Keine Lust auf Sex kann viele Ursachen haben – die Allgemeinmedizinerin Kathryn Hoffmann ermutigt Patienten und Patientinnen, darüber zu reden. Kommunikation hilft.

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Es gilt als die schönste Nebensache der Welt. Doch für viele Menschen ist Sex keine Quelle der Lust, sondern vielmehr eine Last. Mehr als elf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gaben bei der letzten Gesundheitsbefragung an, mit ihrem Sexualleben (sehr) unzufrieden zu sein. Rund 26 Prozent hatten dazu keine Meinung. "Die Zufriedenheit mit dem Sex ist in den letzten Jahren gesunken", sagt Kathryn Hoffmann, Professorin an der Abteilung für Allgemeinmedizin der Med-Uni Wien.

Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen steigt das Durchschnittsalter, und damit sinkt auch die sexuelle Aktivität. Aber vor allem chronische Erkrankungen und Medikamente können schuld daran sein, wenn im Bett nichts mehr läuft.

Wenn Krankheiten dazwischenfunken

"Sex ist ein wichtiger Lebensbereich und in jedem Alter genussvoll möglich", betont Hoffmann. Doch mit dem Älterwerden steigt auch die Zahl der chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme. Sie können das Lustempfinden und die sexuelle Funktionalität beeinflussen. Auch die Medikamente, die dagegen eingenommen werden, können negative Auswirkungen auf den Sex haben. "Die Einnahme von Blutdrucksenkern führt nicht selten zu Erektionsstörungen. Üblicherweise gewöhnt sich der Körper nach einiger Zeit an den niedrigeren, gesunden Blutdruck und funktioniert wieder problemlos", so Hoffmann. "Da heißt es etwa zwei Monate durchhalten."

Weniger gut sind die Aussichten bei Herzinsuffizienz. Die lebensrettenden Medikamente können hier nachhaltig die Erektions- und Lustfähigkeit stören. "In diesen Fällen ist eine gute ärztliche oder therapeutische Beratung von großer Bedeutung", sagt die Medizinerin. "Für viele Paare ist es wichtig zu lernen, dass es neben dem Geschlechtsverkehr auch andere Formen von erfüllter Sexualität geben kann. Es muss nicht immer Penetration sein."

Psyche als Hindernis

Bei jüngeren Menschen sind es oft psychische Faktoren, die zu sexuellen Problemen führen. "Depression, Angststörungen, Versagensängste oder erlebter Missbrauch werden oft von sexuellen Störungen begleitet", sagt Hoffmann. Medikamente, die dagegen helfen sollen, verstärken diese nicht selten. "Durch die Beeinflussung der Neurotransmitter und andere Nebenwirkungen können Antidepressiva vor allem die Orgasmusfähigkeit behindern", erklärt die Medizinerin.

Manchmal sind die Nebenwirkungen allerdings auch erwünscht. So können etwa Medikamente aus der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) auch als Therapie bei vorzeitigem Samenerguss eingesetzt werden. Auch "Potenzpillen" haben schon vielen Männern geholfen. Sie sind jedoch mit Vorsicht und nur nach Rücksprache mit dem Arzt zu genießen: Bei schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, niedrigem Blutdruck, Leberschäden und Problemen mit der Netzhaut dürfen sie nicht eingenommen werden.

Paradox klingt es im Fall der Antibabypille: Gemacht für ungestörten Sex, steht sie selbst im Verdacht, das Lustempfinden zu stören. Schuld daran ist ein Bluteiweißstoff, der Sexualhormone an sich bindet und so deren Wirkung blockiert. Dazu zählt etwa das Testosteron, das auch dafür verantwortlich ist, dass Frauen Spaß am Sex haben.

Sozialer Druck

Die Störung des sexuellen Interesses kann aber auch viele andere Ursachen haben. Gerade bei jungen Menschen sieht Hoffmann sozialen und gesellschaftlichen Druck als Hauptverursacher. "Die Idealvorstellungen, wie und wie oft Sex zu sein hat, sowie die ungesunden Stereotypien, wie sich ein potenter Mann oder eine sexy Frau zu verhalten hat, weichen sehr oft von der Realität ab. Das mach Stress", sagt Hoffmann.

Das Internet trägt dazu bei, diese Erwartungen weiter zu übersteigern. "Der Konsum von harter Pornografie erhöht die Reizschwelle. Normale Reize und Berührungen in der Partnerschaft werden nicht mehr als erregend empfunden", so die Ärztin. Geheilt werden könne diese Art der Luststörung nur durch strengen Pornografieentzug und ein gezieltes "Genusstraining", bei dem wieder gelernt wird, auch auf "normale" Stimuli zu reagieren.

Die Hausärzte sieht Hoffmann als wichtige erste Anlaufstelle. Sie kennen ihre Patienten und sollten Fragen der sexuellen Gesundheit von sich aus ansprechen. "Oft ist es das Wichtigste, die Kommunikation zwischen den Partnern zu fördern. Es gibt neben penetrativem Sex so viele andere Formen von befriedigender Sexualität. Aber unsere Gesellschaft denkt da oft sehr eingeschränkt." (Andrea Fried, 2.1.2020)