Besonders drastisch sei die Verfehlung der Klimaziele im Verkehrssektor, kritisiert Global 2000.

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Klarheit über die Inhalte wird es wohl erst am Mittwoch geben. Dann soll über den nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) im Umweltministerrat abgestimmt werden. Einem internen Expertenpapier zufolge, das Montagmorgen von der Umweltorganisation Global 2000 veröffentlicht wurde, reichen die darin genannten Maßnahmen allerdings bei weitem nicht aus, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Das Ministerium dementiert das und sagt auf Anfrage, dass es sich bei dem Papier um eine Altversion handle. Mittlerweile seien die Maßnahmen in dem Plan so ergänzt worden, dass Österreich sämtliche Klimaziele erreichen kann.

Die Wirkungsfolgenabschätzung, um die es in dem Papier geht, hätte eigentlich schon längst vorliegen sollen. Im Erstentwurf des Klimaplans war die Rede davon, dass diese Mitte 2019 veröffentlicht werden soll – geschehen ist das allerdings nicht. Ein Punkt, den auch die EU-Kommission in ihrem Feedback kritisierte. Und auch als der Zweitentwurf in die öffentliche Begutachtung ging, lag die Einschätzung nach wie vor nicht auf dem Tisch. Kritiker konnten ihre Meinung also nur ohne diese kundtun.

Alle Ziele verfehlt?

Ein Blick auf das interne – und laut Ministerium veraltete – Papier verdeutlicht, wieso man mit der Veröffentlichung der Abschätzung so lange zugewartet haben könnte. Demnach kann Österreich seine Treibhausgasemissionen durch die geplanten Maßnahmen bis 2030 nur um 27 Prozent reduzieren. Laut EU-Ziel muss die Republik den Ausstoß außerhalb des Emissionshandels allerdings um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern.

Auch bei der Primärenergieintensität würden die geplanten Maßnahmen nicht ausreichen, heißt es in dem Leak. Gleiches gilt für für Ziele im Bereich der erneuerbaren Energie. Diese wurden allerdings nur knapp verfehlt – die Abweichung beträgt laut dem Papier weniger als einen Prozentpunkt. Besonders drastisch sei die Verfehlung im Verkehrssektor, heißt es in dem Papier, das aus Autorenkreisen der Folgeabschätzung stammen soll. Dort steht auch, dass ein Teil der Ergebnisse der Evaluierung auf Modellierungen – und nicht in jedem Fall auf konkreten Maßnahmen – beruhe.

"Das interne Expertenpapier zeigt, dass offenbar der Versuch unternommen wurde, den österreichischen Entwurf für einen Klimaplan schönzurechnen", kritisiert Global-2000-Klimasprecher Johannes Wahlmüller. "Die Öffentlichkeit sollte vom wahren Ausmaß der Misere nichts erfahren."

Ministerium spricht von "haltlosen" Vorwürfen

Diese Vorwürfe hält man im Ministerium für "haltlos". Die NGO versuche "erneut, die Arbeit am NEKP zu diskreditieren". Das veröffentlichte Schreiben beziehe sich auf einen Zwischenstand, der die aktuelle Version nicht widerspiegle. "Das Papier referenziert nicht den Plan, sondern ein erstes Zwischenergebnis der Modellierung", heißt es aus dem Klimaressort. Das Dokument enthalte nicht alle Maßnahmen und Zielsetzungen, die im finalen Plan enthalten sein werden.

Das fertige Papier, das die Regierung bis Ende Dezember nach Brüssel schicken muss, werde sowohl Maßnahmen als auch politische Zielsetzungen enthalten. "Das ist Usus", sagt ein Sprecher von Ministerin Maria Patek zum STANDARD. Laut Ministerium gibt die EU das so vor. "Dass die Emissionen erst sinken können, wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, ist allen handelnden Akteuren bewusst."

Weitere Maßnahmen gesetzt

So soll beispielsweise im Bereich der Mobilität ein Zwischenergebnis nachgebessert werden, auch das Thema "Abbau kontraproduktiver Subventionen" sei um ein Ziel ergänzt worden. Die Liste dieser Subventionen hätte ebenfalls schon längst vorliegen sollen, bisher wurde allerdings erst eine Berechnung anhand mehrerer Studien präsentiert.

Nach Angaben des Ministeriums fließen drei Kategorien in die sogenannte Wirkungsfolgenabschätzung ein: bereits beschlossene Maßnahmen, im Zweitentwurf genannte neue Maßnahmen – wie die Umstellung auf E-Taxis – und Maßnahmen, die im Rahmen der Begutachtungsfrist durch Stellungnahmen eingegangen sind. Optionen wie die Ausweitung des Emissionshandels flossen demnach nicht in die Abschätzung ein.

Laut NGO und Ministerium ist das Papier zwei Wochen alt. Zu dieser Zeit waren die ersten zwei Kategorien bereits bekannt. Das würde also bedeuten, dass die Aufbesserung durch Anmerkungen von Kritikern in der öffentlichen Begutachtungsfrist gelang. Diesen Aspekt wollte das Ministerium am Montag nicht kommentieren und versicherte lediglich: "Wir werden die 2030-Ziele mit dem NEKP erreichen."

CO2-Bepreisung notwendig

Offen bleibt, ob in den finalen Plan die Vorschläge der Experten integriert wurden. Diese sind durchaus klar formuliert: "Ohne eine Form der CO2-Bepreisung können Ziele nicht erreicht werden", heißt es dort etwa. Auch bestehende kontraproduktive Subventionen und Anreize seien abzubauen. Im Verkehrssektor sei eine Zielerreichung "grundsätzlich möglich", dafür wäre aber eine "massive Abkehr" vom Status quo notwendig. Die Autoren wiesen auch darauf hin, dass Maßnahmen mit hoher Eingriffsintensität – etwa Fahrverbote in dicht besiedelten Gebieten – teils hohe Zustimmungswerte verzeichnen würden. (Nora Laufer, 16.12.2019)