Dirigent Vladimir Jurowski fesselte durch Gnadenlosigkeit.

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Wo waren die Leichenberge, wo die Schwerverletzten? Nachdem Vladimir Jurowski und das London Philharmonic Orchestra Schostakowitschs elfte Symphonie beendet hatten, hätte man selbiges zu sehen erwartet – im großen Konzerthaussaal.

Denn der Russe hatte das Orchester zur Kriegsmaschine umfunktioniert. Kerzengerade wie ein General befehligte er seine Truppen, die in diesem Schlachtengemälde wie ein Exekutionskommando zu Werke gingen. Das Massaker der zaristischen Truppen an aufständischen Arbeitern (1905) hat Schostakowitsch hier beschrieben – oder doch die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands (1956)?

Keine Musik, Krieg

Jurowskis Interpretation fesselte durch ihre Gnadenlosigkeit. Man hörte keine Musik, man hörte Krieg. Der 47-Jährige agierte wie ein Ingenieur, der Emotionen am Reißbrett plant. Was ihm nicht immer gelang: Die Stimmungszeichnung der nebelverhangenen Atmosphäre auf dem "Platz vor dem Palast" blieb sachlich.

Auch Beatrice Rana, die Solistin von Tschaikowskys erstem Klavierkonzert, hatte auf dem weiten Emotionsfeld des populären Werks mit chirurgischer Präzision operiert: Ihr gelangen kon trollierte Feinzeichnungen noch in der allergrößten Erregung. Die Themenpräsentation des Finalsatzes glich allerdings mehr einer Tätlichkeit, einem aggressiven Akt als einem feurigen Tanz. (sten, 13.12.2019)