Friedlich, aber zahlreich waren die Proteste gegen Wahlunregelmäßigkeiten am Freitag in Algerien.

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Die Präsidentschaftswahlen in Algerien am Donnerstag endeten wie gemeinhin erwartet mit einem Showdown. Involviert waren die seit Februar aufbegehrende Protestbewegung einerseits und die immer autoritärer agierende Staatsführung unter Armeechef Ahmed Gaïd Salah auf der anderen Seite. Eine Lösung des seit Jahresbeginn andauernden Konfliktes zwischen den beiden Polen ist weiterhin nicht in Sicht – und auch der Wahltag verlief alles andere als ruhig.

Großdemonstrationen in zahlreichen Städten, ein auf Eskalation setzender Sicherheitsapparat, gestürmte und blockierte Wahllokale, eine vielerorts verschwindend geringe Wahlbeteiligung – und der Präsidentschaftsanwärter Abdelmajid Tebboune, ein Mann des alten Regimes, der noch am Wahlabend den Sieg für sich reklamierte, mittendrin.

Sieg für den Regime-Mann

Der 74-Jährige sollte recht behalten. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge gewann er die Abstimmung sogar mit einem ziemlich komfortablen Vorsprung. Das gab die staatlich kontrollierte Wahlbehörde Anie bekannt. Tebboune, der früher schon einmal Premierminister war, gilt als enger Vertrauter Gaïd Salahs. Er kommt demnach auf 58,2 Prozent der Stimmen und verwies seine vier Kontrahenten um das höchste Staatsamt damit deutlich auf die Plätze. Eine Stichwahl, die nötig geworden wäre, wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erzielt hätte, fällt damit aus.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Anie bei 40 Prozent. Das ist ein mehr als unglaubwürdiger Wert, herrschte in den Wahllokalen doch überwiegend gähnende Leere. Voll war es stattdessen auf den Straßen, wo auch am Wahltag landesweit unzählige Menschen lautstark gegen die Wahlfarce und das zuletzt immer repressiver auftretende Regime demonstrierten.

Allein in der Hauptstadt Algier zogen Zehntausende durch die Innenstadt. Das Zentrum des Widerstandes gegen die Abstimmung war jedoch einmal mehr die Berberregion Kabylei im Osten.

Zahlreiche Wahllokale blieben in den Provinzen Tizi Ouzou, Béjaïa und Bouira daher von Beginn an geschlossen oder wurden von Demonstranten stundenlang blockiert. Nirgendwo im Land war die Wahlbeteiligung so niedrig wie hier. In einer Gemeinde nahe Béjaïa hatten Demonstrierende schon in der Früh zwei Wahllokale gestürmt und in einem davon offenbar bereits mit Wahlzetteln gefüllte Urnen gefunden. In Béjaïa, Tizi Ouzou und Bouira kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der vom Militär kontrollierten Gendarmerie und Protestierenden. Ein Anie-Büro in Bouira wurde angezündet, es brannte aus.

Tumulte in der Hauptstadt

Auch in Algier kam es zu tumultartigen Szenen. Sicherheitskräfte versuchten immer wieder, die Demonstrationen gewaltsam aufzulösen, und gingen mit Knüppeln und Tränengas gegen Protestierende vor. Dutzende Menschen wurden verletzt, viele Demonstranten verhaftet. Auch am Freitag gingen die Proteste in einigen Städten weiter.

Bereits seit 43 Wochen ziehen Opposition und Protestbewegung allwöchentlich auf die Straße und fordern einen echten politischen Wandel. Auslöser dieser beispiellosen Massenmobilisierung gegen die Eliten war der Versuch von Ex-Präsident Abdelaziz Bouteflika, bei der eigentlich schon im April geplanten Wahl für ein fünftes Mandat zu kandidieren. Sein Rücktritt im April konnte den Protesten jedoch nicht den Wind aus den Segeln nehmen, wurden Bouteflika und seine Regierung doch von Vertretern des Regimes aus der zweiten Reihe ersetzt.

Seither hat Armeechef Gaïd Salah im Land das Sagen und will die Bewegung um jeden Preis ausbremsen. Bisher blieben die Proteste friedlich. Die Stimmung im Land ist jedoch aufgeheizt. Die Abstimmung gilt den Regierungsgegnern dabei auch als eine Provokation: Gaïd Salah setze darauf, dass die Proteste in offene Gewalt umschlagen. Bisher vergeblich. (Sofian Philip Naceur, 13.12.2019)