derStandard.at/Etat schaut in das Medienjahr 2020 und bat rund 300 Medieneigentümer und -manager, Chefredakteure, Journalisten, Interessenvertreter, Medienpolitiker und Medienwissenschafter um ihre Erwartungen.

Illustration: Armin Karner

Die Wunschliste ist rasch geschrieben: Medien nach Qualitätskriterien fördern und digitale Innovationen, zugleich öffentliche Inserate beschränken. Steueranreize für österreichische Produktionen und spürbare Steuern auf Social-Media-Werbung. Österreichische Player sollen enger zusammenarbeiten gegen internationale Tech-Giganten. Mehr Streaming-Möglichkeiten für einen öffentlich-rechtlicheren, klarer positionierten ORF.

Gut 300 Medienmanagerinnen, Mediaexperten und Journalisten, Medienpolitikerinnen und Interessenvertreter hat DER STANDARD zur Etat-Medienprognose 2020 eingeladen. Zwei offene Fragen: Was kommt, und was sollte passieren? Dazu eine Liste möglicher Entwicklungen 2020 für die Freunde der Multiple-Choice-Klicks von der Zukunft der GIS über ein Informationsfreiheitsgesetz bis zur Frage, ob die Dichands oder doch Dichands und Neo-Investor René Benko gleichermaßen das Sagen bei der Krone haben werden.

Die meistgeklickten Erwartungen finden Sie hier und unten in der Grafik – Onlinebeschränkungen für den ORF würden 2020 fallen, die GIS den ORF weiterhin großteils finanzieren und die 15 größten Medienhäuser Österreichs von ORF, Red Bull Media House, Mediaprint, Styria bis Heute werde es auch Ende 2020 mit heutigen Eigentümern geben.

Grafik: DER STANDARD

Zeilers Rat für den ORF

79 der befragten Auskennerinnen und Experten haben geantwortet. Manche anonym – diese Möglichkeit bietet die Umfrage, um klare Worte noch ein bisschen zu erleichtern. Einige haben ihren Namen hinterlassen mit dem Einverständnis, sie wörtlich zu zitieren.

Gerhard Zeiler, Boss der US-Fernsehgruppe Warner Media und zuvor von RTL und ORF, hat einen sehr grundlegenden Wunsch an die nächste Regierung: Sie möge ein "medienpolitisches Gesamtkonzept" diskutieren, vor allem aber gesetzlich umsetzen. Österreichs größtem Medienkonzern wünscht Zeiler: "Der ORF sollte ORF 1 und ORF 2 25 Jahre nach der letzten Grundsatzreform neu positionieren und sich auf den ORF-Player fokussieren." Vor 25 Jahren reformierte sie Zeiler als ORF-Chef.

ORF-Chef Alexander Wrabetz wünscht sich weniger grundlegend "ein Digitalisierungspaket, das dem ORF eine umfassende Playerstrategie ermöglicht, Förderung digitaler kommerzieller Medien ausbaut und gemeinsame Onlinevermarktung von ORF und privaten Angeboten sicherstellt".

Corinna Drumm (Privatsenderverband) will einen öffentlich-rechtlicheren ORF statt eines "halbkommerziellen Zwitterwesens". Und sie erwartet mehr Regulierung der großen Onlineplattformen wie Google, Facebook und Amazon. Angelika Simma-Wallinger (FH Vorarlberg) rechnet mit einer breiteren Debatte über die Kontrolle sozialer Netzwerke, sie sieht für Facebook ziemlich schwarz.

Qualität fördern

Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, fasst häufige Wünsche an die Medienpolitik pointiert zusammen:

  • "Neues ORF-Gesetz vermisst das digitale Spielfeld neu: keine textbasierte Nachrichten-Website, ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung, dafür die Lockerung und Beseitigung unsinniger Restriktionen beim Ausspielen ausgestrahlter Inhalte."
  • "Neue Medienförderung, gekoppelt an qualitative Kriterien."
  • "Überwindung der stillen Komplizenschaft von öffentlicher Hand und Wiener Boulevard: Werbemillionen im Abtausch mit journalistischem Wohlverhalten."
  • "Beseitigung des Amtsgeheimnisses, Informationsfreiheitsgesetz."

Alexandra Wachter (Puls 4) und Julia Herrnböck (Dossier) drängen wie viele andere auf qualitative und qualitätsfördernde Kriterien für Mediensubventionen.

Michael Göls (Havas) sieht das Bewusstsein langsam steigen, dass "man in österreichische Medien investieren muss" – so man sie weiter haben möchte.

Herrnböck erwartet – Prognose, nicht Wunsch – 2020 zudem mehr Paywalls bei Tages- und Wochenzeitungen, Fusion oder Einstellung im Magazinmarkt und weniger Live-Sendezeit beim einen oder anderen Nachrichtensender.

Vielleicht passt dazu die Erwartung von Erwin Hameseder, Eigentümervertreter von Raiffeisen bei Kurier/Mediaprint: "Die Herausforderung besteht darin, als Medienunternehmen wirtschaftlich zu denken, ohne die Informationspflicht gegenüber der breiten Masse zu vernachlässigen."

Kein Geld

Josef Trappel leitet die Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg und setzt in 2020 keine großen Erwartungen: "Für die Medienpolitik wird es wohl ein Übergangsjahr. Wie immer die neue Regierung zusammengesetzt ist, Medienpolitik wird – wie üblich – nicht ganz oben auf der Aktivitätenliste stehen. Daher ist 2020 noch nicht mit radikalen politischen Veränderungen zu rechnen."

Terence Lennox, legendäre Etat-Posting-Identität, genutzt etwa von Fotograf, Autor und Medienmacher Manfred Klimek, formuliert seinen Wunsch an Medien und Medienpolitik noch abgeklärter: "Alles, was wünschenswert wäre, kann und wird nicht geschehen, weil kein Geld da ist. Leider."

Joachim Krügel (Media 1) hat einen sehr grundlegenden Wunsch an die Medienbranche: "Unabhängigkeit." (Harald Fidler, 18.12.2019)