Die Mehrheit der Migranten ist in Österreich gut verwurzelt. Der Fokus auf Probleme zeigt nicht das ganze Bild der Integrationsleistung.

Illustration: Fatih Aydogdu

Ob Schule, Arbeitsmarkt, Sozialstaat, Demokratieverständnis, alltägliche Lebensumstände: Fast immer, wenn von Migranten die Rede ist, wird in Österreichs Politik und in österreichischen Medien von Problemen gesprochen. Über positive Entwicklungen wird dagegen selten bis gar nicht berichtet.

In der Tat wird niemand bestreiten, dass es Schattenseiten gibt und Bereiche, in denen der Handlungsbedarf groß ist. Die jüngste Alarmmeldung zur Zuwanderung kam über die Pisa-Studie. In Österreich schneiden Schüler mit Migrationshintergrund nach wie vor deutlich schlechter in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften ab als Jugendliche, deren Eltern in Österreich geboren wurden, lautete ein zentraler Befund aus der internationalen Schulleistungsuntersuchung der OECD.

Fast zeitgleich entstand eine Debatte über Parallelgesellschaften unter Afghanen in Österreich. Eine Studie im Auftrag des Integrationsfonds zu Einstellungen junger Muslime war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich viele Afghanen einen religiösen Führer wünschen.

Gedankliche Fehler

Ein politischer Dauerbrenner, der ständig diskutiert wird, ist die Behauptung, dass Migranten vor allem den Sozialstaat ausnutzen wollten. Was daran stimmt: Die Arbeitslosenquote unter Migranten der ersten und zweiten Generation ist höher, weshalb Migranten öfter auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das häufig bemühte Bild dazu von der türkis-blauen Koalition war die Einwanderer-Großfamilie in Wien, die von der Mindestsicherung lebt.

Doch führen zwei gedankliche Fehler dazu, dass wir in dieser Debatte oft ein zu negatives Bild unserer Gegenwart zeichnen. Zunächst richtet sich der öffentliche Blick überwiegend auf problematische Entwicklungen. Dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle alles funktioniert, wird dabei übersehen.

Hinzu kommt, dass Probleme oft auf ganze Gruppen von Migranten übertragen werden. Aus der Tatsache, dass elf Prozent der Ausländer in Österreich arbeitslos sind und nur 6,7 Prozent der Inländer, wird schnell die Nachricht: Migranten haben Probleme auf dem Arbeitsmarkt.

Der Alltag für die Mehrheit der 2,022 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich, also der Türken, Serben, Polen, Ungarn, Deutschen, deren Eltern im Ausland geboren sind und die hier leben, ist in Wahrheit nicht von Sprachproblemen, nicht von Arbeitslosigkeit, nicht von Kriminalität gekennzeichnet.

In Wahrheit läuft manches gut, einiges wird besser – und das meiste ist ganz normal. In drei Bereichen lässt sich das gut zeigen: Bildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftliche Teilhabe.

1. Ein Bildungsaufstieg findet statt

Die größte gesellschaftliche Aufmerksamkeit in der Debatte richtet sich auf Schulen. Bildung ist eines der wichtigsten und damit sensibelsten Politikfelder. Dabei entsteht oft der Eindruck, Kinder und Jugendliche, die eingewandert sind oder deren Eltern aus dem Ausland kamen, würden alle auf der Bildungslaufbahn abgehängt.

Dabei zeigt ein Blick in die nationalen Bildungsstatistiken, dass das nicht stimmt. Das Forschungsinstitut Bifie erhebt regelmäßig, ob Schülerinnen und Schüler der vierten sowie der achten Schulstufe in Deutsch, Englisch und Mathematik die notwendigen Kompetenzen in diesen Fächern erreichen. Die Bifie-Zahlen belegen, dass im Regelfall auch Migranten der ersten und zweiten Generation keine Problemfälle sind.

In der vierten Schulstufe, also gegen Ende der Volksschule, erreichen 75 (zweite Generation) und fast 70 Prozent (erste Generation) der Schüler mit Migrationshintergrund die erforderlichen Lesefähigkeiten ganz oder teilweise.

Ein paar Beispiele: In der vierten Schulstufe, also gegen Ende der Volksschule, erreichen 75 (zweite Generation) und fast 70 Prozent (erste Generation) der Schüler mit Migrationshintergrund die erforderlichen Lesefähigkeiten ganz oder teilweise. In Mathematik sind es 73 und 80 Prozent.

In der achten Schulstufe sind die Ergebnisse bei der ersten Generation, also bei im Ausland geborenen Kindern, schlechter. Die Mehrheit erreicht Grundkompetenzen aber auch hier. Und bei der weitaus größten Gruppe der schon hier geborenen Kinder erreichen rund 70 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund die erforderlichen Kompetenzen.

Klar ist: Wenn ein Viertel der Schüler scheitert, ist das ein bildungspolitisches Problem. Die Schule darf keine abgehängten Kinder zurücklassen, die es später im Leben erst recht schwerhaben. Aber die Probleme, sei es mit Lesen oder Mathe, haben die meisten Menschen mit Migrationshintergrund nicht. Normalität ist, dass die Kinder beides ausreichend beherrschen.

Eine nähere Betrachtung der Zahlen zeigt, dass nicht der gesamte, aber ein großer Teil der schulischen Probleme mit sozioökonomischen Schwierigkeiten erklärt werden kann. Ob Pisa oder andere Messmethoden, für den Sprachwissenschafter Gero Fischer geht es nicht vorrangig um den Migrationshintergrund.

