Das Landesgericht Wien verurteilte einen 60-jährigen Österreicher mit bosnischen Wurzeln, weil er für den IS als Koch gearbeitet haben soll. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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Wien – Weil er in Syrien für Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" gekocht haben soll, ist ein 60-Jähriger am Freitag am Wiener Landesgericht zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Der Mann – ein strenggläubiger Muslim bosnischer Herkunft, der seit langem in Wien lebt und neun Kinder großgezogen hat – erklärte, wegen einer humanitären Hilfsaktion in Syrien gewesen zu sein.

Der Schuldspruch wegen Mitwirkung an einer terroristischen Vereinigung und an einer kriminellen Organisation sowie Terrorismusfinanzierung ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Elmar Kresbach meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, der Staatsanwalt legte ebenfalls Rechtsmittel ein.

Essen an bosnische IS-Kämpfer verteilt

Als gesichert kann gelten, dass der Angeklagte in Wien regelmäßig eine Moschee besuchte, wo eine radikale Auslegung des Islam vertreten wurde. Verfassungsschützer fanden heraus, dass in der Vergangenheit mehrere junge Männer aus dem Umfeld der Moschee ins syrische Kriegsgebiet zogen, um aufseiten des IS zu kämpfen. Im Herbst 2013 reiste dann der Angeklagte zweimal nach Azaz, einer syrischen Stadt rund 50 Kilometer nördlich von Aleppo. Die türkische Grenze ist nur sieben Kilometer entfernt. Er habe dort Verwandte und Bekannte besucht und humanitäre Hilfe geleistet, indem er Opferfleisch für das Bayram-Fest zubereitete und Geld an die notleidende Zivilbevölkerung verteilte, behauptete der Mann nun vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Renner).

Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt gerade der IS die 50.000-Einwohner-Stadt erobert, die bis dahin unter dem Einfluss der Freien Syrischen Armee stand. Das Wiener Gericht ging daher nicht davon aus, dass der Angeklagte in die Stadt gelangt wäre, wenn er nicht als IS-Sympathisant gegolten hätte. Beim ersten Aufenthalt im September verteilte er den erstinstanzlichen gerichtlichen Feststellungen zufolge an eine Kampfeinheit, die sich aus jungen Bosniern zusammensetzte, mehrere tausend Euro. Beim zweiten Aufenthalt brachte er wieder mehrere tausend Euro mit, die bei einer Sammelaktion in Wien zusammengekommen waren. Außerdem soll er drei Wochen lang für die bosnischstämmigen Kämpfer gekocht haben, ehe er wieder nach Wien zurückkehrte und AMS-Geld bezog.

"Ein guter Koch macht noch keinen Terroristen", hielt Verteidiger Kresbach der Anklage entgegen. Sein Mandant habe Flüchtlinge bekocht.

Sichtvermerk im Reisepass

Auf die Spur des Mannes waren die bosnischen Behörden gekommen. Bei einer Reise in seine ursprüngliche Heimat wurden in seinem Pass Sichtvermerke festgestellt, die darauf hindeuteten, dass er sich im syrischen Bürgerkriegsgebiet befunden hatte. In Bosnien wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusverdachts eingeleitet. Es fanden sich zwei Zeugen, die den Mann belasteten. Sie gaben sinngemäß an, sie hätten ihn in Azaz im Einsatz für den IS gesehen. Der Verdächtige – er besitzt sowohl die österreichische als auch die bosnische Staatsbürgerschaft – wurde schließlich im Oktober 2016 in Sarajevo zu einem Jahr Haft verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe kehrte er nach Österreich zurück, wo nun ebenfalls ein Verfahren eingeleitet wurde, das sich in großen Teilen auf Erkenntnisse der bosnischen Strafverfolgungsbehörden stützte.

Der Wiener Schöffensenat hatte an der Schuld des Angeklagten keine Zweifel. Unter Verweis auf generalpräventive Gründe erschien dem Gericht bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren eine vierjährige Freiheitsstrafe angemessen, wobei die in Bosnien abgesessene Zeit dem 60-Jährigen angerechnet wird. Mildernd wurden die lange Verfahrensdauer, der länger zurückliegende Tatzeitraum und die bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt. Erschwerend war die mehrfache Tatbegehung.

Freigesprochen wurde der Angeklagte von der Anschuldigung, im September 2015 ein weiteres Mal in Syrien gewesen zu sein und dabei IS-Kämpfern einen Jeep überlassen zu haben. Dafür reichte dem Senat die Beweislage nicht aus. (APA, 13.12.2019)