Es ist genug diskutiert, genug analysiert. Und: "Chefs sollten sich nicht verschätzen, es ist nicht spaßig, wir bewegen wirklich etwas", wie Anne Connelly (bei Pioneer in Boston, in Deutschland, dann Geschäftsführerin Morningstar in Deutschland) sagt. Sie hat 2015 gemeinsam mit anderen Veteraninnen, allesamt mit international hochrangigen Finanzkarrieren, das Netzwerk "Fondsfrauen" in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg gegründet. Rund 2000 Finanzerinnen sind dabei, etwa 30 Unternehmen sind Unterstützer dieser Formation der Frauen.

Geschlechtergerechte Organisationskultur

Ihnen gemeinsam ist, dass sie in einer in den Führungsebenen nach wie vor stark männlich dominierten Branche arbeiten. Mehr als 16 Prozent Frauen über alle Ebenen gerechnet finden sich dort laut KPMG-Erhebung nicht, obwohl in den Belegschaften der Veranlagungsbranche oft bereits fast Geschlechterparität herrscht.

"Zu wenig Frauen gehen in die Bereiche, die wirklich machtvoll sind. Frauen gehen eher in die Human Resources, ins Marketing", sagt Anne Connelly, Gründerin von Fondsfrauen.
Foto: Ho

Wer die – in Österreich seit dem Vorjahr tätigen – Fondsfrauen als Prosecco-Netzwerk gesehen hat, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt: Ein Forderungspapier, professionell verpackt als Code of Conduct mit dem expliziten Ziel, eine "geschlechtergerechte Organisationskultur" zu etablieren, wird dieser Tage an die Geschäftsführungen der Branche übermittelt. Geliefert werden elaborierte Leitlinien, die dem State of the Art des Diversitymanagements entsprechen. Das schulterzuckende "Wir würden ja so gern mehr Frauen in Führung bringen, wir wissen aber leider nicht, wie" geht jetzt also nicht mehr. Christa Geyer (Leiterin des Kompetenzzentrums Osteuropa bei der Raiffeisen KAG) ist Netzwerkchefin in Österreich und will mit dem Papier Stolpersteine aus dem Weg räumen. "Das ist Chefsache", so Veronika Lammer, Retail Research-Managerin in der RBI Wien.


Konkrete Handlungsempfehlungen

Um den Wandel in den Unternehmenskulturen zu ermöglichen, werden Handlungsempfehlungen entlang von vier allseits bekannten "Killerphrasen" geliefert.

Killerphrase 1: Zu wenige Frauen melden sich

"Frauen müssen selbst auch mutiger werden, aufzeigen, sich sichtbar machen, mehr bewerben, sich trauen und vertrauen", sagt Veronika Lammer, RBI Research.

Gegenpostulat: Der Anteil an Frauen, die fähig und willig sind zu führen, ist ebenso groß wie jener bei Männern.

Was ist zu tun?

1. Eindeutige Kommunikation, dass Frauen gesucht und bevorzugt werden, solange ein Mindestmaß an Positionen nicht durch Frauen besetzt ist.
2. Aufzeigen, welchen Beitrag Ihr Unternehmen für die Gesellschaft leistet. Sinnerfüllte Arbeit ist Frauen wichtig.
3. Die Pipeline bei Besetzung von Führungspositionen mit 50 Prozent Frauen füllen.
4. Entrümpeln der Stellenanzeigen, Frauen gezielt ansprechen.
5. Hören auf Empfehlungen von Spezialistinnen und Spezialisten.
6. Differenzierte Mentoring- und Sponsoringprogramme.
7. Moderne Führungsmodelle wie geteilte Führungsjobs, Führung in Teilzeit.

"Wir brauchen mehr Frauen, egal in welcher Führungsrolle. Männer nehmen solche Bewerbungen sportlich, Frauen wollen sie oft übererfüllen", sagt Christa Geyer, RBI Osteuropa.
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Killerphrase 2: Frauen bringen nicht dieselben Qualifikationen mit wie Männer

Gegenpostulat: Das Rollenbild ist männlich besetzt, das trübt den Blick für die maßgeblichen Qualifikationen.

