Klarer Gewinner: Boris Johnson (links), klarer Verlierer: Jeremy Corbyn (rechts).
Foto: APA / AFP / Tolga Akmen

"The Times": Glücksmanöver

"Boris Johnson ist ein außergewöhnliches politisches Manöver gelungen. Er übernahm die Führung der Konservativen in einem Moment, in dem seine Partei zwischen der Brexit-Partei und den Liberaldemokraten kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen schien. Jetzt hat er einen großen Sieg errungen. Er und Dominic Cummings haben ihr Timing und ihre Botschaft richtig hinbekommen. Sie waren auch skrupellos darin, ihre Koalition zusammenzuschweißen. (...)

Sie verließen sich auch auf ihr Glück, der größte Teil davon war Jeremy Corbyn. Er sorgte dafür, dass die gemäßigteren Konservativen die Tories wählten, obwohl sie Zweifel an Boris Johnson hatten. Er vereinte weder die liberale Linke noch die Mitte hinter einer Leitlinie zum Aufhalten des Brexits oder die traditionelle Labour-Wählerschaft hinter einem populistischen Manifest. Er war nicht in der Lage, sich der Rücksichtslosigkeit von Johnson und Cummings zu widersetzen."

"Guardian": Fremdes Land

"Der Höhepunkt ist wirklich überschritten, und die Wahrheit ist ein fremdes Land geworden. Und es sind die Tories, die die schlimmsten Übeltäter waren und jeden Trick aus dem Steve-Bannon-/Donald-Trump-Spielbuch übernommen haben. Warum eine kleine Lüge erzählen, wenn du mit einer großen noch besser dran bist? Und wenn du beim Lügen erwischt wirst, entschuldige dich nie. Setz einfach noch einen drauf. Erzähl eine Lüge oft genug, dann werden einige Leute es glauben. Und eine beachtliche Zahl war dumm genug, auf "Get Brexit done" hereinzufallen. Die ungeheuerlichste Lüge überhaupt.

Es war weniger eine Wahl als vielmehr ein Unbeliebtheitswettbewerb. Boris Johnson und Jeremy Corbyn waren im ganzen Land sehr unbeliebt, und ihnen wurde misstraut. Worum es wirklich ging, war, welcher Führer am wenigsten gehasst wurde."

"Financial Times": Das Vereinigte Königreich verloren?

"Die gute Nachricht ist, dass drei Jahre der politischen Lähmung vorbei sind. Endlich ist, ob gut oder schlecht, der Weg zum Brexit klar; Großbritannien hat sich vom Hardliner-Sozialismus abgewandt, und das Land hat wenigstens eine stabile Regierung mit einer arbeitsfähigen Mehrheit. Das Ergebnis ist ein riesiger persönlicher Triumph für Boris Johnson.

Die weniger gute Nachricht ist, dass das Land nun bald herausfinden wird, dass mehr als die Stimmabgabe bei einer Wahl erforderlich ist, um den 'Brexit zu vollenden', dass Boris Johnson nun unkontrolliert in die nächste Runde der EU-Verhandlungen gehen wird und dass eine gewaltige nationalistische Aufwallung in Schottland durchaus ein neues Unabhängigkeitsreferendum einläuten könnte. Selbst bei all ihrem Jubel könnten die Konservativen fürchten, dass sie zwar den Brexit gesichert, aber das Vereinigte Königreich verloren haben."

"The Independent": Erst das Ende der ersten Phase

"Die gesamte Landschaft der britischen Politik verändert sich. Die 'rote Mauer' zerbröckelt. Denn was wir durchaus beobachten können, sind die Trumpifizierung der britischen Politik und die Umformung des alten konservativen Bundes in eine getriebene populistische Bewegung ohne feste Grundsätze und mit mehr als nur Anzeichen eines Personenkults.

Zweifellos wird Großbritannien die EU im kommenden Monat formell verlassen. Der Premierminister hat dafür ein Mandat gewonnen, wenngleich mithilfe zweifelhafter Ankündigungen, und seine persönliche Autorität sowie die parlamentarische Arithmetik bedeuten, dass er seinen Austrittsdeal leicht durch das Parlament bekommen wird. Doch damit ist der Brexit noch nicht fertig. Dies ist erst das Ende der ersten Phase." (APA, 13.12.2019)