Es heißt Teelichte! Nicht Teelichter! Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, scheint rätselhaft. Mehr noch beim Anblick der Hunderten von Kerzen, die im Eingangsbereich des Wiener Stephansdoms friedlich vor sich hin flackern. Pro Jahr werden hier von 6,2 Millionen Besuchern fast eine Million dieser Lichtlein angezündet. Das macht nach Adam Riese ungefähr 2.700 Stück pro Tag.

Multipliziert man diese Zahl mit dem Preis pro Kerze, also 85 Cent, springen für die Domkasse täglich mehr als 2.000 Euro dabei raus. Freilich nimmt es nicht jeder Kirchenbesucher so ganz genau mit den Cents. Den Hauptschwund erklärt Dompfarrer Toni Faber mit dem Umstand, dass manche Menschen für eine Kerze bezahlen, aber mehrere anzünden würden. Er sagt das aber, ohne den Zeigefinger zu erheben. Das Geld fließt so wie andere Einnahmen aus dem Kirchenmeisteramt in den Betriebsdienst, Materialaufwand und die Bezahlung von 40 Angestellten, vom Putzdienst über das Verkaufspersonal bis zu den Aufsehern.

85 Cent kostet das Entzünden einer Kerze im Wiener Stephansdom.
Foto: Michael Hausenblas

Heimische Ware

Doch auch die Umwelt spielt in Sachen Erleuchtung eine Rolle: Dem Designklassiker namens Teelicht – seinen Namen verdankt es seiner Aufgabe als Warmhalter von Teekannen auf einem Stövchen – scheint es im Dom langsam an den metallenen Kragen zu gehen. Eingekauft wird übrigens nicht bei Ikea, sondern bei einem heimischen Hersteller. Das Aluminium wird, sobald das Teelicht ausgeraucht ist, beim Erzeuger in Form neuer Teelichtbehältnisse recycelt.

Das Volumen entspricht pro Jahr dem Aluminiumaufwand für einen Mittelklassewagen. Ein weiterer Negativaspekt des Dauerbrenners Teelicht ist die Tatsache, dass sich übereinandergestapelte Aluminiumbehältnisse entzünden könnten. Diese Gefahr besteht vor allem in der Vorweihnachtszeit, wenn manchmal einfach kein Platz für neue Kerzen auf den Gestellen ist.

2.700 Kerzen werden im Durchschnitt jeden Tag im Stephansdom entzündet.
Foto: Michael Hausenblas

Die Verantwortlichen überlegen derzeit, auf ein anderes Kerzenmodell umzusteigen, das der Umwelt, der Kirche und ihren Kunstschätzen weniger zusetzt. Faber spricht von sogenannten Kilianslichtern, bei denen lediglich eine vierfach raffinierte Paraffinkerze in einen gleichbleibenden Glasbehälter gegeben wird, in dem diese ruß- und rückstandsfrei vor sich hin brennen kann.

Das System werde derzeit erprobt, erzählt Dompfarrer Toni Faber, der auch glaubt, dass die Zahlungsmoral angesichts eines Gegenübers in Form eines Heiligenbilds verbessert werden könnte. Psychologisch ist das natürlich nachvollziehbar, schließlich fühlt man sich von der Heiligen Maria mehr beobachtet als bei der Entzündung eines freistehenden Teelichtgestells irgendwo im Kirchenraum.

"Zutiefst persönlich"

Wie es der Dompfarrer selbst mit den Lichtlein hält? "So ein Lichtlein anzuzünden ist etwas zutiefst Persönliches. Das tut man nicht nur für sich allein. Durch die Entzündung kommt man in die Sphäre des Himmlischen. Man setzt ein Zeichen für jemand anderen, für ein Anliegen, das unabhängig von mir in Gang gesetzt wird. Nehmen Sie nur zwei Verliebte her. Zünden die sich eine Kerze an, verzaubert es die beiden noch mehr", sagt der Kirchenmann, der in Sachen Teelicht von einer Tradition spricht, die von Generation zu Generation abgeschaut wird. Auch er werde immer wieder von Leuten gebeten, für jemanden ein Kerzlein anzuzünden.

Bleibt zum Schluss noch immer die Frage nach dem Plural von Teelicht. In den weiten Maschen des Internets wird auch darüber gegrübelt. Manche sprechen von elektromagnetischen Wellen, Lichtquellen und leuchtenden Objekten und leiten aus diesen Unterschieden die unterschiedlichen Pluralformen ab. Die simpelste Erklärung lautet wohl: "Der Plural von Teelicht ist Teelichter oder Teelichte. Die Form 'Lichte' kam im 17. Jahrhundert vor allem für Kerzen auf und hat sich beim Teelicht noch bis heute gehalten." Warum das nur bei dem kleinen Rundling so blieb, ist freilich wieder eine andere Frage. Er ist halt einfach etwas Besonderes. (maik, 26.12. 2019)