Die FPÖ hat am Freitagnachmittag ihren langjährigen Parteiobmann Heinz-Christian Strache ausgeschlossen. Sowohl die Empfehlung des Parteigerichts als auch die darauf aufbauende Entscheidung des Landesparteivorstandes sei einstimmig erfolgt, gab der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp bekannt. Der Ladung vor das Parteigericht kam Strache nach Auskunft Nepps nicht nach. Er habe das Parteigericht in einer Mail als "entbehrlich" bezeichnet und zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen.

Die Begründung des Parteiausschlusses war durchaus überraschend. Im Zentrum von Nepps Ausführungen stand nämlich nicht die Spesenaffäre, in der Strache ein luxuriöses Leben auf Kosten der Partei sowie die "Umwandlung" privater Ausgaben in FPÖ-Ausgaben mittels gefälschter Rechnungen vorgeworfen wird. Laut Nepp waren es "zahlreiche mediale Äußerungen, Facebook-Postings und öffentliche Auftritte", die ursächlich für die Empfehlung des Parteigerichts gewesen seien.

Vorverurteilungsmaschinerie und Zäsur

Am Freitagabend rechnete Strache im "ZIB 2"-Interview mit seinen ehemaligen Wegbegleitern ab. Es war ein Gespräch, wie man es von Strache kennt. Selbstbewusst und wortgewandt. Er attestierte sich selbst teilweise schlechte Menschenkenntnis und er habe übersehen, dass viele seiner Mitstreiter nicht ehrlich zu ihm gewesen seien. Strache fühlt sich ungerecht behandelt, spricht von Zäsur und einer Vorverurteilungsmaschinerie – das geflügelte Wort des Interviews. Auch den Umgang mit seiner Frau Philippa kritisiert er immer wieder. Bezüglich der Ermittlungen gegen ihn in der Spesen-Affäre beteuert der "parteifreie aber immer noch politische Mensch", wie er sich immer wieder bezeichnet, abermals seine Unschuld. Er werde gemeinsam mit den Behörden die Vorwürfe bis zu seiner bewiesenen Unschuld aufarbeiten.

Zu seinem möglichen politischen Comeback äußerte sich Strache nicht eindeutig. Er werde über Weihnachten über seine weiteren Schritte nachdenken. Diese müssten "wohldurchdacht" sein, betonte er. Gegenüber "oe24.tv" sagte Strache: "Wenn es ein gutes Projekt gibt, werde ich mir überlegen, ob es einen Sinn macht, auch in Wien anzutreten." Mit den Worten "Alles ist möglich" beendete er das Gespräch.

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Beschwerden eines Sprengmeisters

Mit der von Strache thematisierten ungerechten Behandlung kann Nepp wenig anfangen. Er sieht die Partei, die Funktionäre und die Österreicherinnen und Österreicher als Opfer der Taten Straches. "Es kommt mir vor wie in einem Paralleluniversum. Diese Wehleidigkeit steht ihm nicht zu", sagt Nepp ebenfalls in der "ZIB 2". Es sei, als ob sich ein Sprengmeister über die Detonation aufregt.

Im Hinblick auf die neu gegründete Partei "Allianz für Österreich" will Nepp von einer Spaltung nichts wissen. Wenn drei Mitglieder austreten, sei das schmerzhaft aber keine Spaltung. Für die Gemeinderatswahl in Wien kommendes Jahr kündigte er an, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, zweitstärkste Partei bleiben zu wollen und mehr als 20 Prozent der Sitmmen zu erreichen.

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Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Sora Christoph Hofinger hält ein Ergebnis im einstelligen Prozentbereich durchaus für möglich, sollte Strache bei der Wahl antreten. Stimmen im zweistelligen Prozentbereich erwarte er nicht, in "diesen turbulenten politischen Zeiten sei aber auch das möglich".

Hofer sieht Befreiung von Ibiza

Straches Nachfolger als Bundesparteiobmann, Norbert Hofer, sprach von einer "Befreiung" der FPÖ durch die Entscheidung für den Ausschluss. Damit sei ein Schlussstrich unter die Causa Ibiza gezogen. Er wolle die FPÖ zu einer "stabilen 25-Prozent-Partei" machen, sagte Hofer – bei der letzten Nationalratswahl erhielten die Blauen übrigens 16 Prozent. Er werde einen modernen rechtskonservativen Kurs ohne Personenkult forcieren, kündigte Hofer an. Das Themenspektrum der Partei solle dabei vielfältiger ausfallen als in der Vergangenheit: Man werde sich etwa des Themas Bildung verstärkt annehmen.

Nepp, der für die FPÖ als Spitzenkandidat in die Wien-Wahl gehen wird, vermutet eine baldige Rückkehr Straches auf die politische Bühne. Schließlich stecke Strache hinter den drei Gemeinderäten, die sich am Donnerstag von der FPÖ abgespaltet hatten. Schon seit Wochen habe Strache hinter den Kulissen nach Finanziers gesucht, um ein eigenes politisches Projekt gegen die FPÖ auf die Beine zu stellen. An weitere Überläufer aus seiner Partei an "Die Allianz für Österreich" (DAÖ) glaubt Nepp nach eigenem Bekunden nicht. Dies wäre nämlich "politischer Suizid".

Der Wiener Vizebürgermeister Dominik Nepp und Bundesparteichef Norbert Hofer verkündeten gemeinsam Straches Ende in der FPÖ.
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Strache fühlt Zuspruch

Wenige Stunden später meldete sich Heinz-Christian Strache auf Facebook mit einer Videobotschaft zu Wort. Er habe sich um eine Streitschlichtung mit der FPÖ bemüht, doch dieser Versuch habe keinen Anklang gefunden. Strache führt dies auf eine "innere Zerrissenheit" der FPÖ zurück. Durch den endgültigen Bruch mit der FPÖ sei ein wesentliches Kapitel seines Lebens abgeschlossen, nun wolle er nach vorne blicken, sagte Strache. Und kündigte sogleich ein politisches Comeback an, zumal er nach eigener Wahrnehmung einen großen Zuspruch in der Bevölkerung zu verspüren glaubt.

(Theo Anders, Andreas Danzer, 13.12.2019)