Am Freitag, dem 13., muss Heinz-Christian Strache die FPÖ verlassen. Er dürfte sich nun der neuen Partei DAÖ zuwenden, die für ihn gegründet wurde.

Foto: Standard/Corn

Die geplante Abspaltung sei "der Versuch der Zerstörung der FPÖ", der jedoch schon gescheitert sei. Der Parteispalter sei "wie ein Kind, das eine Sandburg gebaut hat, und bevor ein anderes Kind damit spielen kann, hupft er drauf und zerstört sie".

Es spricht: Der damalige designierte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache über Jörg Haider und dessen BZÖ. Frei nach Marx wiederholt sich die Geschichte als Farce. Fünfzehn Jahre später sind die Rollen vertauscht.

Strache ist zwar nicht der offizielle Spaltpilz, die "Allianz für Österreich" (DAÖ) wurde aber am Donnerstag von drei abtrünnigen Wiener Gemeinderäten explizit für Strache als Spitzenkandidat gegründet. Nicht nur der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp denkt, dass in Wahrheit Strache hinter DAÖ steckt. Strache habe "mit Finanziers gesprochen" und sei "an andere Politiker herangetreten", sagte Nepp. Es dürfte kein Zufall sein, dass just am Tag nach der DAÖ-Gründung Strache als Zeuge vor dem parteiinternen Schiedsgericht geladen war – und nicht erschien. Dieses sollte prüfen, ob ein Ausschluss des Ex-Obmanns wasserdicht ist. Anlassfall war vor allem die Spesenaffäre: Strache wird vorgeworfen, sich mit Geld der Partei ein luxuriöses Leben finanziert zu haben. Es gab einen Mietzuschuss, ein hohes Gehalt für Ehefrau Philippa. Aber darüber hinaus vielleicht auch Untreue: Mehrere Personen sagten der Staatsanwaltschaft, dass Strache Rechnungen "umwandeln" ließ; also absichtlich falsch abrechnete. Strache bestreitet die Vorwürfe vehement, es gilt die Unschuldsvermutung.

Auch das ist eine Wiederholung als Farce. Zwölf Jahre ist es her, dass Strache gegen seine Vorgängerin Susanne Riess-Passer prozessiert hat. Er warf ihr vor, Kleidung und Handtaschen als Spesen abgerechnet zu haben. "Meine Kleidung und meine Wohnung werden von meinem Gehalt bezahlt", sagte Strache damals im Zeugenstand. "Ich habe auch keine Parteikreditkarte." Riess-Passer, heute nur mehr Riess, wurde nie verurteilt.

Am Freitag kamen dann weitere Enthüllungen ans Tageslicht: Süddeutsche Zeitung und Spiegel berichteten im Detail über Vorwürfe, Strache habe Bargeld aus der Ukraine erhalten, um die Wahlliste der FPÖ zu verändern. Für insgesamt zehn Millionen Euro an diverse Empfänger sollte der Unternehmer Thomas Schellenbacher 2013 in den Nationalrat gelangen. Das tat er tatsächlich – drei FPÖ-Abgeordnete verzichteten auf ihr Mandat, um ihm das zu ermöglichen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelte, sah jedoch keinen Strafbestand erfüllt. "Jeder kann Sporttaschen fotografieren, und jeder kann irgendetwas dazu behaupten", sagte Straches Anwalt schon im September, als die Vorwürfe erstmals auftauchten – die Fotos sollen ebenfalls aus dem Fundus von Straches ehemaligem Bodyguard stammen, der einst mit den Produzenten des Ibiza-Videos kooperiert hatte. Und die Fotos mit der Sporttasche angeblich schon 2015 der politischen Konkurrenz zum Kauf angeboten hat.

300 lange Stunden vor dem Rauswurf

Es sei nur mehr "eine Frage von Stunden", bis Strache aus der Partei ausgeschlossen werde, behauptete FPÖ-Vize Herbert Kickl am 30. November. Über 300 Stunden später war es dann so weit. Das Schiedsgericht teilte der FPÖ-Spitze am Freitag mit, dass ein Rausschmiss gerechtfertigt sei. Dann tagte der Parteivorstand kurz, bevor die Trennung mit dem Altobmann endgültig vollzogen worden wurde.

"Jetzt ist Ibiza für uns Geschichte", sagte Norbert Hofer danach. Die FPÖ wolle eine "moderne Partei ohne Personenkult" sein und sich neu aufstellen. "Ziel: Die FPÖ will eine stabile 25-Prozent-Partei sein."

