So sieht das Zahlungsmittel aus, wenn es sich auf dem Salzburger Domplatz materialisiert: Christoph Franken als "Mammon" in Hofmannsthals "Jedermann".

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Wären Menschen allwissend, müssten sie keine Finanzdienstleister bitten, ihr Geld für sie zu veranlagen. Über das Leben der Börsenmakler und Finanzjongleure existiert ausreichend belletristische Literatur. Diese bestätigt in der Regel die Annahme, dass die Betreiber von Fondsgesellschaften sich vornehmlich von Zahlensalat ernähren.

Doch mit der Diskretion von Gott Mammon ist es nicht weit her. Ausgerechnet das heißgeliebte Zahlungsmittel kann den Mund nicht halten. In Ernst-Wilhelm Händlers neuem Roman Das Geld spricht bildet der monetäre Freudenstoff die maßgebliche Erzählinstanz. Und was tut das Geld, wenn es im Auftrag eines blitzgescheiten Autors für den belletristischen Leser schuftet? Es gibt sich so kühl wie ein Trader, dem es nicht ausreicht, das ganz gewöhnliche Finanzmarktchinesisch zu beherrschen – begriffliche Ungetüme wie "Chief Comparability Officer", "Exchange Traded Fund" et cetera.

Am Geld ist nicht nur ein begnadeter Schwätzer verlorengegangen. Es besitzt alle Anlagen, um ein neuer Robert Musil zu werden. In eigener Sache spricht es nur in Ausnahmefällen. Dann wagt sich Autor Händler (66), selbst gelernter Manager, aus der Deckung des Plots hervor. Er gestattet dem Zaster bereitwillig, tüchtig Frust auf den Buchseiten abzuladen.

Das Selbstbewusstsein des Geldes ist gesund. Es kann in Wahrheit alles leisten. Es sagt in erster Person: "Ich stelle mir vor, dass ich ALLES abbilde. Wirklich alles, was die Menschen tun und denken." Die Neigung des Geldes, Weisheiten in Großbuchstaben auszuspucken, ist notorisch: "Ich gebe zu: Von hier ist es nur ein ganz kurzer Weg zu dem Gedanken, dass die Menschen nicht mehr nötig sind. Aber das ist, ich schwöre es, nicht mein Endziel."

Immer am Wort

Das Geld hält Wort. Es schließt sämtliche Sphären unter dem Zeichen des Wertgesetzes zusammen. Man beginnt unwillkürlich zu zögern. Heißt der Autor von Das Geld spricht allen Ernstes "Händler"? Wie viel Lebensechtheit dürfen Figuren für sich beanspruchen, die da heißen: der "Gründer", der "Nanomann", der "schwere Mann" oder – als einzige Frau im Teich der tollen Hechte – "Banana Clip"?

Einer der interessantesten Romane dieser Monate erklärt die Menschen zu Anhängseln. Händlers Figuren sind Dummys. Sie bilden Phänomene der Ableitung. Sie sind Indexkameraden, Geschöpfe zweiter Ordnung. Sie geben das Bild unsicherer Kantonisten ab, die zwischen den Glasfassaden der Finanzmetropolen Frankfurt und New York wie im Tiefschlaf der Vernunft herumstolpern.

Dafür erklären sie (uns) alles, was man etwa über Negativzinsen im Auge behalten muss. Um aus Unmengen Geldes noch mehr Geld zu erlösen. Irgendwann geben sowohl Geld als auch Menschen klein bei. Wer restlos alles über das Zustandekommen von Börsennotierungen gelernt hat, den dünkt sein Wissen plötzlich schal. Der vage Glaube an das segensreiche Wirken menschlicher Intuition eint Trader und Künstler. "Widerspruchsfrei" sollen ökonomische Prozesse ablaufen. Da lachen ja die Kupfermünzen im Einsiedeglas! Die Mysterien der Wertschöpfung bilden das Arkanum von Das Geld spricht. Der Roman berührt den Leser wehmütig. Das große Geld ist in Wahrheit das ärmste Schwein. Die Menschen hat es sich lediglich ausgedacht, um sich zu amüsieren.

Hinters Licht geführt

Und so kommt der Diskurs des Geldes seit den soziologischen Erzählungen von Georg Simmel kaum merklich vom Fleck. Émile Zolas Roman Das Geld (1890) amüsierte sich über die Gier honetter Bürger, das unreine Geld für sich arbeiten zu lassen. Natürlich werden sie kurios hinters Licht geführt.

Als Rainald Goetz in Johann Holtrop (2012) das gehobene Management vor den Vorhang bat – da schrieb er Prosa im Stil gehobener Leitmedien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nicht an den Händen der Menschen klebt der Mammon. Wir hängen von ihm ab, mit Haut, Haar und Herzen. Und gnade uns Gott, wir stehen ihm nicht mehr zu Gesicht. Die Drohung ist unüberhörbar: "Ich kann nicht versprechen, dass ich für alle Zeiten freundlich bleibe." (Ronald Pohl, 14.12.2019)