Politisch: 1975 zeichnete Alfred Hrdlicka "Nackte Frauen tanzen vor Adolf Hitler".

Foto: Stiftung Alfred Hrdlicka

Eine frühe Realisierung von Erwin Wurms "One Minute Sculptures". Auch Zeichnungen mit Anweisungen sind als Schenkung an die Albertina gegangen.

Foto: Studio Erwin Wurm

2007 zeichnete Sevda Chkoutova Dagmar und Manfred Chobot am Klopeinersee.

Foto: Chkoutova-Muxel

Sie dachten, es würde schneller gehen, dann war Klaus Albrecht Schröder aber acht Stunden lang zum Auswählen da. Schaute auf die Wände, stöberte in Schubladen und verließ die Wohnung von Dagmar und Manfred Chobot mit 800 Werken unterm Arm wieder.

Das Wiener Sammlerpaar übergab der Albertina soeben seine üppige Schenkung heimischer Kunst nach 1945. "Die Wände sind aber nicht leer, es ist auch noch immer genug in Schubladen", beruhigt die Sammlerin. Statt jenes Franz Ringel, der jetzt in der Albertina zu sehen ist, hängt bei Chobots daheim nun eben ein anderes, "ebenso schönes" seiner Gemälde.

60 der neu in die Albertina eingegliederten Werke umfasst eine kleine Einstandsschau (bis 23. 2.) in der Basteihalle. Ist das Jeannine Schiller? Nein, sondern der Schöne Ludwig (1971) von Erhard Stöbe. Dessen Aquarelle von Interieurs und monsterhaften Menschenfiguren fehlten im Bestand des Museums bisher ganz. Eine Leerstelle klaffte auch in puncto Gugginger Künstler: Erstmals kamen sie mit der Sammlung Essl ins Haus, die Schenkung der Chobots stellt mit Werken von August Walla oder Johann Fischer in der Erzählung der heimischen Kunstgeschichte zudem deren Einfluss etwa auf Robert Zeppel-Sperl dar.

Sammelten Grenzgänger und Unverstandene

Dagmar und Manfred Chobot sammeln seit Ende der 1960er Kunst. Statt wie geplant einen Kühlschrank zu kaufen, steckten sie das Budget dafür 1968 in Werke, die sie hinter Kästen und in Tuchentladen vor ihren Eltern versteckten. Über die Clubabende in der Secession gelangten Bankangestellte und der Boku-Student von Kokoschka und Léger zu den Zeitgenossen als Objekten der Begierde. Ab 1971 betrieben sie das Atelier Yppen in Ottakring, übersiedelten dann als Galerie Chobot in die Domgasse. Viele Künstler sammelten sie ab der ersten Stunde, widmeten sich besonders Grenzgängern und Unverstandenen.

Die Sammlung deckt daher viele Frühwerke ab, etwa mit Alfred Hrdlickas bis vor kurzem im Schlafzimmer der Chobots schmerzvoll am Boden liegendem steinernen Samson (1961). Die Aluminiumgüsse Bruno Gironcolis wie die Weltraumgöttin Daphne mit Palmwedelhänden verfolgten die Sammler allerdings ebenso wie die frechen One Minute Sculptures von Erwin Wurm.

Auch Werke von Adolf Frohner und Florentina Pakosta sind mit der Auswahl ans Haus gegangen. Doch ein Herzstück bildet der expressionistische Wiener Karl Anton Fleck (1928–83), die Albertina hütet nun dessen Nachlass.

Albertina-Chef Schröder ist "erstaunt, wie groß oft Lücken selbst großer Sammlungen sind". Insofern sind die Zeichnungen und Skulpturen auch mit Blick auf die im März im Künstlerhaus eröffnende Filiale Albertina Modern mit Schwerpunkt österreichische Kunst seit dem Zweiten Weltkrieg ein Glücksfall. Samson, die Gugginger und Cornelius Kolig werden etwa bereits in der Auftaktschau The Beginning verteten sein. (Michael Wurmitzer, 16.12.2019)