenges Regime

Besonderes Augenmerk wird auf die Größe der Beraterstäbe gerichtet. Dem Kabinett des Kommissionspräsidenten gehören höchstens zwölf, dem der Vizepräsidenten sieben oder acht, dem eines Kommissars sechs Fachreferenten im höheren Dienst an. Darin sind Kabinettschef und Pressesprecher bereits inbegriffen. Diese Zahlen sind deutlich niedriger als in österreichischen Ministerien üblich. Zudem muss eine ausgewogene Balance zwischen den bereits im Kommissionsdienst arbeitenden Beamten des jeweiligen Ressorts mit einschlägiger Arbeitserfahrung und solchen Personen gefunden werden, die von außerhalb der Verwaltung kommen. Es muss also die Hälfte des Kabinetts aus der Verwaltung rekrutiert werden, was bei uns völlig außer Übung geraten ist.

Einem Kabinett dürfen in der EU noch zwei Sonderberater, Praktikanten oder nationale Experten zeitlich begrenzt angehören. Sonderberater sind persönliche Berater des Kommissionsmitglieds, sie müssen anerkannte Experten in ihrem Fachgebiet sein, ihre Befugnisse und ihre Aufgaben sind genau umrissen. Sie sind keine Bediensteten der Kommission und nicht befugt, im Namen des Kommissars zu sprechen.

Nicht nur die Fachreferenten und Berater sind von diesem strengen Regime erfasst, es bezieht sich auch auf das Sekretariat. Hier gibt es pro Kommissionsmitglied nur zehn Mitarbeiter für Unterstützungstätigkeiten. Von diesen muss jeweils einer zum Beauftragten für das Dokumentenmanagement ernannt werden, der die Einhaltung der Vorschriften über die Dokumentenverwaltung und Archivierung, somit auch eine allenfalls mögliche korrekte Aktenvernichtung gewährleistet.

Jedem Kommissionsmitglied steht nur ein Fahrer zur Verfügung, Reservefahrer sind aus der allgemeinen Fahrbereitschaft abzurufen. Kabinettsmitglieder müssen vorweg einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Es gibt – anders als in unseren Ministerien – keine Stabsstellen, die Kabinettsaufgaben wahrnehmen oder Personal in der dienstrechtlichen Sonderstellung für Kabinette führen, damit die "verschleierte" Ausweitung von Kabinetten verunmöglicht wird. Fallen dort Mitarbeiter vorübergehend aus, sind sie aus dem allgemeinen Personalpool zu ersetzen.

Keine Sonderverträge

Die dienstrechtliche Einstufung der Kabinettsreferenten und ihr Gehalt folgen ausschließlich dem allgemeinen Dienstrecht, das für alle gilt. Die entsprechende Qualifikations- und Dienstaltersstufe ist einzuhalten, die besonderen quantitativen und qualitativen Leistungen dürfen nur im Rahmen des allgemeinen Dienstrechts abgegolten werden. Die Mitglieder der Kabinette unterliegen ausnahmslos denselben Pflichten aus dem Dienst- und Organisationsrecht wie das gesamte Personal der Kommissionsverwaltung; nur Aufnahme und Befristung sind anders geregelt. In Österreich haben sich hier alle Arten von Sonderverträgen eingebürgert.

Verwaltungsbeamte erhalten für die Dauer einer Verwendung im Kabinett Zulagen. Sie kehren nach dem Dienst im Kabinett aber genau in jene Position zurück, aus der sie gekommen sind. Personen von außerhalb werden ausschließlich auf der Basis von Verträgen beschäftigt, die mit der Beendigung ihrer Funktion enden. Sie dürfen keine Garantie auf Weiterbeschäftigung in den Dienststellen der Kommission erhalten. Ein Übertritt aus einem Dienstverhältnis im Kabinett in ein Dienstverhältnis in der Verwaltung ist nur im Rahmen der allgemeinen Regelungen über die Aufnahme und Ausschreibung möglich. Ein systematisches Einschleusen ehemaliger Kabinettler in die Verwaltung ist damit unmöglich.

Konfrontiert man dieses Dokument mit der Praxis der vorigen Regierung, deren Ministerbüros auf bis zu 30 Referenten anwuchsen, scheint es naheliegend, sich an der EU ein Beispiel zu nehmen. Die aktuelle Regierung kommt derzeit ohnedies schon mit weit weniger Personal aus. Das EU-Statut ist realistisch, erprobt und bewährt, sparsam und professionell. Es ist risikomindernd, denn es bietet wenig Platz für skandalanfällige vergoldete Leiharbeitsverträge oder Sonderarrangements für Polit-Juniors ohne formale Qualifikation. Es verhindert präpotente Selbstdarsteller, "Unguided Missiles" und hörige Unterläufel, die für ihre Chefs alle Regeln zu brechen bereit sind. Es erspart viel Geld und die Degradierung verdrängter erfahrener Beamter zu weißen Elefanten. Es sichert ein Mindestmaß an Qualität, Kooperationsfähigkeit mit dem Ministerium, Akzeptanz bei Bürgern und Medien, demokratischer und rechtsstaatlicher Grundeinstellung und Transparenz.

Eigentlich wären das ausreichend viele Gründe, eine solche Regelung in eine Koalitionsvereinbarung aufzunehmen. (Manfred Matzka, 12.12.2019)