Was macht ein Wunderheiler, wenn er krank wird? Wir nehmen an: Er fährt zum Heilerkollegen ins Nachbardorf. Sofern der Wunderheiler im Nachbardorf ihm das Wasser reichen kann in Sachen Wunderheilkunst. Blöd ist das für die Superstars unter den Wunderheilern, denen kaum jemand das Wasser reichen kann. Und der Brasilianer João De Deus ist – oder besser: war – ein Superstar in der Branche. De Deus heilte in guten Zeiten schon mal um die Tausend Menschen am Tag, en passant im wahrsten Sinne des Wortes, von kleinen Unpässlichkeiten bis zu Krebs in fortgeschrittenem Stadium.

Als de Deus vor einigen Jahren an Magenkrebs erkrankte, ließ er sich von der kalten Apparate- und Schulmedizin behandeln, samt Operation und Chemotherapie. Groß an die Glocke gehängt haben das de Deus und seine Marketingabteilung nicht. Wir verstehen das. Einer, der Patienten einen Tumor im Kopf schon mal im Vorübergehen aus der Nase zieht, der wird sich nicht von irgendeinem windigen Schamanen hinter dem nächsten Hügel behandeln lassen. Der geht dann doch lieber in die noble Privatklinik.

SPIEGEL TV

Ein ganzes Städtchen lebt vom faulen Zauber

Das brasilianische Städtchen Abadiânia mit 15.000 Einwohnern lebt seit Jahrzehnten ganz gut von seinem mittlerweile 77-jährigem Bürger João Teixeira da Faria, wie der göttliche de Deus mit bürgerlichem Namen heißt. Und de Deus lebte ganz gut von den Kranken und Gläubigen, die aus allen Teilen der Welt zu ihm aufbrachen, sich in den Hotels des Städtchens einquartieren und in langen Schlangen in seinem Heileranwesen Casa de Dom Inácio geduldig im weißen Gewand warten, ehe ihnen der Messias der Heilkunde ein paar Sekunden seiner Aufmerksamkeit schenkte. In der Regel kritzelte der Heiler dem vorsprechenden Kranken ein Rezept auf einen Zettel, mit dem der Kranke in der hauseigenen "Apotheke" Essenzen – vorwiegend aus Passionsblumen – beziehen konnte. Millionen Menschen sollen im Laufe der Zeit von de Deus "behandelt" worden sein und haben danach brav in der Apotheke eingekauft.

Der Beuschel-Trick der Wunderheiler 

"Operationen" coram publicam und vor mitlaufenden Kameras gab es in Ausnahmefällen, de Deus stocherte dabei mit Messern und Scheren in der Nase der Patienten herum und fischt scheinbar den einen oder anderen Batzen krankes Gewebe oder Tumor hervor. Was der eine als Wunder deutet, gilt dem anderen als billiger Beuschel-Trick, den allerlei Wunderheiler entlang des Äquators mehr oder weniger beherrschen und bei dem allerlei Kunstblut, Hühnerfleisch und Rindfleisch-Flachsen aus dem Ärmel geschüttelt werden.

De Deus war ein Heiler, dem man die Türe eingerannt hat, den man verehrt und vergöttert hat. Aber wenn er übermütig wird, geht nicht nur der Esel, sondern auch der Guru aufs Eis tanzen. Hie und da bat de Deus Frauen zu detaillierterer Behandlung ins Hinterzimmer, und wer wagt es da zu widersprechen, wenn der Heiler mit ziemlich direktem Draht zu Gott die Tür zu schließen bittet, aus gutem Grund.

Auserwählte, meist junge Frauen wurde misshandelt 

Er benannte die zumeist jungen Frauen als "Auserwählte", seine "Behandlung" als eine "Kur zur Reinigung". Im Vorjahr erzählte eine Niederländerin in einer brasilianischen TV-Sendung von den Einzelsitzungen. De Deus habe sie im Hinterzimmer zu Oralsex gezwungen. Mehr als 300 Frauen meldeten sich in der Folge mit ähnlichen Erlebnissen. Vor rund einem Jahr wurde de Deus verhaftet, kurz zuvor hatte er Erspartes in der Höhe von rund acht Millionen Euro abgehoben. Die Apotheke mit den Essenzen aus der Passionsblume hat ganz schön was abgeworfen.  

De Deus in seinem Domizil.
Foto:AP/Marcelo Camargo

Ein 50-seitiges Paper weist Besucher auf die zum Teil recht seltsamen Bräuche in der brasilianischen Heilerfarm hin. Unter anderem wird während des Aufenthalts von den Touristen sexuelle Enthaltsamkeit gefordert: „Die sexuelle Energie kann sehr stark sein und sie kann einige der subtilen Energieströme, die nach einem spirituellen Eingriff am Werk sind, sehr negativ beeinflussen.“

Esoterik-Reiseveranstalter halten de Deus die Stange

Auch während de Deus im Schmalz verweilt, brummt die Pilgerstätte. Der Österreicher Franz Schleindlhuber bietet vor Ort Zimmer und Orientierung für den Aufenthalt an. In einem E-Mail lässt er auf Anfrage wissen: "João ist noch in Haft, aber die Casa dom Inacio ist offen (...) Die Energie ist sehr hoch und es kommt natürlich auf jeden selber drauf an, und wenn man seinen Teil macht, wird Heilung passieren!"

Das deutsche Unternehmen Earth-Oasis frohlockt, dass trotz der vorübergehenden Abwesenheit des gefallenen Heilers "die Casa de Dom Inacio jedoch wie immer geöffnet ist und die Wesenheiten behandeln kraftvoller denn je." Außerdem besuche man den einen oder anderen Heiler in der Nachbarschaft, der die Lücke der Heilkunst selbstlos zu schließen bereit ist.

Bei den Anschuldigungen hunderter Frauen gegen den brasilianischen Superstar sehen die Esoterik-Reise Anbieter mitunter eine Verschwörung: "Das Traurige dabei ist, dass das, was jetzt geschieht, all jene Kräfte mit Freude erfüllt, denen Geistige Heilung ohnehin ein Dorn im Auge ist." Dem Meister und den mutmaßlich misshandelten Frauen spricht die Earth-Oasis Gmbh in einem Atemzug Mut zu: "Möge die Geistige Welt Joao de Deus und all diesen Frauen, die jetzt ihre Stimme erheben mit Licht und Liebe zur Seite stehen." Wir fassen zusammen: Für Frauen gibt es derzeit die Möglichkeit, die wunderbare Heilstätte zu besuchen, ohne einem notgeilen alten Mann ans Gemächt greifen zu müssen, so richtig überzeugen tut uns der Guru de Deus aber nicht. (Christian Kreil, 20.12.2019)

Leuchtende Augen-Faktor: ★☆☆☆☆

Schwiegermutter-Geschenk Tauglichkeits Faktor: ☆☆☆☆☆

Umtauschgefahr-Faktor: ★★★☆☆