Susanne Reindl-Krauskopf, Vorsitzende der Untersuchungskommission, präsentierte am Dienstag den Abschlussbericht zur Aufklärung und Evaluierung der Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper.

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Eigentlich hätte es für die Wiener Staatsoper ein triumphales Jubiläumsjahr werden sollen. 2019 feierte das weltberühmte Haus sein 150-jähriges Bestehen, doch Eingang in die internationalen Medien fanden ganz andere Berichte: Im April wurdebekannt, dass an der Wiener Ballettakademie, der Kaderschmiede des Staatsopernballetts, unhaltbare Missstände herrschen sollen.

Von Drill, körperlichen Misshandlungen, psychischem Druck, struktureller Begünstigung von Magersucht sowie mangelnder medizinischer Betreuung der Schülerinnen und Schüler, meist im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, war die Rede.

Um mediale Schadensbegrenzung bemüht, reagierte die Staatsoper, setzte interne Untersuchungen und erste Verbesserungsmaßnahmen um, zog allerdings keine personellen Konsequenzen. Simona Noja, Ex-Primaballerina der Staatsoper, leitet bis heute die an ein Gymnasium angeschlossene Akademie, Staatsopernballett-Leiter Manuel Legris sowie Operndirektor Dominique Meyer verlassen das Haus 2020 planmäßig und brechen zu neuen Ufern auf.

Hinweise von 43 Personen

Tätig wurde die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt bis heute, ob die von Betroffenen geschilderten Lehrmethoden strafrechtlich relevante Grenzen (etwa Körperverletzung) überschritten haben. Einer Lehrerin aus Russland, gegen die sich zentrale Vorwürfe richten, wurde schon im Jänner gekündigt, gegen zwei weitere Lehrkräfte wird ebenfalls ermittelt.

Parallel dazu nahm eine von Ex-Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) eingesetzte Sonderkommission zur Untersuchung der Missstände ihre Arbeit auf. Das Gremium, dessen Leitung zunächst Brigitte Bierlein oblag, ehe diese die Funktion wegen des von ihr angetretenen Bundeskanzleramts an die Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf abgab, legte nun seinen Abschlussbericht vor.

Da man weder eine Behörde noch Staatsanwaltschaft sei, ging man auf möglicherweise strafrechtlich Relevantes nicht konkret ein – so werden im Bericht etwa keinerlei Namen genannt – grosso modo bestätigte die Kommission aber alle bekannten Vorwürfe hinsichtlich ihrer strukturellen Dimension.

In 16 Sitzungen seit April habe man insgesamt 24 Personen befragt, berichtete Kommissionsleiterin Reindl-Krauskopf. Bei einer Clearingstelle hätten sich 43 Personen gemeldet, 20 davon habe man an Psychologen und andere Hilfsstellen weitervermittelt. Die bekrittelten Missstände illustrierte Reindl-Krauskopf noch einmal mit einem haarsträubenden Detail: "Kinder wurden mit Vornamen und Konfektionsgröße gerufen", geraten habe man ihnen: "Fangt doch zu rauchen an, dann habt ihr weniger Hunger!".

Zweifel an Reformbemühungen

Dass die Staatsoper Reformbemühungen unternimmt, wolle man zwar anerkennen, Zweifel habe man dennoch: "Vielmehr scheint es der Ballettakademie ein Anliegen zu sein, im Blick der Öffentlichkeit möglichst aktiv zu wirken", wobei "ein Gesamtkonzept noch nicht ersichtlich" sei. Verwundert zeigte sich die Kommission etwa darüber, dass die angeregte Stelle einer Kinderschutzbeauftragten an der Akademie nicht extern, sondern mit einer früheren Betreuerin besetzt wurde, die der Direktorin unterstehe.

Die Kommission regt überdies an, dass es eine neue, "innovative Leitung der Ballettakademie" brauche, "die sich nicht scheut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen". In Simona Noja dürfte die Kommission diesbezüglich wenig Hoffnungen setzen.

Das duale Ausbildungssystem mit einem Gymnasium befürwortet die Kommission, allerdings gebe es vor allem bei den zahlreichen im Internat untergebrachten ausländischen Ballettschülern große Probleme: Von den Eltern häufig im Stich gelassen, seien diese oft nur unzureichend krankenversichert. Hier müssten Eltern und die Institutionen tätig werden. In die Pflicht nimmt Reindl-Krauskopf auch künftige Kultur- wie Bildungsminister, von denen sie sich mehr Geld erwartet. Dass sich in der Staatsoper ab 2020 mit Bogdan Roščić ein neuer Direktor der Sache annehmen müssen wird, sieht die Kommission als willkommene Chance. Die Causa Ballett ist noch lange nicht abgeschlossen. (Stefan Weiss, 17.12.2019)