Wir haben uns schon fast daran gewöhnt, obwohl es eigentlich eine Verhöhnung der Staatsbürger ist: Wir hören nichts über die Substanz der Koalitionsverhandlungen zwischen Türkis und Grün außer Floskeln. Nur gelegentlich Andeutungen, dass es sich bei bedeutenden Themen – Migration, Klimasteuern – noch ziemlich spießt.

Das ist zu wenig. Unter anderem auch deshalb, weil sich jetzt langsam herauskristallisiert, dass von den Maßnahmen von Türkis-Blau, mit denen Österreich großartig umgebaut werden sollte, immer weniger übrig bleibt. Da hätte man gerne eine Information: Wie werthaltig ist das aller Voraussicht nach, was Türkis und Grün gerade jetzt aushandeln?

Zwar hat der Verfassungsgerichtshof soeben einen wesentlichen Teil des türkis-blauen Umbaus in der Sozialversicherung bestätigt. Die Zusammenlegung von Sozialversicherungen ist nicht verfassungswidrig, auch die paritätische Besetzung der Gremien (mit einer Aufwertung der Arbeitgeber) nicht.

Aber: Schon vorher stand fest, dass die gewaltigen Einsparungen durch die Kassenfusion ("Funktionärsmilliarde") ein türkis-blauer Schmäh sind.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Foto: Christian Fischer

Wenige Tage vorher hatte der Verfassungsgerichtshof jedoch einem zentralen Projekt von Türkis-Blau, dem sogenannten Sicherheitspaket, eine glatte Absage erteilt. Die Erfassung und Identifizierung von Lenkern, die Verarbeitung von Daten aus Section-Control-Anlagen durch Sicherheitsbehörden, die Überwachung verschlüsselter Daten und die Ermächtigung zur Installation eines Programms zur Bürgerüberwachung sind allesamt verfassungswidrig. Alles überschießender Überwachungs- und "Sicherheitswahn" von "Mitte-rechts".

Türkis-blaue Symbolpolitik

Vom Verfassungsgerichtshof erwartet man sich auch nach einer Klage der SPÖ eine Entscheidung über die Kürzung der Mindestsicherung (gezielt hauptsächlich auf kinderreiche Migranten). Wie nicht anders zu erwarten, sind nach Vorliegen der ersten Ergebnisse sehr stark Kinder betroffen, und zwar jeder Herkunft.

Es sollten ja überhaupt mit einem ganzen Bündel von türkis-blauer Symbolpolitik hauptsächlich "Ausländer" sekkiert werden. Auch hier ist der Erfolg bescheiden. Die Expertenregierung hat außer Kickls Polizeipferden schon die 1,50-Euro-Jobs für Flüchtlinge und die Umbenennung von Erstaufnahmezentren in "Ausreisezentren" gestrichen. Der grandiose Erfolg des "Kopftuchverbots" für Volksschülerinnen: acht (in Zahlen: 8) Fälle. Die sieben radikalen Moscheen, die geschlossen wurden, sind längst wieder offen.

Wirtschaftspolitisch gibt es an Erfolgen den Kinderbonus von 1500 Euro, eine nachhaltige Steuersenkung unterblieb wegen der Kürze der türkis-blauen Regierungszeit. Industriepolitisch ist es geglückt, den schwarzen Chef der Verstaatlichtenholding Öbag in den strafrechtlichen Strudel rund um die Casinos Austria AG und diese selbst nachhaltig in Turbulenzen zu bringen.

Ein guter Teil dessen resultiert aus der prinzipiellen Regierungsunfähigkeit der FPÖ (eine Tatsache, über die sich Sebastian Kurz vorher bei jedem erfahrenen Politiker oder auch Journalisten hätte informieren können). Wenn nun Kurz mit den Grünen abschließen will, dann wird es langsam Zeit, dass man über die Natur des geplanten Programms etwas erfährt. Damit es noch rechtzeitig eine fundierte Debatte darüber geben kann. (Hans Rauscher, 14.12.2019)