Einmal, erzählt Herbert Tirok mit feuchten Augen, hätten sie auf die Packerln am großen Baum im Garten des Hauses verzichtet, weil allein für die Packerln 30 Stunden Arbeit anfallen würden. "Aber dann", ergänzt seine 25-jährige Tochter Patricia, "sind die Kinder gekommen und haben gefragt, was denn heuer los ist und ob es kein Christkind gibt?" Also hat Patricia im Jahr darauf wieder speziell beschichtetes Geschenkpapier gekauft, gleich eine Kiste auf Vorrat, und Kartons umwickelt, damit für die Kinder wieder alles passte. Und auch heuer passt wieder alles.

Zufrieden steht Herbert vor seinem Haus in Wagram am Wagram, das er 1992 erbaut und mit seiner Frau bezogen hat. Im gleichen Jahr infizierten sich die beiden "mit dem Virus", wie er sagt: Sie schauten amerikanische Filme, in denen die Häuser immer weihnachtlich beleuchtet waren, und wollten das auch haben. Mittlerweile erzählen ihnen amerikanische Freunde von Nachbarn, dass es so etwas wie ihr Haus in Amerika nirgends gäbe: 600 Lichterketten haben sie aufgehängt, und im Garten stehen 46 aufblasbare Figuren herum. Dazu 130 Silhouetten, 15 Bäume aus Plastik oder zwei je sechs Meter hohe Weihnachts- und Schneemänner, an denen sich heute oft über 1.000 Besucher pro Wochenende erfreuen.

600 Lichterketten, 46 aufblasbare Figuren, 130 Silhouetten: In Wagram steht eines der am aufwendigsten dekorierten Weihnachtshäuser Österreichs.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

"Dass es da noch nicht gescheppert hat auf der Straße!", schüttelt Herbert ungläubig den Kopf über das seit 2011 erhöhte Verkehrsaufkommen. Damals berichtete der ORF erstmals über sie, und es kamen Besucher von außerhalb. Bis sie aber diese Form der Anerkennung erfuhren, musste sich Patricia in der Volksschule noch unschöne Sachen anhören: "Waah! So kitschig! So peinlich! Du Loser!" Und Herbert hörte die Leute über sein "Wagramer Puff" spotten.

Damals freilich setzen sie noch auf "Bunt" als dominierende Farbe, wohingegen heute alles in warmem und kaltem Weiß erstrahlt, wenn Patricias ehemalige Schulfreundinnen mit ihren Partnern kommen und im Garten Selfies machen. Oder jene, die sie immer häufiger mit "guten Ideen" versorgen würden: "Da bauen wir an dem und dem Wochenende so und so viele Punschstandl auf und machen so und so viel Geld damit." Die guten Ideen umfassen manchmal sogar den Acker, der hinter dem Haus liegt, oder Kutschen, die vor ihrem Haus auf- und abfahren sollen. "Viele Leute sehen in Weihnachten nur noch die Möglichkeit von Geld und Profit", beklagen die beiden. "Bei uns aber war Weihnachten immer das schönste Fest", erzählt Patricia. "Darauf habe ich mich das ganze Jahr gefreut, und wenn es vorbei war, habe ich schon wieder aufs nächste Jahr gewartet."

Freude übers ganze Jahr

Dass heute Menschen zu ihnen kämen, die "Weihnachten hassen", könne sie daher nicht verstehen. Die Mehrheit aber teile mit ihr die Begeisterung oder erinnere sich noch einmal an die schönen Tage der Kindheit: "Erst letzte Woche war eine Frau bei uns, die an Krebs erkrankt ist und heuer ihr letztes Fest erleben wird. Sie hat geweint, als sie das alles sah." Oder die Gruppe behinderter Menschen aus Mistelbach, die jedes Jahr im Bus kommen, Kerzen und Bäckereien mitbringen und sich dann voller Begeisterung umsehen würde. "Die strahlenden Augen – die sind der Dank, den wir bekommen", sagt Herbert.

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Aber am meisten freilich rühren immer noch die strahlenden Augen der Kinder. Um Punkt 16.10 Uhr, wenn Herbert die Lichterpracht an den sechs Stromkreisen hochfährt, kommen die ersten von ihnen die Straße herunter, schüchtern und vorsichtig, aber mit klaren Bildern im Kopf: dass hier das Christkind wohnen würde. Oder dass Patricia, die blonde Locken trägt, selbst das Christkind wäre.

Ein eigener Briefkasten

Um der "Wirklichkeit" der Kinder Rechnung zu tragen, haben sie nun sogar eigens einen Briefkasten angebracht, in den die Kinder ihre Briefe mit den niedergeschriebenen Wünschen werfen können. Manche Eltern kämen dann und fragten danach, weil sie von den Wünschen ihrer Kinder nichts wüssten, andere sagten: "Die kennst weghaun!" Vielleicht, weil die Wünsche der Kinder oft ganz schön anspruchsvoll wären: "Bitte 1 x iPhone plus 1 x 1.000 Euro Gutschein plus noch Lego dies und Playstation das …", erzählt Patricia lachend, als sie neben dem Pool im hinteren Teil des Gartens steht.

