Gerhard Zeiler: "Die Lehre aus Großbritannien muss sein, dass die Sozialdemokratie desto weniger mehrheitsfähig ist, je weiter sie nach links rückt."

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Von New York aus hat Gerhard Zeiler, Medienmanager und verlässlich im Spiel, wenn über mögliche Nachfolger von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner spekuliert wird, das Fiasko der britischen Labour-Partei bei der Unterhauswahl vergangene Woche verfolgt. Jeremy Corbyns prononciert linker Kurs, warnt er, kann Europas kriselnde Sozialdemokratie nicht retten.

STANDARD: Hat Labour schon hinter sich, was der SPÖ noch bevorsteht, nämlich ein Linksruck?

Zeiler: Ich hoffe, dass die SPÖ diesen Gang nicht unternimmt, sondern sich ihrer Stärken besinnt und die Partei der linken Mitte bleibt. Die Lehre aus Großbritannien muss sein, dass die Sozialdemokratie desto weniger mehrheitsfähig ist, je weiter sie nach links rückt. Da sind Labour, SPÖ und auch die deutsche SPD in einer ähnlichen Situation.

STANDARD: Corbyn hat betont, die Niederlage liege nicht am Programm der Partei. Warum beharrt man nach Schlappen auf seinem Kurs, auch wenn der Wähler diesem nicht folgen mag?

Zeiler: Das Volk hat nun mal bestimmt, dass der Kurs inhaltlich nicht stimmt. Die Sozialdemokratie sollte die Lehren daraus ziehen und verstehen, dass sie nicht nur ihre Stammklientel ansprechen darf, sondern breiten Bevölkerungsschichten inhaltliche Angebote machen muss.

STANDARD: Wird Corbyns Scheitern andere Parteien davor zurückschrecken lassen, ihre Basis über die Spitze bestimmen zu lassen?

Zeiler: Bei Labour war es so, dass nach dem Rücktritt von Ed Miliband durch eine Satzungsänderung jeder Mitglied der Labour-Partei werden konnte, sofern er drei Pfund einzahlt. So ist eine relativ große Zahl von Trotzkisten, die unter Tony Blair ausgeschlossen wurden, wieder in die Partei gekommen und hat Corbyn gewählt. Und bei der SPD haben sich gerade die, die besser geeignet gewesen wären, die Partei aus der Krise zu führen, gar nicht erst aufstellen lassen.

STANDARD: Boris Johnsons Konservative haben Labour auch in etlichen roten Hochburgen besiegt. Was heißt das für die SPÖ?

Zeiler: Dass man klar Stellung beziehen muss. Das war genau das Problem von Labour beim Brexit. Eine große Mehrheit der Abgeordneten war und ist der Ansicht, dass es Großbritannien in Zukunft wirtschaftlich schlechter gehen wird. Aber die Partei hat es versäumt, den EU-Ausstieg als Fehler zu bezeichnen. Diese Botschaft hätte Labour ganz klar auf den Tisch legen müssen. Wahltaktik kann in so einer essenziellen Frage von nationaler Bedeutung nur falsch sein.

STANDARD: Nun gibt es hierzulande naturgemäß keine Brexit-Debatte. Wo soll die SPÖ denn klare Kante zeigen, um Wähler zurückzugewinnen?

Zeiler: Zum Klimawandel und zur Migration. Da kann sich die SPÖ nicht vorbeischwindeln. Im Wahlkampf hat mich die Haltung der SPÖ zum Klimawandel ein bisschen an jene von Corbyn zum Brexit erinnert. Ich finde, dass die Sozialdemokratie dieses Feld nicht den Grünen überlassen darf. Die SPÖ muss aber auch zum Thema Migration Stellung beziehen, weil wenn Sie heute auf die Straße gehen und die Menschen fragen, was die Haltung der SPÖ zu Migration ist, wird das niemand wissen.

STANDARD: Was hätte Labour denn tun müssen, um zu siegen?

Zeiler: Wenn Labour sich neben dem Brexit auf die zwei Fragen Gesundheitssystem und Arbeitsverträge konzentriert hätte, wäre das Ergebnis anders ausgegangen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass etwa David Miliband mit einer klaren Brexit-Aussage diese Wahl gewonnen hätte.

STANDARD: Trotzdem wählten die Briten Johnson, von dem man weiß, dass er sich nicht unbedingt glaubhaft etwa für das Gesundheitssystem starkmachen wird.

Zeiler: Weil die Labour-Partei weder die richtige Person an der Spitze hatte noch Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Wenn man alles anders machen will, gibt es natürlich Leute, die an der wirtschaftlichen Grundlage der Versprechen zweifeln.

STANDARD: Auch wenn Sie vermutlich nicht gefragt werden: Würden Sie die Labour-Partei gerne übernehmen?

Zeiler: Das ist ähnlich wie die Frage, ob ich gerne US-Präsident werden möchte (lacht). Ich kenne mich aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit zwar in Großbritannien ganz gut aus, aber mehr auch nicht. (Florian Niederndorfer, 16.12.2019)