Die erste Übung ist gelungen. Im Großen und Ganzen haben sich ÖVP und Grüne an ihre Vereinbarung gehalten und nicht jede Wendung der Koalitionsverhandlungen verlautbart. Einen Spaltbreit hat Sebastian Kurz die Tür nun aufgemacht und einige wesentliche Aspekte eines Koalitionsdeals aus seiner Sicht skizziert. So pochte der Kanzler in spe auf die Beibehaltung des Nulldefizits und eine Steuerentlastung. Im Abkommen, auch das merkte er an, müsse zudem die Forderung der Grünen nach Klimaschutz berücksichtigt sein.

An der Steuer- und Budgetpolitik, in die alle drei Themen hineinspielen, lässt sich gut zeigen, an welchem Maßstab ein künftiges türkis-grünes Koalitionsabkommen gemessen werden muss. Die spannende Frage wird sein, inwieweit ÖVP und Grüne bereit sind, die Forderungen von Experten umzusetzen – denn es gibt eine Reihe von Reformvorschlägen, die fast alle Ökonomen für essenziell halten.

Der CO2-Austausch muss teurer werden, soll sich das Verhalten von Menschen ändern.
Foto: imago/Christian Ohde

Die erste Aufgabe ist, die Arbeitskosten zu senken. Dabei geht es weniger um die Lohnsteuer. Ein Drittel der Arbeitnehmer zahlt keine, weil das Einkommen zu niedrig und daher steuerbefreit ist. Umso mehr wirken sich hier Sozialabgaben aus. Gibt ein Arbeitgeber 100 Euro für einen Angestellten aus, bleiben dem Dienstnehmer im Schnitt 52,6 Euro; der Rest sind Steuern und Sozialabgaben. Es gibt nur vier Industrieländer, in denen Arbeitnehmern weniger bleibt.

Die Sozialabgaben zu senken, etwa in Form von Steuergutschriften, würde die Sozialversicherungen nicht belasten. Das könnte ein Turbo für Beschäftigung sein: Wenn Menschen netto mehr bleibt, kann das ein zusätzlicher Anreiz sein, sich einen Job zu suchen. Unternehmen bliebe mehr Spielraum, um Arbeitnehmer anzustellen.

Ein Faktum ist – wie die Industriestaatenorganisation OECD regelmäßig festhält –, dass Österreich bei Vermögenssteuern Luft nach oben hat. Kaum ein Land besteuert Vermögen so gering. Ob die Erbschaftssteuer kommt oder eine andere, politisch weniger belastete Maßnahme, ist sekundär.

Steuerprivilegien für Diesel müssen fallen

Beim Klimaschutz liegen die Fakten ebenso auf dem Tisch. Allein mehr Geld für den öffentlichen Verkehr wird nicht reichen. Der CO2-Austausch muss teurer werden, wenn sich das Verhalten der Menschen ändern soll. Steuerprivilegien, etwa für Diesel, müssen fallen. Die Pendlerpauschale muss so umgestaltet werden, dass jene mehr Geld bekommen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um in die Arbeit zu kommen, und nicht jene, die Auto fahren. Aktuell ist es umgekehrt.

Was das Nulldefizit betrifft, sind sich Ökonomen einig, dass die Politik der vergangenen Jahre, in der die Schuldenquote reduziert wurde, fortgesetzt werden muss. Ein Nulldefizit ist dafür nicht nötig – es gibt volkswirtschaftlich kein Argument dafür.

Die Aufzählung von Kurz macht deutlich, dass sich beide Parteien bewegen müssen, wenn sie den Expertenforderungen nachkommen wollen – vor allem jedoch die ÖVP. Sie ist es, die bei Vermögenssteuern mit fadenscheinigen Argumenten blockiert, eine CO2-Steuer ablehnt und dem Nulldefizit anhängt. Die Grünen waren zuletzt übervorsichtig bei Klimasteuern, wollten niemandem wehtun. Angesichts der budgetären Realitäten werden sie akzeptieren müssen, dass es Mehrausgaben für Klimaschutz nur dosiert geben wird. Bei der Entlastung von Arbeit ist man sich einig, Geld dafür ist da. Dieser Punkt allein wird für ein gutes Ergebnis aber nicht reichen. (András Szigetvari, 17.12.2019)