Bislang konnten Straches Nachfolger dessen große Fußstapfen noch nicht ausfüllen. Norbert Hofer gab sich entspannt, hat für viele Anhänger dadurch zu wenig Feuer. Kickl zeigte mit seinem unerfüllten Wunsch, Strache rasch auszuschließen, dass zumindest die Wiener FPÖ ihm nicht bei Fuß folgt – der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl wollte die Landesgruppe gleich aus der "freiheitlichen Familie" werfen. Und dort hat Obmann Dominik Nepp ohnehin ein Problem. Versicherten doch erst vor zwei Wochen alle blauen Gemeinderäte in einer Erklärung, nicht für eine Liste Strache zur Verfügung zu stehen. Mit der Ausnahme vom Strache-Loyalisten Karl Baron – der am Donnerstag aber gleich zwei Landtagsabgeordnete mit zu DAÖ nahm, die sehr wohl die Erklärung der FPÖ Wien unterschrieben hatten. Dadurch wirken Beteuerungen Nepps, er glaube nicht, dass weitere Mandatare "politischen Suizid begehen", nicht sehr vertrauenswürdig. Erste Namen von anderen Abtrünnigen geisterten schon am Donnerstag durch die Gerüchteküche.

Der Super-GAU

Aber wie groß ist die Lücke, die Strache in der FPÖ hinterlässt, tatsächlich? Fakt ist, dass der einstige Vizekanzler zur Zeit seiner Obmannschaft innerhalb der FPÖ bei weitem nicht so populär war, wie man glauben möchte. Vielen, die mit Strache zusammengearbeitet haben, war klar, dass jederzeit ein politischer Skandal der Sonderklasse passieren könnte. "Jedes Wochenende habe ich vorm Einschlafen gehofft, dass am Montag keine peinlichen Fotos in der Zeitung auftauchen", erzählte ein hochrangiger Freiheitlicher schon vor Jahren.

Der Super-GAU passierte dann am 17. Mai 2019, als Süddeutsche Zeitung und Spiegel heimlich gefilmte Aufnahmen von Strache und seinem Adlatus Johann Gudenus veröffentlichten. Sie zeigen den FPÖ-Chef, wie er mit einer vermeintlichen Oligarchennichte auf Ibiza Korruptionsfantasien ausheckt. Einen Tag später war Strache als Vizekanzler Geschichte, genau wie die restliche türkis-blaue Koalition. Ein tiefer Fall, den Strache nicht akzeptieren kann. "Er ist wie in einer Trutzburg", beschreibt ein anderer FPÖ-Funktionär. Strache sieht Ibiza als Komplott, als "besoffene Geschichte". Wieder einmal sind alle gegen Strache. Der schon 2006 "rappte": "Am Liebsten sähen sie mich stumm mit Knebel – aber aufgepasst, ich habe mehr als meinen Säbel."

"Vernichtungsfeldzüge"

Regelmäßig sah Strache während seiner 14-jährigen Obmannschaft "Vernichtungsfeldzüge", wie es in der autorisierten Biografie Vom Rebell zum Staatsmann heißt. Da wären etwa die Affären um Straches Vergangenheit im Neonazi-Milieu: Wehrsportübungen ("Paintball"), ein Treffen mit Gottfried Küssel, seine Mitgliedschaft in der rechtsextremen Wiking-Jugend samt Verhaftung in Deutschland, sein Kühnengruß mit drei ausgestreckten Fingern ("drei Bier") und vieles mehr. Immer wieder vermutet Strache Verräter im eigenen Umfeld, teils war das auch der Fall.

Fakt ist aber auch, dass Strache eine ungemeine Anziehungskraft auf die Wählerschaft des dritten Lagers ausgeübt hat – und darüber hinaus.

Sein Traum war (oder ist) die Kanzlerschaft samt Innenministerium. Reine Hirngespinste waren das nicht. 2015, zur Zeit der unbeliebten rot-schwarzen Koalition, lag die FPÖ lange Zeit deutlich vor SPÖ und ÖVP, teils sogar mit bis zu fünf Prozentpunkten Abstand.

Dann kam Sebastian Kurz, der den Freiheitlichen erfolgreich potenzielle Wähler abluchste. Strache wurde immerhin Vizekanzler. Der Höhepunkt seiner Karriere währte anderthalb Jahre. Dann kam die Ibiza-Enthüllung. Seither will Strache seine Ehre wiederherstellen und die Hintermänner des Ibiza-Videos bloßstellen. Doch ihn plagen selbst Ermittlungen, etwa rund um Postenschacher bei der Casinos Austria AG – es gilt die Unschuldsvermutung.

In der vergangenen Woche sollte für Strache ein neuer Abschnitt beginnen. Am Mittwoch ließ er die PHI Beteiligungs- und Unternehmensberatungs GmbH ins Firmenbuch eintragen. Am Donnerstag folgte die DAÖ-Abspaltung, am Freitag der Ausschluss aus der FPÖ. "Entbehrlich" sei das Parteigericht, so seine letzten Worte an die Ex-Partei. Kurz danach meldete er sich auf Facebook zu Wort. Der Zuspruch der Fans motiviere ihn, der Politik "nicht den Rücken zuzukehren". Er denke nun "verstärkt über ein politisches Comeback im Jahr 2020" nach. (Fabian Schmid, 13.12.2019)