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Starke Beteiligung an der Demonstration am Samstagnachmittag.

Foto: AP Gregorio Borgia

Rom – Zehntausende Menschen sind am Samstag in Rom gegen den Rechtspopulismus auf die Straße gegangen. Das "Volk der Sardinen", die vor wenigen Wochen in Bologna gegründete Anti-Populisten-Bewegung, versammelte sich auf der zentralen Piazza San Giovanni in Rom zu seiner ersten Kundgebung in der italienischen Hauptstadt.

Als "Antikörper gegen den Populismus" bezeichneten sich die Demonstranten, die mit Sardinen aus Karton in der Hand und Plakaten Slogans gegen Rassismus und Antisemitismus skandierten. Auf der vor der Lateranbasilika aufgestellten Bühne wechselten sich einige Gründer der im November in Bologna spontan entstandenen Bewegung als Redner ab und verlasen Auszüge aus der italienischen Verfassung.

"Italien ist erwacht", schreibt EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

"Mit Kreativität und Fantasie"

"Wir wollen eng wie Sardinen zusammenrücken, um zu verhindern, dass Populismus in Italien noch mehr Fuß fasst. Auf Hass und Intoleranz reagieren wir mit Kampf gegen Diskriminierung, mit Beteiligung auf den Plätzen, mit Kreativität und Fantasie", betonte Mattia Santori, Gründer der Bewegung, in einer Ansprache auf der Bühne der Piazza San Giovanni, einem traditionellen Kundgebungsort der Gewerkschaften und italienischen Linken. Santori meinte, die Bewegung habe ihr Ziel erreicht. "Wir wollten die Piazza San Giovanni füllen und wir haben es geschafft", sagte er.

Keine Parteisymbole, keine Fahnen: Die "Sardinen" schwenkten ihre selbst gebastelte Fische aus Karton oder Blech, setzten auf Witze gegen die rechtspopulistische Lega und sangen die italienische Nationalhymne sowie das Partisanenlied "Bella ciao". Junge und ältere Demonstranten, Römer und aus verschiedenen italienischen Städten angereiste Teilnehmer beteiligten sich an der Kundgebung.

Santori stellte die politischen Ziele der Bewegung vor. Priorität sei die Abschaffung der von Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini im Parlament durchgesetzten "Sicherheitspakete", die schwere Strafen für Rettungsschiffe vorsehen, die ohne Genehmigung einen italienischen Hafen anlaufen. Die Bewegung forderte, dass Regierungsvertreter nur über offizielle Kommunikationskanäle ihre Mitteilungen veröffentlichen und keine Propaganda in Sozialnetzwerken betreiben. Politik müsse im Umgang mit Sozialmedien transparent sein. Politik dürfe nicht mit Marketingmethoden betrieben werden, forderte Santori.

Appell gegen Ausländerfeindlichkeit

Zu den Redner auf der Bühne zählte auch der Arzt von Lampedusa, Pietro Bartolo, der mit seinem Slogan "Bleiben wir menschlich" bekannt geworden ist. Er verkündete einen Appell gegen Ausländerfeindlichkeit und für die Flüchtlingsaufnahme in Italien.

Zu den Organisatoren gehörten auch Migranten, die die Parole der Lega, "Die Italiener zuerst", entschieden ablehnen. Einer von ihnen ist der 44-jährige, aus Kenia stammende Journalist Stephen Ogongo, der seit 25 Jahren ohne italienische Staatsbürgerschaft in Rom lebt. Er zählt zu den Anführern der Sardinen in der Hauptstadt.

Die Kundgebung in Rom gilt als "Reifeprüfung" für die Bewegung, die seit ihrer Gründung Mitte November bereits 113 Flash Mobs in verschiedenen italienischen Städten organisiert hat. Laut Santoni wird nach der Demonstration in der Hauptstadt für die "Sardinen" die "Phase zwei" beginnen. "In der ersten Phase wollten wir sehen, wie viele Menschen sich uns anschließen. In Phase zwei wollen wir überlegen, wie wir diese Energien, die wir hervorgerufen haben, verwenden können, um eine Politik vorzuschlagen, die seriös, aber auch attraktiv sein kann", meinte Santori.

Mattia Santori, Gründer der "Sardinen".
Foto: APA/AFP/ANDREAS SOLARO

Am Sonntag ist ein Treffen der Aktivisten verschiedener Städte geplant, um eine Struktur und eine Strategie zu bestimmen. "Wir wollen dabei ein Dutzend Punkte festlegen, um unsere Identität zu strukturieren und uns vor Instrumentalisierung durch andere Gruppierungen zu schützen", meinte der 32-jährige Santori.

Überraschend ist für den in Wirtschaftswissenschaften promovierten Sporttrainer der Erfolg der "Sardinen" im Ausland. Viele Auslandsitaliener versammelten sich am Samstag in Brüssel, Paris und Wien, um ihre Ablehnung gegenüber Populismus und Rassismus auszudrücken.

Starke Beteiligung

Fotos und Videos auf sozialen Medien von der Kundgebung bei der Wiener Staatsoper zeigten eine rege Beteiligung an der Demonstration am Samstagnachmittag. Zahlen der Polizei zur Teilnahme lagen zunächst nicht vor.

Nur eine Handvoll Studenten hat die Welle der Sardinen Mitte November in Gang gesetzt. Vier Freunde aus Bologna, darunter Santori, riefen Bekannte zur Mobilisierung gegen Lega-Chef Matteo Salvini auf, der in der norditalienischen Region Emilia Romagna den Wahlkampf für die Regionalwahlen am 26. Jänner 2020 startete. Die Bewegung schreibt sich nicht nur den Kampf gegen Populismus auf die Fahnen. Sie hat auch eine ökologische und sozialrechtliche Dimension.

Salvini reagierte gelassen auf die Großkundgebung in Rom. Es sei zwar unüblich, dass man gegen eine Oppositionspartei demonstriere, aber jegliche demokratische Demonstration sei willkommen, sagte der Ex-Innenminister. (APA, red, 14.12.2019)