Was ist zu tun?

1. Im Management Bewusstsein schaffen, warum der Anteil an Frauen in Führung in der Finanzbranche erhöht werden soll: stabilere Ergebnisse, mehr Delegation, anpassungsfähige und für Innovation und für Veränderungsdruck offene Führung.
2. Das Management steht in der Verantwortung, das weibliche Potenzial bestmöglich zu nützen. Daher sollte jeder Managementbereich eine eigene verbindliche Quote und einen Zielzeitpunkt definieren, die Zielerfüllung messen und bewerten.
3. Überdenken der Führungsbilder: Führungsbilder sind stark von männlichen Mustern geprägt. Dem soll durch Diversität entgegengewirkt werden.
4. Anpassung der Auswahlverfahren: anonyme Bewerbungen, anonyme Ausarbeitungen von Fallbeispielen. Frauen werden die Aufgaben möglicherweise anders angehen, daher Vorstellungsrahmen erweitern, Lösungsansätze offen beurteilen.
5. Verlagern von Besetzungsentscheidung auf ein diverses Team. Einbeziehen von auf Diversität spezialisierten externen Beratern bei hochrangigen Positionen.


Killerphrase 3: Teilzeit reicht nicht für Führung

Gegenpostulat:
Karenzzeit und Doppelbelastung sind Organisations- und Managementtrainings, keine verlorene Zeit.

Was ist zu tun?

1. Unterschiedliche Lebensphasen erfordern flexible Arbeitszeiten – sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
2. Sehr gute Kinderbetreuungsplätze organisieren.
3. Klassisches Rollenbild verschwimmt bei jungen Mitarbeitenden. Unterstützen Sie das!
4. Anerkennung für Vollzeit arbeitende Eltern ausdrücken, um zu verhindern, dass gesellschaftliche Diskriminierung stattfindet.
5. Rechtliche Benachteiligung von in Vollzeit arbeitenden Eltern ausgleichen.
6. Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte anbieten, geteilte Führung.
7. Frauen nach Beendigung der Karenz bzw. "Kinderteilzeit" wieder mit Boost in die Firma holen.


Killerphrase 4: Wir haben ihr ja eine Chance gegeben


Gegenpostulat:
Frauen werden in Führungspositionen oft allein gelassen.

Was ist zu tun?

1. Integrieren Sie Frauen nachhaltig ins Führungsteam.
2. Stellen Sie sicher, dass Frauen in Führung von allen Seiten dieselbe Unterstützung zuteil wird wie Männern in vergleichbaren Positionen.

3. Mentoring-Programm und Reverse-Mentoring-Programm auf Vorstandsebene, um gegenseitigen Standpunkt zu vermitteln.

4. Erhöhen Sie den Anteil von Frauen auf der gleichen Ebene rasch, sodass diese sich gegenseitig unterstützen können. Dadurch erreichen Sie eine rasche Änderung der Führungskultur.

5. Gestehen Sie Frauen die gleiche Anzahl an Fehlentscheidungen zu wie Männern.


Papier fordert auch Eigeninitiative ein

Insgesamt, so die Forderung, habe sich jede Organisation selbst konkrete Ziele für den Frauenanteil zu setzen, sich also eine freiwillige Quote aufzuerlegen.

Zu wenig Frauen gehen in Bereiche, die wirklich machtvoll sind. Frauen gehen eher in die Human Resources, ins Marketing.

Frauen müssen selbst auch mutiger werden, aufzeigen, sich sichtbarer machen, mehr bewerben, sich mehr trauen und zutrauen.

Wir brauchen mehr Frauen, egal in welcher Führungsrolle. Männer nehmen solche Bewerbungen sportlich, Frauen wollen sie oft übererfüllen. (red, 18.12.2019)