Die portugiesische Gemeinde Cabeça spielt "Weihnachtsdorf": mit einer lebendigen Krippe, einfachen Verkaufsständen und Workshops fürs Brotbacken oder Basteln.

Foto: Pedro Ribeiro

Seit sechs Jahren besinnt man sich hier auf ein authentisches Fest zurück, ein bisschen so, wie es einst war – unspektakulär, ruhig, schlicht.

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Eingänge sind von gebundenem Kiefergrün gerahmt, die Türen schmücken Sterne aus Weiden oder Kränze aus Blättern, in denen rote Bänder aus Leinen drapiert sind.

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Cabeça gehört wie 40 andere Dörfer zu einem Projekt, das gegen die Entvölkerung der Bergregionen ankämpft.

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Die gesamte Dekoration in dem Dorf besteht aus Materialien, die die Cabeçeiros im Wald sammeln oder selbst herstellen.

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2011 ist man als erstes Dorf in Portugal auf LED-Beleuchtung umgestiegen.

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Wenn das Abendrot verblasst, leuchten die Sterne hell über den Dächern von Cabeça. Das kleine Dorf liegt hoch oben in der Serra de Estrela, dem "Sternengebirge", wo der Himmel nah und die Modernität fern ist. Nicht so fern, als dass weltbewegende Themen wie Umweltschutz es nicht erreichen könnten. Gerade zu Weihnachten wünschen sich die Bewohner den Frieden mit der Natur, ohne den üblichen Kitsch, Kommerz und Firlefanz. Seit sechs Jahren besinnen sie sich auf ein authentisches Fest zurück, ein bisschen so, wie es einst war – unspektakulär, ruhig, schlicht.

"Aldeia Natal" steht auf dem Ortseingangsschild: "Weihnachtsdorf". Von fern strahlt die Pfarrkirche Divina Pastora, die Schutzpatronin der Schäfer, im Glanz von Lichterketten. In den verwinkelten Gassen mischt sich das himmlische Sternfunkeln mit dem Schein der LED-Lampen. Ein warmes, besinnliches Licht, wie es zu dieser Zeit passt. Die 160 Cabeçeiros mögen in einfachen Schieferhäusern leben, 2011 stiegen sie jedoch als erstes Dorf in Portugal auf LED-Beleuchtung um. Man geht unter Kiefergirlanden durch, an denen flauschige Kugeln baumeln, gemacht aus der Wolle der heimischen Bordaleira-Schafe. Eingänge sind von gebundenem Kiefergrün gerahmt, die Türen schmücken Sterne aus Weiden oder Kränze aus Blättern, in denen rote Bänder aus Leinen drapiert sind. Davor stehen Holzstühle, damit jedermann Platz nehmen kann.

Überliefertes Ökodesign

Die gesamte Dekoration in dem Dorf besteht aus Materialien, die die Cabeçeiros im Wald sammeln oder selbst herstellen. "Bei uns ist nichts aus Plastik", sagt Fernanda Silva stolz. Das Ökodesign erinnert sie an den Festschmuck aus Kindertagen. Wie viele im Dorf hat die 61-Jährige einen Kreativkurs belegt und eben einen Stern aus Maiskolben vollendet. Maria dos Anjos Lajes windet Stroh und Moos für Krippenfiguren. Der Typ im roten Mantel wäre dagegen nirgendwo im Ort anzutreffen, witzelt die 65-Jährige. Immerhin sei sie katholisch und verehre das Jesuskind.

In der Backofenstraße Rua do Forno holen Arlete und Adelina Galvão "Broa" aus dem Holzofen, das regionale Maisbrot, das sie mit Stockfisch oder Speck gefüllt haben. Arlete Galvão klopft gegen den Boden, um zu hören, ob es gut ist. "Mit Herz gebacken", sagt sie und gibt die dampfenden Laibe für vier Euro ab. Im Gemeinschaftshaus bereitet Luisa Dias das typische Weihnachtsessen zu: Lagarada, einen sättigenden Eintopf aus Stockfisch, Süßkartoffeln und Couve Português, der wie Grünkohl schmeckt.

Gegenentwurf

Kein Plastik, kein Fastfood, kein Weihnachtsmann – und keine Parkplätze. "Für manche sind das Ausschlusskriterien", sagt Dias selbstbewusst. Im vergangenen Jahr zählte Cabeça trotzdem 15.000 Besucher, die einen Gegenentwurf zum schrillen Christmas erleben wollen. Beworben wurde das portugiesische Weihnachtsdorf nie, das Internet hat es bekanntgemacht.

"Wir überlegten, was wir für unser Dorf tun können, damit es lebenswert bleibt", sagt Dorfvorsteher Nuno Silva, der zu den wenigen Jungen im Dorf zählt. Es gab einen Gemeinschaftsbeschluss, alle machten mit. "Wir wollen der Welt zeigen, dass hier noch Menschen leben", sagt der Vierzigjährige. Er arbeitet als Buchhalter in der 25 Kilometer entfernten Kreisstadt Seia. Zu Hause seien er und seine Frau Regina aber hier, in Cabeça. Ihr jüngstes Kind Valentin ist gerade geboren worden. Ein Zeichen der Hoffnung.

Zehn Tage Vorfreude

Cabeça gehört wie 40 andere Dörfer zu einem Projekt, das gegen die Entvölkerung der Bergregionen ankämpft. "Wir haben kein Geld, aber guten Willen und viele helfende Hände", sagt Célia Gonçalves, die Leiterin der Gesellschaft zur Entwicklung der Bergdörfer mit Sitz in Seia. Die Europäische Union unterstützt dies mit 300.000 Euro, Cabeça erhielt 5.000 Euro. "Das deckt die Benzinkosten", relativiert sie. Es sei in erster Linie ein Selbsthilfeprojekt, das für Zusammenhalt sorge. "Ziel ist die Verbesserung des Individualtourismus", erklärt Gonçalves. Ein paar Quartiere sind inzwischen entstanden sowie markierte Wanderwege. Österreicher waren auch schon da.

In Cabeça hat die Vorfreude aufs Fest schon zehn Tage vor Heiligabend begonnen. Dann öffnen die Bewohner ihre Unterstände und Verschläge: Die einen bieten frisch gepresstes Olivenöl oder Bergkäse an, andere traditionelle Wollponchos, Stiefel oder Schirme aus Blattlaub. Wegen ihrer atmosphärischen Schieferhäuser ist die Rua da Liberdade bei den Besuchern die beliebteste. Auch sie ist weihnachtlich schön hergerichtet, obwohl in der "Straße der Freiheit" kaum noch ein Mensch wohnt.

Lebendige Krippe

"Unsere Nachbarn sind ins Ausland gegangen oder an die Küste gezogen", sagt Maria do Céu, die so wie ihre Nachbarsfamilie gegen den Trend ausharrt. Ob die Freiheit woanders liege, mag sie nicht beurteilen. Sie wolle aber bleiben, betont sie. Schließlich passiere etwas in ihrem Dorf. Neue Bewohner ziehen zu. Es gibt Kaufinteressenten für leerstehende Häuser.

Doch nun wolle sie zur Abendmesse, sagt do Céu. Und zum Kirchplatz, wo die zehn Dorfkinder als Maria und Josef, Hirten und Könige verkleidet sind und die lebendige Krippe spielen. Warm eingepackt liegt im Stroh der kleine Valentin. Und irgendwie kommt es einem so vor, als wäre die kleinste Welt die größte. (Beate Schümann, 22.12.2019)