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Ich bedaure immer noch ein wenig, dass ich seinerzeit nicht dazu gekommen bin, Judith C. Vogts "Roma Nova" zu lesen und zu rezensieren. Römer im Weltraum! Das ist natürlich nicht komplett neu gewesen (denken wir etwa an Stephen Baxters "Proxima"-Bücher), aber doch alles andere als ein abgenutztes Motiv.

In ihrem jüngsten Roman, geschrieben gemeinsam mit Ehemann Christian, führt uns die deutsche Autorin in ein erheblich bekannteres Setting: die postapokalyptische Ödnis, inklusive Gangs, Warlords und Kämpfen zwischen guten und bösen Menschen. Da kommt es dann nur drauf an, was man draus macht. Abstrahiert man "Wastelands" Plot – inklusive Liebesgeschichte zwischen Teenagern und einem eher unvermutet daherkommenden Quasi-Fantasy-Einschlag im zweiten Teil –, dann müsste man das Buch streng genommen im Regal "Paranormal Romance" einordnen. Zum Glück sorgt das Autorenduo aber dafür, dass hier kein Kitsch aufkommt.

Das Setting

Hauptschauplatz des Romans ist das ehemalige Deutschland im Jahr 2060. Staaten gibt es nach Weltkrieg(en) und Biowaffeneinsatz nicht mehr, und auch von der ursprünglichen Bevölkerung ist offenbar kaum etwas übriggeblieben. Das Personal des Romans setzt sich aus denen zusammen, die nach der Katastrophe eingewandert sind. Wobei sich die neuen Siedler aber im Wesentlichen auf ein Netz von Steppenkorridoren beschränken müssen, die sich durch das nicht betretbare "Ödland" ziehen. Ironischerweise grünt und blüht dieses Ödland (rings um die ehemaligen Städte) – nur steckt es leider voller Stoffe, die für Menschen tödlich sind.

Die Bevölkerung dieser dystopischen Zukunft gliedert sich in zwei sehr unterschiedliche Lebensweisen: Die gewaltbereiten Toxxers bilden Banden mit Gebietsanspruch, während die Hopers weitgehend nomadisch leben. An manchen Orten haben sie aber auch – mit Erlaubnis der regionalen Warlords – Sammel- und Handelspunkte eingerichtet, in denen kleine multikulturelle Gemeinschaften in Frieden leben können.

Die Hauptfiguren

Laylay und Zeeto, die beiden jugendlichen Hauptfiguren und alternierenden Ich-Erzähler des Romans, gehören zu den Hopers. Laylay ist gegen das Gift des Ödlands immun – eine Eigenschaft, die sie unbedingt geheim halten muss. Zeeto hingegen ist nicht so glücklich: Er wird auf einem seiner Ausflüge infiziert. Allerdings birgt er dabei ein Baby, das Laylays Immunität teilt. Der Plot dreht sich nun um die Frage, was es mit diesem Baby auf sich hat und wie sich das, was hinter seiner Existenz steht, auf das prekäre Gleichgewicht im ruinierten Europa auswirken wird.

Als Jugendliche mit Punk-Attitüde kommen die beiden recht authentisch rüber – inklusive Widerspruchsgeist, einer gewissen Dosis Selbstgerechtigkeit, mit der sie ihr Weltbild vertreten, und flapsiger Sprache. Mitunter wirkt speziell Zeetos Ausdrucksweise vielleicht etwas bemüht-zeitgeistig, aber auf jeden Fall ist sie individuell. Ohne Laylays und Zeetos Rotzigkeit wäre der Roman nur halb so lebendig.

Sprache und Zeit

Die Sprache hilft "Wasteland" auch dabei, über so manche Unebenheit drüberzubrettern. Zum Beispiel dass die Richtung des Plots schon sehr früh vorgegeben wird, die Handlung dann aber einen Umweg nach dem anderen nimmt. Umwege auch im geografischen Sinne, was schon zum nächsten Schlag- bzw. Logikloch führt: Woher nehmen die Protagonisten 40 Jahre nach dem Zusammenbruch das Benzin, um mal eben quer über den Kontinent zu fahren? Warum gibt es noch immer Medikamente von damals und woher kommt eigentlich ausreichend Nahrungsnachschub? Die bestäubenden Insekten sind nämlich angeblich schon längst aus den für Menschen tauglichen Bereichen in die Ödlandregionen verschwunden (aus denen sie sich aus ebenfalls ungeklärten Gründen auch nicht mehr ins Umland ausbreiten wollen).

Und dann wäre da noch die Tempus-Frage. Irgendwann, so ganz schleichend, ist Präsens im Genre zu einer dem Imperfekt gleichgestellten Zeitform fürs Erzählen geworden. Das kann zu hoher Unmittelbarkeit führen: Mein Atem geht rasch und flach, und ich habe Panik, Panik, Panik. Wenn es nur durchgezogen würde. Gar nicht so wenige Autoren lassen sich aber dazu verleiten, das Tempus zwischen den Kapiteln oder Perspektivfiguren zu wechseln, ohne dass dahinter irgendein sinnvoller Grund erkennbar würde. Das ist hier nicht anders: Zeeto erzählt im Präsens, Laylay im Imperfekt. Außer wenn sie allgemeingültige Aussagen oder Beschreibungen abliefert und dafür ansatzlos ins Präsens umschwenkt. Was speziell in den ersten Kapiteln oft der Fall ist und damit zu einem ständigen Wechsel führt, ohne den sich das Ganze etwas glatter lesen ließe. Oft sind es Kleinigkeiten, die die Flüssigkeit ausmachen.

Aber wie sagt man so schön? Das ist Jammern auf hohem Niveau. Schließlich ist es auch die Sprache, die dafür sorgt, dass "Wasteland" im vielbesuchten (Öd-)Land zwischen "Mad Max" und "The Walking Dead" seinen eigenen Platz behaupten kann.

PS:

Einen halben Punkt Abzug gibt's allerdings für die beigefügte Trigger- bzw. "Inhaltswarnung". Dass nur ja niemand mit Eindrücken von außerhalb des eigenen Wohlfühlbläschens konfrontiert werde! Hoffentlich ein einmaliger Ausrutscher – nicht, dass jetzt auch die hiesigen Verlage diese Schwachsinnsmode aus den USA aufgreifen und anfangen, Beihilfe zur Selbstentmündigung zu leisten. Ein halber Punkt reicht allerdings, da die "Warnung" am Ende platziert ist. Da kommt sie eh schon zu spät.