Brüssel – An diesem Zoll ist der Meister der Zölle gar nicht beteiligt. Denn weder ist er Teil der protektionistischen Handelspolitik Donald Trumps, noch ist er eine Reaktion auf neue Handelsbarrieren des US-Präsidenten.

Vielmehr prescht mit der Europäischen Kommission eine der stärksten Verfechterinnen des Freihandels vor und erwägt, Klimazölle zu erheben. Konkret geht es um eine Abgabe bei der Einfuhr von Waren, die sich am CO2-Ausstoß bei der Herstellung und beim Transport nach Europa bemisst.

Die Maßnahme ist Teil des "Green New Deal", wie die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Maßnahmenpaket nennt, das die Europäische Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral machen soll. Klimazölle sollen im Rahmen des ambitionierten Programms verhindern, dass Unternehmen außerhalb der EU einen Wettbewerbsvorteil bekommen, weil sie umweltverschmutzender produzieren können – sozusagen eine Versicherung für die Investitionen europäischer Unternehmen in die Energie- und Klimawende. Ansonsten würden europäische Unternehmen lieber im Ausland produzieren, so die Befürchtung.

Eine Alternative zu Klimazöllen wäre, im Rahmen des europäischen CO2-Handels Ausnahmen für Industrien zu schaffen. Bereits 2021 will die Kommission einen Entwurf vorlegen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Steaks von Amazonas-Rindern würden mit EU-Klimazoll teurer werden.
Foto: Reuters / Nacho Doce

FÜR

Auch wenn der Ausdruck Win-win-Situation überstrapaziert sein mag: Mit der Einführung von Klimazöllen würde die Europäische Union gleich in mehreren Hinsichten als Gewinner dastehen. Erst einmal klimatechnisch. Ein gewichtiger Einflussfaktor für hohe CO2-Emissionen ist der internationale Transport. Waren werden global hin- und hergeschickt, verarbeitet, veredelt, verpackt. Bis die Güter beim Konsumenten ankommen.

Preissignal an der Außengrenze

Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern kostet auch Jobs. Die internationale Arbeitsteilung – insbesondere in Form der Verlagerung in Entwicklungs- und Schwellenländer – gilt als ein wichtiger Grund für den Wegfall von Stellen in den Industrieländern. Ähnliches gilt für die Landwirtschaft, die unter Billigimporten leidet. Wenn selbst Zwiebeln aus Neuseeland in österreichischen Supermärkten angeboten werden, bedarf es in puncto Ökologie keiner weiteren Worte. Solange besagte Zwiebel nicht durch einen globalen CO2-Preis für den Transport nach Europa unattraktiv wird, könnte die EU dieses wichtige Preissignal an ihrer Außengrenze geben.

Stahl aus China würde unter einem Klimazoll-Regime teurer und wäre weniger wettbewerbsverzerrend.
Foto: AFP / dpa / Julian Stahle

Ein CO2-Grenzausgleich – Experten favorisieren diesen Begriff gegenüber Klimazoll – würde nicht nur die Emissionen verringern, sondern Regionalität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa erhöhen. Produktionen, bei denen die Verlagerung in Niedriglohnländer droht, könnten leichter in der EU gehalten werden. Schließlich funktioniert ein Grenzausgleich genauso schützend für inländische Hersteller wie ein klassischer Außenzoll. Damit hat das Konstrukt die gegenteilige Wirkung einer CO2-Steuer, die europäische Herstellung im internationalen Wettbewerb schwächen würde.

Druck auf Handelspartner

Allerdings gilt das nur für Waren, die wegen ihres ökologischen Fußabdrucks nicht mehr von Europa importiert würden. Damit übt die EU – immerhin der zweitgrößte Markt der Welt – Druck auf alle Handelspartner aus, die eigenen CO2-Emissionen zu reduzieren. Denn käme die neuseeländische Zwiebel mit dem Solarfrachter, hätte sie ihren Platz in den heimischen Regalen zurückerobert.

Das wären eigentlich schon ausreichend gute Argumente für den Grenzausgleich, aber es kommt noch ein Atout hinzu. Durch die Maßnahmen würde viel Geld in die europäischen Kassen gespült. Selbst konservative Schätzungen ergeben, dass der Klimazoll langfristig rund 300 Milliarden Euro einbringen könnte. Wenn diese Einnahmen ins EU-Budget flössen, könnte die Union die mühsamen Debatten um ihre Finanzierung bald beenden.

