Bei mehrjährigen Expeditionen haben tradierte Feste und Gewohnheiten aus der Heimat der Expeditionsteilnehmer eine große Bedeutung. Weihnachten und der Jahreswechsel bieten Anlass zum Innehalten, Feiern und für sentimentale Erinnerungen an die Daheimgebliebenen – eine Nachlese in den Erinnerungen zweier Beteiligter.

Die Spurensuche führt auf zwei Schiffe, die Weihnachten fernab der Heimat verbrachten. Die Fregatte SMS Novara startete am 30. April 1857 in Triest und kehrte nach ihrer Weltumsegelung am 26. August 1859 wieder zurück. Die Admiral Tegetthoff der Österreichisch-Ungarischen Nordpolarexpedition, auch als Payer-Weyprecht-Expedition bekannt, bei der im hohen Norden Neuland im wahrsten Sinn des Wortes, das Franz-Joseph-Land, entdeckt wurde, legte am 13. Juni 1872 in Geestemünde (Bremerhaven) ab. Am 20. Mai 1874 verließen die Expeditionsteilnehmer das Schiff und kehrten unter abenteuerlichen Umständen am 25. September 1874 am Wiener Nordbahnhof heim.

1857: "… als die Christwoche begann […] an Bord wieder die Badesaison …"

Chronist der Weltumseglung der Novara war der an Bord befindliche Geologe Ferdinand v. Hochstetter (1829–1884), der regelmäßig Berichte nach Wien sendete. Über Weihnachten des Jahres 1857 war im Abendblatt der Wiener Zeitung vom 30. Oktober 1858, knapp zehn Monate später, zu lesen: "Mit dem Passat rasch vorwärts gehend, passirten wir vom 16. auf den 17. Dezember den südlichen Wendekreis und hatten am 17ten die Sonne senkrecht über unserem Scheitel […]. Schon am 18ten wurden wieder fliegende Fische gesehen, die Bewohner der tropischen Meere, und als die Christwoche begann, die Zeit, wo man in der Heimath am Kamin behagliche Wärme sucht, da begann für uns die Tropenwärme zuerst mit 24° C., dann aber Tag für Tag fast um einen Grad steigend bis auf 28° und 29° C., damit trat an Bord wieder die Badesaison, die Brausepulverzeit und die Zeit der weißen Kleider ein, und wir hatten somit auch weiße Weihnachten." Einmal mehr zeigt sich, dass die Männer fernab der Heimat wussten, wie man aus der Gunst der Stunde das Beste für einen macht.

Die Fregatte SMS Novara im Indischen Ozean 1857/1858 auf dem Weg nach Ceylon.
Foto: Geologische Bundesanstalt.

Weihnachten: "Jeder auf seine Weise"

"Den Weihnachtsabend feierten wir noch auf der südlichen Hemisphäre auf 5°–6° Breite zuerst in heiterer Gesellschaft und dann jeder auf seine Weise in Erinnerungen und Gedanken an die Heimath und die Seinen. Am Christfest feierliche Messe und dann nach hergebrachter Sitte festliches Diner bei den Herren Offizieren, zu dem der Commodore, der Kommandant und die Naturforscher geladen waren." Neben Hochstetter befanden sich unter anderen der Zoologe Georg v. Frauenfeld (1807–1873) und der Maler Joseph Selleny (1824–1875) an Bord.

Jahreswechsel 1857/58 am Äquator

Wenig später begann es heftig zu regnen, dann folgen tropische Nächte am Äquator. "Drei lange und heiße Tage vom 29. Dezember bis 31. Dezember lagen wir zwischen 1° südlich und 0° in eitel Windstille und mußten bei 28–29° C. am Sylvesterabend und in der Sylvesternacht tüchtig schwitzen. Trotzdem erklang im munteren Kreise das Champagnerglas hell auf das Wohl der Lieben und der Freunde in der Heimath." Hätten sie in unseren Tagen das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Musikverein gehört, lauschten sie damals den Klängen der mitgereisten Musiker, wie Hochstetter schreibt: "Lustige Musik weckte mich am Neujahrsmorgen 1858."