Er spricht lieber von einem sozialen Schichtproblem: "Wir haben bewusst unqualifizierte Arbeiter ins Land geholt. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass wir ein bildungspolitisches Problem importiert haben."

Einem Teil der unteren sozialen Schichten fällt der Aufstieg schwerer – da spielt der Migrationshintergrund nur insofern mit, als dort etwa viele türkische Familien zu finden sind. Für migrantische Familien aus der Mittelschicht existiert das Problem oft nicht.

Und es gibt Erfolge. Immer weniger Menschen mit Migrationshintergrund beenden ihre Schulkarriere vorzeitig, also nach dem Ende der Schulpflicht. Ein Beispiel: Vor 15 Jahren haben 46 Prozent der jungen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bloß die Pflichtschule abgeschlossen. Inzwischen sind es weniger als die Hälfte, nur noch 19 Prozent.

Ein großer Teil junger Türken besucht Gymnasien oder eine berufsbildende höhere Schule, wie Daten der Statistik Austria zeigen. Der Soziologe August Gächter spricht von einem "bemerkenswerten" Aufstieg. Mehr Eltern schicken ihre Kinder in höhere Schulen, auch wenn sie selbst nie eine besucht haben.

Und mehr Eltern verfügen heute über einen Abschluss, der über die Pflichtschule hinausgeht, und erwarten das auch für ihre Kinder. Geht die Entwicklung so weiter, werden Türken im Jahr 2022 eine gleich hohe Abbrecherquote haben wie Österreicher ohne Migrationshintergrund.

2. Der Regelfall: Es wird gearbeitet

Keine Frage: Auf dem Arbeitsmarkt gibt es eine Kluft. Vor allem die Gruppe der Türken hat den Verdrängungswettbewerb mit jungen Migranten aus Osteuropa zu spüren bekommen. Hier ist die Arbeitslosigkeit seit der Wirtschaftskrise deutlich gestiegen.

Migranten verdienen zudem im Schnitt weniger und arbeiten oft konzentriert in klassischen Gastarbeiterbranchen, wie am Bau. Die Beschäftigungsquote von Österreicherinnen ist höher als jene von Frauen mit Migrationshintergrund.

Unter ungarischen, tschechischen, deutschen und slowenischen Staatsbürgern ist die Arbeitslosenquote niedriger als unter Österreichern.
Foto: APA / dpa / Roland Weihrauch

Aber auch hier ist das Bild differenziert. Unter Zuwanderern aus Osteuropa und aus Bosnien ist die Beschäftigungsquote ebenso hoch wie bei Österreichern. Das gilt auch bei Frauen. Wichtiger ist, dass die Beschäftigungsquoten in Bereichen gestiegen sind, wo sie lange sehr niedrig waren. 63 Prozent der Frauen mit türkischem Migrationshintergrund sind heute berufstätig – vor zehn Jahren waren es nur 52 Prozent.

Sieht man sich nur Beschäftigungsquoten von Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen an, verschwinden die Differenzen zwischen Migranten und Nichtmigranten nahezu. Unter ungarischen, tschechischen, deutschen und slowenischen Staatsbürgern ist die Arbeitslosenquote niedriger als unter Österreichern. Das wird kaum beachtet.

Thomas Liebig, Migrationsexperte der Industriestaatenorganisation OECD, verweist darauf, dass in Österreich vergleichsweise viele Migranten in Beschäftigung sind – mehr als im Durchschnitt anderer EU-Staaten. Im Regelfall sieht es also auch in Einwandererhaushalten so aus, dass beide Elternteile früh aufstehen und arbeiten.

3. Spitze beim Sport, gute Werte für Teilhabe

Wenn es stimmt, dass Sport die Menschen verbindet, dann hat Österreich einiges erreicht. Ein Viertel des aktuellen Fußball-Nationalteam-Kaders sind Migranten der zweiten Generation. Auch im Schwimmen (Geschwister Jukic) und bei der Leichtathletik (die Siebenkämpferin Ivona Dadic) sind die Kinder und Enkelkinder der Gastarbeiter im Spitzensport "angekommen", sagt Politikwissenschafter Georg Spitaler.

Ein Viertel des aktuellen Fußball-Nationalteam-Kaders (hier während eines Fußball-EM-Qualifikationsspiels im November 2019) sind Migranten der zweiten Generation.
Foto: APA / Hans Punz

Dass Migranten Spitzenleistungen für Österreich erbringen, sei normal geworden. Einzige Ausnahme sei das Skifahren.

Wem Spitzensport zu abgehoben ist, um gelungene Integration zu symbolisieren, für den hat die OECD andere Statistiken parat. Sie analysiert gesellschaftlichen Teilhabe mit mehreren Indikatoren. Österreich schneidet hier in vielen Bereichen gut ab.

In kaum einem anderen Land interagieren Migranten mit autochthonen Österreichern so oft, abseits des Berufslebens. 60 Prozent der Österreicher geben an, auch im Privatleben Kontakt mit Migranten zu haben, sei es als Nachbarn oder im Fußballklub. Dieser Wert wird in Europa nur von Italien, Spanien, Griechenland und Irland übertroffen. (András Szigetvari, Peter Mayr, 14.12.2019)