An diesem Pool liegen sie und ihr Vater jeden Sommer, dann schauen sie auf die Rückseite des Hauses und machen Pläne: "Er ist der Techniker", erzählt Patricia, "ich bin die Dekorateurin: Da könnten wir noch was machen, dort war es letztes Jahr ein bisserl leer." Tatsächlich war um den Pool herum bis vor ein paar Jahren die letzte leere Fläche, bis Herbert endlich die rettende Idee hatte: Nordpol! Schon begann der gelernte Tischler, der heute beim ÖBB-Verschub arbeitet, eine Landschaft zu zimmern und eine Eisenbahn darum herum zu bauen, und Patricia bestellte die Pinguine und klebte ihnen Bärte an.

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400 Euro Stromkosten

Von dieser Nordpol-Landschaft laufen die Kinder am liebsten hinüber zum Hasenkäfig in der anderen Ecke des Gartens, der selbst aufwendig dekoriert ist, und wieder zurück. Dort bei den Hasen steht auch ein Weihnachtsmann, der zu singen anfängt, sobald man in seiner Nähe klatscht. Weil viele Kinder das mit ihren kleinen Händchen nicht schaffen, versteckt sich dahinter der 160 Kilo Mann Herbert und sorgt für entsprechende Unterhaltung. Manche Kinder müssten von den Eltern rausgezerrt werden, so wie neulich jener Zweijährige, der sich am Türstock festgekrallte und erst mit einem Schokoschirmchen aus der Hand des "Christkindes" beruhigt werden konnte. Aus dem Haus gehen die Kinder in diesen Tagen überraschend oft freiwillig, wofür die Eltern den Tiroks sogar dankbar sind: "Die ziehen sich sogar selbst euretwegen an!"

Den Aufwand sehen die Kinder freilich nicht. "Heuer haben wir schon in der letzten Augustwoche mit dem Aufbau angefangen", erzählt Herbert, der selbst am 24. Dezember Geburtstag hat und heuer 50 Jahre alt wird. Insgesamt 471 Stunden hätten sie in den Aufbau investiert, "da war kein freier Tag dabei, und zum Schluss hin werden die Finger schon kalt".

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"Andererseits sind wir heuer Anfang Oktober noch mit kurzen Hosen im Garten gewesen, das gab es auch noch nie", ergänzt Patricia. Dass sie immer öfter überhaupt keinen Schnee hätten, mildert ihre Freude an der Sache nicht. Das tun dann schon eher die, "die sich über den Stromverbrauch aufregen und uns die Schuld am Klimawandel geben, aber selbst hundert Kilometer mit dem Auto herfahren und wieder zurück."

Die Frage nach den Stromkosten wäre auch die, die Herbert am häufigsten beantworten müsse: 400 Euro für 1600 kWh sind es, die ihn der Spaß jedes Jahr vom ersten Adventwochenende bis zum 6. Jänner kostet. Dann wird abgedreht, und es beginnt der Abbau, der seinerseits 150 Stunden Arbeit in Anspruch nehmen wird.

Der Heilige Abend dazwischen gehört aber nur ihnen. Da drehen sie Telefon und Glocke ab. Am Abend gibt es die Bescherung im Haus, in dem noch einmal 500 Objekte stehen sowie eine Modelleisenbahn im Keller, die allein 400 Lokomotiven umfasst. Nicht selten, dass Herbert noch eine dazu bekommt, bevor er das Telefon wieder aufdreht. Dann rufen die Ersten an und fragen: "Wo seids ihr denn? Wir sind extra aus Wien gekommen!" Und wenn er zur Türe hinausschaut, sieht er sie auf der Straße stehen.

Nur manchmal hängt Herbert dunklen Gedanken nach: "Was, wenn sie Weihnachten überhaupt irgendwann abschaffen?" Und was, wenn seine Patricia mal einen Mann heiratet, der ein "Grinch" ist, also ein Weihnachtsfeind? Zweimal hat er sich außerdem im Herbst schon wehgetan, erzählt Patrizia, und allein würde sie das nicht schaffen, da sie 60 Stunden in einem Krankenhaus arbeite.

Herbert Tirok und Tochter Patricia in ihrem Weihnachtswunderland.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Am nächsten Tag aber kommen schon wieder die ersten Kinder und bedanken sich mit ihren strahlenden Augen beim "Christkind" für die Geschenke. Und dann gibt es keine Zweifel mehr, dass im Hause Tirok nach Weihnachten immer vor Weihnachten ist. Denn diese strahlenden Kinderaugen, für die machen sie es. Und natürlich ein wenig auch für sich selbst. (Manfred Rebhandl, 14.12.2019)