Drei menschliche Zähne, 8.500 Jahre alt und fein säuberlich durchbohrt: Archäologen staunten nicht schlecht über diesen Fund in der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük im heutigen Anatolien. Denn die Art der Bearbeitung lässt nur einen Schluss zu. Diese Zähne wurden zu Schmuckstücken verarbeitet und vermutlich aufgefädelt um Hals oder Arme getragen.

Zwei der bearbeiteten Zähne aus der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatalhöyük.
Foto: University of Copenhagen

Aus europäischen Stätten sind vergleichbare Funde aus dem Jungpaläolithikum bis in die Jungsteinzeit bekannt. Doch nie zuvor sind Forscher im Nahen Osten auf vergleichbaren Schmuck aus dieser Zeit gestoßen. Die Frage ist also: Aus welchem Grund fertigte jemand ausgerechnet in Çatalhöyük, einer der ersten landwirtschaftlichen Großsiedlungen der Menschheit, diese Stücke an?

Entnahme nach dem Tod

"Der Fund legt nahe, dass die beiden Zähne von Erwachsenen stammen und vermutlich erst nach dem Tod gezogen wurden", sagte Scott Haddow von der Universität Kopenhagen, der die Entdeckung gemeinsam mit Kollegen im Fachblatt "Journal of Archaeological Science: Reports" veröffentlicht hat. Die Abnutzung der Kauflächen der Zähne zeige, dass die Individuen zwischen 30 und 50 Jahre alt waren und die Zähne nicht durch Krankheit verloren haben. "Am wahrscheinlichsten ist, dass sie post mortem vor Ort entommen wurden", so Haddow.

Nähere Analysen zeigen, dass die Zähne auf die gleiche Weise bearbeitet wurden wie Schmuckstücke aus Tierknochen und Steinen, die aus Çatalhöyük und anderen Ausgrabungsstätten in der Region in großer Zahl bekannt sind. Çatalhöyük, entstanden vor gut 9.500 Jahren, ist eine der am besten erforschten Siedlungen aus dieser Zeit. Hier lebten einst mehrere tausend Menschen in eng aneinander gereihten Häusern aus Lehmziegeln.

Präsente Tote

In vielen dieser Häuser wurden auch Tote bestattet, in einem Haus fanden sich sogar die Überreste von 60 beerdigten Menschen. Teilweise gibt es auch Hinweise auf die Bestattungsriten der Menschen von Çatalhöyük: So wurde bei manchen Toten der Schädel nachträglich entfernt, in einigen Fällen auch andere Knochen. Archäologen stießen auch auf das Skelett einer Frau, dessen Schädel durch den eines Mannes ersetzt worden war.

Menschliche Knochen waren also in der Kultur dieser Menschen sehr präsent – umso erstaunlicher findet Haddow den Fund der bearbeiteten Zähne, genauer gesagt: ihre Einzigartigkeit. "Warum wurden menschliche Zähne und Knochen nicht öfter modifiziert und als Schmuckstücke verwendet? Die Seltenheit macht es unwahrscheinlich, dass es hier nur um ästhetische Zwecke ging."

Haddow und Kollegen vermuten, dass der Zahnschmuck eine tiefer gehende rituelle oder symbolische Bedeutung hatte – vielleicht wurde damit auch ein Tabu gebrochen. Sie wollen nun versuchen, mehr über die beiden Individuen herauszufinden, von denen die Zähne stammen. Solange aber nicht mehr Hinweise in Çatalhöyük oder anderswo im Nahen Osten gefunden werden, bleibt die genaue Bedeutung der Zahnanhänger wohl unklar. (dare, 27.12.2019)