Europa soll also als erster Kontinent klimaneutral werden. Der Green Deal, der Klimafahrplan der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, klingt auf den ersten Blick vielsprechend: Nettonull bis 2050, ein CO2-Grenzausgleich, ein grüner Mobilitätssektor und Milliarden für den Klimaschutz. Tatsächlich hat es in der Geschichte der Europäischen Union noch keinen vergleichbaren Klimaplan gegeben.

Das Papier, das die Kommission am Mittwoch vorgelegt hat, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn die EU-Staaten müssen in der Klimakrise vorangehen. Sonst werden andere Länder – allen voran jene, die historisch deutlich weniger emittiert haben – nicht nachziehen. Insgesamt bleibt der Plan jedoch in mehreren Punkten vage, viele Maßnahmen sollen erst in ein paar Jahren umgesetzt werden.

Österreich könnte die nationalen Emissionsreduktionsziele in Eigenregie nach oben korrigieren.
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Natürlich kann das Wirtschaftssystem nicht von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt werden. Spätere Deadlines brauchen dann aber zumindest klare Ansagen. Und diese fehlen im Deal teilweise. Ein Beispiel: Die Kommission will vorschlagen, dass Zertifikate, die Fluglinien im Rahmen des Emissionshandels bisher gratis erhalten haben, reduziert werden. Ja, reduziert – nicht gestrichen. Gleichzeitig ist im Green Deal davon die Rede, dass klimaschädliche Subventionen abgeschafft werden sollten. Datum: unbekannt.

Abschaffung klimaschädlicher Subventionen

Grund für die teils vagen Passagen dürfte der Einspruch mancher EU-Staaten sein. Estland, Polen, Tschechien und Ungarn stellen sich noch quer. Nichtsdestotrotz kann der Kommissionsplan für Österreich als Beispiel dienen – und für frischen Wind in den türkis-grünen Regierungsverhandlungen sorgen. Vor allem die Anliegen der Grünen dürften durch das Papier gestärkt werden. Und auch der türkise Chefverhandler Sebastian Kurz kann seiner eigenen Partei und der Wirtschaft den Klimaschutz wohl leichter schmackhaft machen, wenn von der Leyen einen entsprechenden Kurs vorgibt. Immerhin sitzt die Partei der deutschen Politikerin im EU-Parlament in derselben Fraktion wie die ÖVP.

Aber mehr noch: Die Regierungsverhandler könnten über die Pläne der Union hinausgehen. Denn auf nationaler Ebene muss Österreich auf keine Querulanten aus anderen Staaten Rücksicht nehmen. Österreich könnte etwa die nationalen Emissionsreduktionsziele in Eigenregie nach oben korrigieren, wie es bereits andere Länder getan haben. Denn während der Ausstoß hierzulande in etwa der gleiche ist wie im Jahr 1990, ist er EU-weit seither bereits stark gesunken.

Auch die schrittweise Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und eine nationale CO2-Steuer, wie sie andere EU-Staaten bereits eingeführt haben, würden Österreich im Klimaschutz nach vorn bringen. Ein neues Regierungsprogramm ließe das zu. Damit Österreich ein klimaneutrales Land in einer klimaneutralen Union werden kann, muss Kurz für die nächste Legislaturperiode jedenfalls mehr vorweisen können als bisher.

Ein Plastiksackerlverbot und ein "Raus aus dem Öl"-Bonus sind nur Kosmetik, wenn gleichzeitig über den Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat verhandelt wird und auch der überarbeitete Klimaplan von Wissenschaftern als ambitionslos bezeichnet wird. Die Republik könnte jetzt die Vorreiterrolle einnehmen, in der sich die heimische Politik gerne selbst verortet. Österreich braucht einen eigenen Green Deal. (Nora Laufer, 11.12.2019)