Auf einer Pressekonferenz am Freitag verkündete Ahmet Davutoğlu die Gründung seiner neuen Partei.

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Schon lange wurde in der Türkei über die Pläne von Ahmet Davutoğlu zur Gründung einer neuen Partei diskutiert. Als der frühere Außenminister und Ministerpräsident im September seinen Austritt aus der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte, schien die Gründung unmittelbar bevorzustehen. Doch letztlich mussten sich die Türken bis Freitag gedulden, um mehr über die neue Partei zu erfahren, mit der Davutoğlu seinen langjährigen Weggefährten herausfordern will.

Zukunftspartei werde die neue Formation heißen, verkündete der 60-Jährige nun in Ankara vor einem Logo mit einem riesigen grünen Platanenblatt. Gemeinsam wolle man "die Zukunft aufbauen". Dafür brauche es die Freiheit der Presse, die Achtung der Minderheiten und eine unabhängige Justiz als Basis des Rechtsstaats. Die Partei lehne jede Form des Führerkults ab, verkündete Davutoğlu, ohne Erdoğan beim Namen zu nennen.

Gesicht der Vergangenheit

Die neue Gruppierung trägt die Zukunft im Namen, doch ob sie selbst eine Zukunft hat, wird Davutoğlu noch beweisen müssen. Viele der führenden Köpfe stehen eher für die Vergangenheit. Besonders das schnauzbärtige Gesicht Davutoğlus ist den Türken noch wohlvertraut, und nicht alle haben es in guter Erinnerung. Kritiker geben ihm eine Mitschuld an der Isolation der Türkei und werfen ihm vor, Erdoğans autoritäre Politik zu lange mitgetragen zu haben.

Erdoğan hatte den Professor für Politologie 2003 zunächst als außenpolitischen Berater berufen, bevor er ihn 2009 zum Außenminister ernannte. Unter seiner Ägide wandte sich die Türkei verstärkt den früheren Gebieten des Osmanischen Reichs zu und versuchte, ihren Einfluss in der Region auszuweiten. "Null Probleme mit den Nachbarn" war Davutoğlus Leitbild, doch scheiterte diese Politik spätestens mit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien.

Kampf gegen Präsidialsystem

Nach Erdoğans Wahl zum Präsidenten 2014 ernannte dieser seinen Vertrauten zum Regierungschef. Doch der ehrgeizige Davutoğlu wollte sich nicht unterordnen, und schon bald mehrten sich die Konflikte. Insbesondere sah Davutoğlu die Pläne zur Einführung eines Präsidialsystems kritisch. Im Mai 2016 zwang der Präsident ihn daher zum Rücktritt. Die Rückkehr zum parlamentarischen System ist für Davutoğlu nun ein zentrales Ziel seiner Partei.

Mit dem Präsidialsystem werde es "keine demokratische Gesellschaft geben", warnte er in Ankara vor hunderten Anhängern. Seine Partei wolle "eine komplett neue Verfassung schreiben, unter breiter Beteiligung unseres Volkes". Denn mit dem jetzigen Grundgesetz sei "keine glückliche und demokratische Zukunft" möglich. Zuallererst will er die Zehnprozenthürde für die Parlamentswahl abschaffen, an der seine Partei zu scheitern droht.

Weitere Gruppierung in den Startlöchern

Mit der Parteigründung ist Davutoğlu dem früheren Wirtschaftsminister Ali Babacan zuvorgekommen, der mit Unterstützung des ehemaligen Präsidenten Abdullah Gül ebenfalls eine neue Partei plant. Babacan war einer der Mitbegründer der AKP, verließ die Partei jedoch im Juli. Mit seinen Wirtschaftsreformen erwarb er sich viel Respekt, und für viele Türken steht er noch heute für die Jahre des Aufschwungs und der Stabilität.

Welche Chancen die neuen Parteien haben, wird kontrovers diskutiert. Beide richten sich an die religiös-konservative Wählerschaft, auf die sich auch die AKP stützt. Angesichts von Währungskrise, Arbeitslosigkeit und steigenden Preisen ist die Unzufriedenheit an der Basis groß. Doch Babacan ist ein Technokrat, und auch der frühere Professor Davutoğlu ist kein Mann der Massen. Ob sie über einige Prozent hinauskommen, ist ungewiss.

Interne Informationen

Der Kolumnist Mehmet Tezkan erwartet trotzdem, dass sie in Zukunft zu Erdoğans Hauptgegnern werden. Denn durch ihre Jahre an der Macht wüssten sie jede Menge Interna, die ihm gefährlich werden könnten. Wie ernst Erdoğan sie nimmt, zeigte schon eine Episode vor einigen Tagen, als er sie scharf attackierte und ihnen Betrug bei der Gründung einer Universität in Istanbul vorwarf. Davutoğlu und Babacan werden sich wohl warm anziehen müssen. (Ulrich von Schwerin aus Istanbul, 13.12.2019)