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Seit Anfang Oktober kommt es bei Protesten im Irak immer wieder zu schweren Ausschreitungen.

Foto: Reuters/ALAA AL-MARJANI

Bagdad – Tragische Szenen spielten sich am Donnerstag bei den Protesten in Bagdad ab. Ein 17-Jähriger schoss im Stadtzentrum mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf Demonstranten und tötete dabei mindestens vier Menschen. Einige Demonstranten hätten ihn daraufhin verfolgt und getötet. "Dann haben sie seine Leiche an einen Laternenmast gehängt. Der Körper hängt dort immer noch", sagte ein Augenzeuge. Das Motiv blieb zunächst unklar.

Auf Videos ist zu sehen, wie der nur mit einer Unterhose bekleidete Jugendliche über eine Strecke von dutzenden Metern über den Boden geschleift wird. Zahlreiche Menschen geben ihm dabei Fußtritte und stechen mit Messern auf ihn ein. Polizisten sind dabei nicht zu sehen. Schließlich ist zu sehen, wie der Jugendliche an den Füßen mit dem Kopf nach unten an einer Ampel in der Mitte des Platzes aufgehängt wird.

Vorfall in der Nähe des Tahrir-Platzes

Laut Augenzeugen wurde seine Leiche später abgenommen und zur Gerichtsmedizin gebracht. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Tahrir-Platzes, einem der Zentren der seit Anfang Oktober anhaltenden Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft im Irak. In einer von den "Demonstranten des Tahrir" unterzeichneten Erklärung distanzierten sich die Regierungsgegner von dem Mord und versicherten, sie hätten damit nichts zu tun.

In der Politik löste der Vorfall eine Debatte aus. Aus dem Umfeld des einflussreichen Predigers Moktada al-Sadr hieß es, sollten die Täter nicht aufgespürt werden, werde er seine Milizionäre abziehen, die er nach einem blutigen Angriff auf die Demonstranten am Freitag zu ihrem Schutz entsandt hatte. Der proiranische Milizführer Qais al-Khazali verurteilte seinerseits "das Chaos, die Gesetzlosigkeit und die Schwäche der Sicherheitskräfte".

Angespannte Stimmung

Die Stimmung unter den Demonstranten ist angespannt, nachdem es zuletzt vermehrt zu Morden und Entführungen gekommen ist. Sie befürchten, dass "Saboteure" die Proteste diskreditieren und die Demonstranten zu Gewalt anstacheln wollen. Am Freitag hatten bewaffnete Männer ein von den Demonstranten besetztes Parkhaus in Bagdad angegriffen und 24 Menschen getötet. Wer hinter der Attacke steckt, ist bisher ungeklärt.

In Bagdad und weiteren Teilen des Landes kommt es seit Anfang Oktober zu Massenprotesten gegen die Regierung. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi trat im Zuge der Proteste zurück. Der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission zufolge wurden in den vergangenen zwei Monaten bei den Protesten mehr als 460 Menschen getötet und mehr als 20.000 verletzt. Menschenrechtler werfen den Sicherheitskräften vor, scharfe Munition gegen die Demonstranten einzusetzen. (APA, 12.12.2019)