Wie halten es die Grünen mit dem Sport? Im Gastkommentar widmet sich Markus Redl, Geschäftsführer der Bergbahnenbeteiligungsgesellschaft des Landes Niederösterreich, dieser Frage.

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Abendliches Fußballspiel ohne Flutlicht, um Insekten nicht zu verwirren –
diese von den Grünen dementierte Forderung sorgte für Amüsement in Social Media.
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Die kolportierte Forderung, Flutlicht in Fußballstadien aus Insektenschutz zu verbieten, haben die Grünen dementiert. Generalsekretär Thimo Fiesel will das "Foul sportlich nehmen". Abgesehen davon spielten Sport und Bewegung in der Berichterstattung zu den Koalitionsverhandlungen von ÖVP und Grünen bisher keine prominente Rolle. Dabei eignet sich kaum eine Materie mehr dazu, um erwünschte Entwicklungen zu fördern: vom gesellschaftlichen Zusammenhalt bis zur Gesundheit.

"Mit dem Sport lassen wir uns nicht abspeisen!", soll Alexander Van der Bellen noch als Parteivorsitzender der Grünen bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP 2002 gesagt haben. Was wohl weniger einer grundsätzlichen Geringschätzung des Politikfelds als dem eher geringen Gestaltungsspielraum des zuständigen Regierungsmitglieds geschuldet war: Sport ist grundsätzlich Ländersache, und die Bundessportförderung wird nach gesetzlichem Schlüssel an den in Verbänden und Vereinen organisierten Sport verteilt.

Völlig neue Sportförderung

Eva Blimlinger führt aktuell die Verhandlungen der Grünen zum Sport. Der Abgeordneten zum Nationalrat wird es wohl nicht darum gehen, einen vierten Sportdachverband zu gründen oder möglichst viele Parteigänger in Spitzenfunktionen des Sports zu hieven. Sie fordert "eine völlig neue, vor allem geschlechtergerechte und entparteipolitisierte Sportförderung" sowie "das Ende des Funktionärspatriarchats". Weitere Anliegen der Grünen liegen auf der Hand: Da wäre einmal die radfahrfreundliche Gesellschaft – oder breiter gefasst, Alltagsmobilität möglichst ökologisch zu gestalten. Grundsätzlich gilt: Je mehr in Österreich zu Fuß gegangen und Rad gefahren wird, desto besser für die Volksgesundheit.

Überhaupt geht es politisch um die Gestaltung von Lebensräumen, die zu regelmäßiger und freudvoller Bewegung inspirieren und diese auch immer wieder zwischendurch im alltäglichen Leben ermöglichen. Die öffentliche Hand hat diesbezüglich vom Kindergarten bis zum Seniorenheim viel Gestaltungsspielraum. Der spezifische Schulunterricht in "Sport und Bewegung" ist wichtig und richtig, kann aber selbst bei täglicher Durchführung einen generellen Bewegungsmangel nicht kompensieren. Die Möglichkeit, sich fortgesetzt und spielerisch zu bewegen, jedenfalls nicht stundenlang stillzusitzen, sollte längst Paradigma für die Gestaltung von Schul- und Bürobauten sein.

Unkonventionelle Sportstätten

Die Öffnung von Sportinfrastruktur, insbesondere im Bereich der Schulen, ist eine alte Forderung grüner Sportpolitik wie auch des organisierten Sports. Bedeutung haben aber auch weniger konventionelle Sportstätten: von Motorikparks, also vielseitigen Bewegungsstationen, bis hin zu Mountainbikestrecken. Das heimische Angebot an größeren und kleineren Skigebieten samt Langlaufloipen dient vielfach der Naherholung und ist aus klimapolitischer Sicht vielen anderen Urlaubsarten vorzuziehen.

Apropos Erholung: Es ist unbestritten, dass die grassierende Adipositas nicht über eine Ernährungsumstellung allein in den Griff zu bekommen ist. Bei Gesundheit und Wohlbefinden geht es immer um die gesamten Lebensumstände – um Bewegung und Schlaf, um Spannung und Entspannung. Die nicht nur bei Kindern allgegenwärtige Belustigung durch digitale Endgeräte ist derzeit wohl in vielen Familien ein absolutes Reizthema. Die Antwort wird kein kategorisches Verbot sein können, sondern eine Mischung aus attraktiven Alternativen zur starren Spielerei am Handy oder Tablet sowie der bewussten Nutzung dieser Geräte für Sport und Bewegung. Dazu wiederum müssen von Musik über Tanz bis zur Streetart die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Grüne Sportpolitik

Jugendkultur ist nicht gerade das Metier etablierter Sportorganisationen. Genau aus diesem Grund hat das Internationale Olympische Komitee Klettern, Skateboard und Surfen in das olympische Programm aufgenommen. Interessanterweise stehen diese Sportarten und Disziplinen für eine kooperative Kultur, gelernt wird von- und miteinander. Es geht um den Flow, das Gegenteil von verkrampftem Leistungszwang und der nicht nur im Spitzensport weitverbreiteten Mentalität, den Erfolg über alles, und sei es die eigene Gesundheit, zu stellen. Damit sollte sich grüne Sportpolitik gut identifizieren können. Auch wenn es um Geschlechtergerechtigkeit, Fragen der Körperlichkeit und Sexualität oder der Integration geht, kann Sport nicht nur Spiegel der Gesellschaft sein, sondern eine besondere Symbolkraft entfalten.

Blimlinger ist das politische Potenzial des Sports nicht unbekannt: Ihr Großvater, der spätere Justizminister Josef Gerö, gründete bereits als Gymnasiast den Fußballverein FC Libertas Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Gerö Präsident des Österreichischen Olympischen Comités und des Österreichischen Fußball-Bundes, quasi inoffiziell auch Sportminister. Sein Sohn Heinz, Eva Blimlingers Onkel, war wiederum Hockey- und Fußballpräsident. Bruder Thomas Blimlinger, Jahre später der erste grüne Bezirksvorsteher in Wien, war bevorzugt mit seinem Dienstfahrrad unterwegs. Er ist wie schon sein Großvater Rapid-Anhänger, also alles im grünen Bereich. (Markus Redl, 16.12.2019)