Bliebe noch die Frage, wie sich der Grenzausgleich handelstechnisch lösen lässt. Klarerweise ist damit zu rechnen, dass sich Staaten wie die USA massiv dagegen wehren werden, wenn die Union einen Ökotarif auf US-Produkte einheben sollte. Doch die Maßnahme ist mit dem Welthandelsregime kompatibel. Dann nämlich, wenn bei Exporten kein CO2-Aufschlag anfällt. Die Ausfuhren würden dann im Ausland besteuert – so es dort einen Klimazoll gibt.

WIDER

"Europas ‚Mann auf dem Mond‘-Moment" nannte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren "Green New Deal". Nur steht der Mann auf dem Mond nicht nur für den Aufbruch in eine neue Zeit. Wer auf dem Mond landet, um dort zu bleiben, ist ziemlich allein, wenn niemand nachkommt.

Wende notwendig

Nun besteht kein Zweifel, dass eine Wende in der Klimapolitik notwendig ist. Ein "Weiter so wie bisher" bringt einen weltweiten Temperaturanstieg mit kaum berechenbaren Folgen. Allerdings spricht einiges dagegen, eine emissionsfreie Zukunft mit der Zollkeule zu erzwingen.

Zölle haben in der jüngeren Vergangenheit vor allem eines gebracht: Vergeltungsmaßnahmen – sei es die chinesische Reaktion auf die gezielten Attacken der US-Regierung unter Donald Trump auf chinesische Importe, oder seien es die Vergeltungszölle der Europäer, nachdem die USA manche europäischen Importe gezielt verteuert hatten. Neue Einfuhrschranken durch die EU dürften auf dem Weltmarkt kaum unwidersprochen bleiben.

Beliebige Diskriminierung?

Ob und wie das klimafreundliche Zollregime mit den Regularien der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar ist, ist umstritten. Zwar handelt es sich nicht um eine beliebige Diskriminierung eines beliebigen Handelspartners, aber es gibt auch keine konkreten Vorgaben. Einspruch von Playern wie China und den USA scheint unausweichlich. Eine Niederlage im Tauziehen mit China oder den USA könnte sich die EU aber kaum leisten. Fallen die Zölle, fiele schlagartig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Die Einfuhrschranke soll diesen ja helfen, Investitionen für eine emissionsfreie Zukunft zu schultern.

Bild nicht mehr verfügbar.

Nach Donald Trumps und Greta Thunbergs Geschmack wären Klimazölle wenn auch aus unterschiedlichen Motiven.
Foto: Reuters / Andrew Hofstetter

Deshalb lieber gleich bleibenlassen: Wer sich vom Welthandel abschottet, steht möglicherweise bald so einsam da wie der Mann auf dem Mond. Henrik Horn und André Sapir, zwei Experten vom Brüsseler Thinktank Bruegel, stehen Klimazöllen zwar nicht ablehnend gegenüber. Sie warnen aber, dass ein unilateral eingeführter Zoll für Protektionismus missbraucht werden könnte, ist er erst einmal da. Soll heißen: Schlimmstenfalls hilft die Maßnahme nicht einmal, die Klimaziele zu erreichen, weil sich in einem abgeschotteten Europa nicht die effizientesten Produktionstechnologien durchsetzen.

Mehr Geld, höhere Kosten

Klimazölle würden zusätzliches Geld in den EU-Haushalt spülen. Allerdings würden sie auch zusätzliche Kosten schaffen. Klimazölle seien ein riesiger bürokratischer Mehraufwand, monieren Kritiker. Um auf Emissionen von Einfuhren Zölle erheben zu können, muss zuerst bestimmt werden, wie groß der ökologische Fußabdruck von Herstellung und Transport des eingeführten Guts ist. Wie genau das vonstattengehen soll, muss erst geklärt werden.

Und auch bei den Industrien, die aufgrund harter Konkurrenz aus dem Ausland Ausnahmen im europäischen Emissionshandel genießen, ist Widerstand vorprogrammiert. Nationale Regierungen werden Subventionskürzungen kaum gutheißen.

(Andreas Schnauder und Aloysius Widmann, 12.12.2019)