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Der "Technikerkreis" hat ganze Arbeit geleistet. Vierzehn Jahre lang haben Metallurgen der Stahlsparte von Thyssenkrupp, der Voestalpine, der Dillinger Hüttenwerke und der zu Salzgitter gehörenden Ilsenburger Grobblech GmbH die wichtigsten Aufpreise und Zuschläge für Quartobleche in Deutschland ausgemacht. Ab August 2008 wurden diese Preisbestandteile, die 20 bis 25 Prozent des Gesamtpreises ausmachten, "weiterhin nach den einheitlichen, untereinander vereinbarten Modellen berechnet oder koordiniert voneinander abgeschrieben", beschreibt der Präsident des deutschen Bundeskartellamts, Andreas Mundt, das Wirken der eingeschweißten Truppe.

Am 1. Juli 2016 funktionierte die Legierung nicht mehr. Thyssenkrupp hatte eine neue Preisliste mit Aufpreisen und Zuschlägen für warm gewaltzte Stahl-Flacherzeugnisse herausgegeben, die von dem im "Technikerkreis" akkordierten Preismodell und den daraus abgeleiteten Preisen deutlich abwich. Die verbotenen Preisabsprachen waren aufgeflogen. 2017 filzten die Kartellwächter die Stahlkocher, auch bei der Voest in Linz fand im September 2017 eine Hausdurchsuchung statt.

Mit Behörde kooperiert

Mit der Offenlegung ihrer Unterlagen – die Kooperation mit den Behörden wurde von Wettbewerbshütern ausdrücklich gelobt – war die Voestalpine freilich nicht schnell genug. Kronzeugenstatus erhält nur der erste, der auspackt und maßgebliche Informationen herausrückt. Im Fall des Blechkartells waren es die Dillinger Hüttenwerke, ihnen wurde das Bußgeld vollständig erlassen.

Die verbliebenen drei fassten insgesamt rund 646 Millionen Euro aus, wovon der Löwenanteil mit 370 Millionen auf den deutschen Branchenprimus entfällt. Thyssenkrupp hat bereits in dieser Höhe vorgesorgt. Den Bußgeldbescheid bekämpfe man nicht.

Auch Voestalpine akzeptiert die Strafe, für die bereits im Paket mit dem US-Problemwerk Cartersville bilanziell vorgesorgt wurde. Die Größenordnung wurde nie beziffert, die im Spätsommer kolportierten 260 Millionen bezeichnete ein Sprecher als deutlich zu hoch.

Da die Kartellanten mit Schadenersatzprozessen seitens ihrer Kunden rechnen müssen, schwieg man sich bei der Voest auch am Donnerstag darüber aus, was – über die Strafe hinaus – an Rückstellungen abgeschmolzen werden kann. Die Kunden hätten schließlich einheitliche Aufschläge verlangt, hieß es trotzig. "Die variablen Basispreise, die den ganz überwiegenden Teil der Verkaufspreise ausmachten", seien vom Verfahren gar nicht betroffen gewesen, sondern lediglich produktionstechnisch bedingte Aufpreise und Zuschläge, betonte der Salzgitter-Ableger Ilsenburger Grobblech, ohne die Höhe des Bußgeldes zu nennen.

Zehn Jahre Streit

Zum Einsatz kommen Quartobleche in Stahl- und Brückenbau, Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau, Kesseln, Pipelines, Windtürmen. Das Grobblech-Kartell ist das letzte offene Verfahren der Voest. Das Schienenkartell hatte 14,9 Mio. Euro plus Schadenersatz gekostet, das Spannstahlkartell 7,5 Mio. Euro. Dank Kronzeugenregelung blieb das Bußgeld im Edelstahlkartell aus.

Wie zäh Wiedergutmachung verläuft, zeigt das 2007 aufgedeckte Aufzugskartell rund um Otis, Schindler, Kone und Thyssenkrupp. Das Land Oberösterreich kann Schadenersatz verlangen, beschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag. Eine "öffentliche Einrichtung, die Förderdarlehen an Abnehmer kartellbefangener Waren gewährt hat, darf Ersatz für den durch das Kartell entstandenen Schaden verlangen". Nun ist wieder der Oberste Gerichtshof am Zug. (Luise Ungerboeck, 12.12.2019)