Ende August erspähte der Teleskoptechniker und Amateurastronom Gennadi Borissow von der Krim aus ein außergewöhnliches Objekt, das heute seinen Namen trägt: 2I/Borisov ist ein interstellarer Komet auf der Durchreise – der erste je entdeckte. Der weitgereiste Brocken wurde von der Gravitation der Sonne nicht eingefangen, sondern lediglich abgelenkt. Passenderweise wird er das Sonnensystem in Richtung Sternbild Teleskop wieder verlassen.

Die jüngsten Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops zeigen den interstellaren Kometen auf seiner heißesten Reiseetappe.
Fotos: NASA/ESA/D. Jewitt (UCLA)

Der Fund war ein wissenschaftlicher Glücksfall. Denn anders als der 2017 entdeckte interstellare Asteroid Oumuamua, der Astronomen erst bei seiner Abreise aus unserem Sonnensystem aufgefallen war, lässt sich der Komet 2I/Borisov viel länger untersuchen – Astronomen rechnen damit, ihn noch bis Herbst 2020 beobachten zu können.

Kleiner Kern

In der vergangenen Woche erreichte das Objekt seinen sonnennächsten Punkt. Dem Hubble-Weltraumteleskop gelangen rund um dieses Ereignis die bisher detailliertesten Aufnahmen und wichtige Erkenntnisse über den Kometen. Allen voran: 2I/Borisov ist sehr viel kleiner als gedacht.

"Die Hubble-Daten liefern uns Kennzahlen zum Kometenkern, dem wichtigsten Teil des Objekts", sagte David Jewitt von der University of California, Los Angeles. Jewitt wertete diese Daten gemeinsam mit Kollegen aus – und staunte nicht schlecht: Der Radius des Kometenkerns misst kaum mehr als einen halben Kilometer und ist damit fast 15-mal kleiner als angenommen. "Diese Erkenntnis ist wichtig, denn sie hilft uns dabei, die Anzahl und Massen ähnlicher Objekte im Sonnensystem einschätzen zu können", so Jewitt. Denn für die Astronomen steht fest: 2I/Borisov ist sicher nicht der einzige fernreisende Komet in unseren Gefilden.

Aktivierter Brocken

Eine Hubble-Aufnahme vom 16. November zeigt 2I/Borisov kurz bevor er seinen sonnennächsten Punkt erreichte. Um Kern und Schweif besser erkennbar zu machen, wurde der Komet blau eingefärbt. Im Hintergrund ist die ferne Spiralgalaxie 2MASX J10500165-0152029 zu sehen.

Hubble-Aufnahme von 2I/Borisov (rechts) vom 16.11.2019. Im Hintergrund ist eine Spiralgalaxie zu sehen.
Foto: NASA/ESA/D. Jewitt (UCLA)

Je näher ein Komet der Sonne kommt, desto aktiver wird er. Angeregt durch die Sonnenstrahlung kommt es zu Ausstößen von Gasen und Staub, die Rückschlüsse auf Eigenschaften und Beschaffenheit dieser urtümlichen Himmelskörper erlauben. So konnten Forscher im Oktober Gassignaturen um 2I/Borisov nachweisen, die denen von Kometen aus unserem Sonnensystem ähneln: "Insgesamt scheinen die Gas- und Staubeigenschaften ähnlich wie bei normalen Kometen des Sonnensystems zu sein", lautete damals das Fazit der Untersuchung.

Rasante Reise

Astronomen hielten es zunächst für möglich, dass der tiefgekühlte Brocken aus dem interstellaren Raum bei seiner Annäherung an die Sonne durch die zunehmende Wärmeeinstrahlung auseinanderbrechen wird. Doch das war nicht der Fall, wie eine jüngere Aufnahme vom 9. Dezember zeigt. Dieses Bild entstand kurz nach der Passage des sonnenächsten und damit wärmsten Punktes rund 300 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und präsentiert einen intakten Kometen. Der Brocken erreichte auf dieser Etappe eine Geschwindigkeit von mehr als 150.000 km/h.

Diese Hubble-Aufnahme vom 9.12.2019 zeigt 2I/Borisov nach seiner nächsten Begegnung mit unserer Sonne.
Foto: NASA/ESA/D. Jewitt (UCLA)

Der Erde wird 2I/Borisov Ende Dezember am nächsten kommen: Der Brocken aus Eis und Staub wird unseren Planeten im Abstand von rund 289 Millionen Kilometern passieren – und sich dann rasant von uns entfernen. Bis Mitte 2020 wird er auf seinem Weg zurück in den interstellaren Raum bereits weiter weg von uns sein als Jupiter. (dare, 16.12.2019)