Text auf der Bildrückseite: "Copie. Dr. Ferdinand Hochstetter in seiner Cajüte an Bord der Fregatte Novara auf der Weltumseglungs-Reise gemalt von seinem Reisegefährten Maler Selleny am Ocean im Jahre 1857".
Foto: Geologische Bundesanstalt / Heidi Kauffmann

Weihnachten 1872 im Eismeer

Ganz anders waren die Erlebnisse der Männer an Bord der Admiral Tegetthoff, die sich mit Wind- und Dampfkraft in den hohen Norden vorkämpfte. Das Tagebuch des 1845 geborenen Maschinisten Otto Krisch, der auf der Expedition am 16. März 1874 verstarb, gibt Einblick in den Alltag an Bord. Bereits im August 1872 saß das Schiff im Eis fest und trieb nach Norden. Die Männer versuchten das Schiff zwar immer wieder vom Eis freizusprengen, um mit voller Kraft der Maschine voranzukommen, doch ohne Erfolg. "Aber alles war vergebens, das Schiff bewegte sich nicht von der Stelle. [13. September 1872]." Ungeachtet dessen holte man am 23. Dezember die Kisten mit den Weihnachtsgeschenken vom Laderaum des Schiffes in die Kajüte.

"24 Stück kleine Wachskerzen und 100 Stück feine Zigarren"

Die Gönner der Geschenke waren die k.k. Kriegsmarine und der Hamburger Proviantlieferant Richer. Letzterer spendierte unter anderem "zwei Flaschen Champagner, eine Torte, zwei Büchsen mit Zuckerwerk, sechs Flaschen Cognac, sechs kleine Figuren aus Porzellan, Mädchen vorstellend" sowie ein Bild von ihm und das eines Christbaumes, nebst Kerzen und Zigarren. Nicht minder erlesen liest sich die weihnachtliche Speisenfolge rund um die Mannschaft von Julius Payer (1842–1915) und Carl Weyprecht (1838–1881). Sie bestand aus: "Schildkrötensuppe, Stockfisch, Häringen, Sardellen, einem ausgezeichneten, von Herrn Orel erzeugten Aepfelstrudel, frischem und gedörrtem Obste, nebst mehreren Flaschen guten Weines."

Weihnachtsgeschenk 1872 für die Polarexpedition: "feine Zigarren".
Foto: Thomas Hofmann

Jahreswechsel 1872/73 im Eismeer: "Champagner als ein Eisklumpen"

Nachdem am Stefanitag an Bord eine Tombola abgehalten wurde, wo eine silberne Uhr, eine Meerschaumpfeife und ein Meerschaumspitz als Preise zu gewinnen waren, erfolgten dann die Vorbereitungen für den Jahreswechsel. Eduard Orel, der zweite Offizier, tischte Birnenstrudel auf. Als man den Champagner holte, war er gefroren. Die Männer wussten, was zu tun war: "… derselbe wurde mit dem Messer zerbrochen und im festgefrorenem Zustande in die Gläser gefüllt; worauf Jeder bemüht war, den Wein durch die Wärme der Hände aufzuthauen." Auch der eigentliche Jahreswechsel hatte sein Zeremoniell. "Als es 12 Uhr Mitternacht schlug, standen wir von unseren Sitzen auf und begrüßten mit drei maligem Hurrah! das neue Jahr; sodann wurde bei Fackelbeleuchtung und von der Mannschaft ausgeführter, nicht besonders harmonischer Musik – um das Schiff herum ein Umzug gehalten …"

Das Monumentalgemälde "Nie zurück!"(1892) von Julius Payer befindet sich im Heeresgeschichtlichen Museum.
Foto: public domain

Wiener Erinnerungen und künstlerische Inspirationen

Von den weitgereisten Männern der Novara wurde Hochstetter nach seinem Tod 1884 in der Wiener Leopoldstadt mit der Hochstettergasse geehrt. Nach den Polarfahrern benannte man die Payergasse und die Weyprechtgasse in Wien-Ottakring. Seit 1967 trägt die Große Breitenseer Kaserne im 14. Bezirk in Wien als "Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne" den Namen des Mathematikers Georg Freiherr v. Vega (1754–1802) und der beiden Polarforscher. Auch die Nordpolstraße beim einstigen Nordwestbahnhof erinnert an diese Expedition. Verschwunden ist indes das einst am linken Donauufer befindliche Franz-Josefs-Land, ein beliebtes Vergnügungsviertel im späten 19. Jahrhundert. Literarisch ließ sich Christoph Ransmayr von der Polarexpedition zu seinem Roman "Die Schrecken des Eises und der Finsternis" (1984) inspirieren. Die Novara-Expedition griff der Wiener Künstler Herbert Starek in dem Pigmentprint "Eine Reise um die Erde" (2019) auf. (Thomas Hofmann, 23.12.2019)