Eine Umsatzsteigerung von bis zu 23 Prozent sei laut Forschern möglich, wenn Düfte wie etwa jene von Orangen und Zimt in Kaufhäusern optimal eingesetzt werden.

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Um mit dem Online-Handel zu konkurrieren, wollen Kaufhäuser ein angenehmes Erlebnis bieten – dabei dürfen auch Gerüche nicht fehlen.

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Lametta, Tannenzweige, "Jingle Bells" und ein Geruch von Zimt und Vanille – vor den Feiertagen am Jahresende ziehen die Geschäfte alle Register, um ein festliches Einkaufserlebnis zu bieten. Der Erfolg der Onlineplattformen setzt den stationären Handel unter Druck, Erlebnisse zu bieten, mit denen das Internet nicht mithalten kann. Dazu gehört, alle Sinne in einer angenehmen Weise anzusprechen. Nur hier kann man den Kunden ganz in eine weihnachtliche Zauberwelt entführen, in der er sich wohlfühlt – und zum Geldausgeben animiert wird.

Jeder, der von einem bestimmten Geruch plötzlich in die Kindheit versetzt wurde oder sich an ein besonderes Erlebnis erinnerte, weiß, dass die olfaktorische Wahrnehmung einen besonderen Stellenwert in der menschlichen Psyche hat. Der Einsatz der richtigen Gerüche gehört in einem Ambiente, in dem man Menschen ein angenehmes Erlebnis bieten möchte, dazu – sei es im Spa, der Hotellobby oder eben im Geschäftslokal. Erstaunlich viele Studien widmen sich der Frage, wie Gerüche sinnvoll in Konsumumgebungen eingesetzt werden sollen.

64 dieser Studien, die auf Experimenten mit insgesamt 15.000 Probanden basieren, wurden von Forschern der Universität Klagenfurt nun zusammengeführt, um sie im Rahmen einer Metastudie zu systematisieren und neue Erkenntnisse abzuleiten.

"In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich ein eigener Forschungsstrang herauskristallisiert, der sich mit sensorischem Marketing beschäftigt. Dabei wird untersucht, wie sich Stimuli wie Farben, Musik oder Geruch auf den Kunden auswirken", erklärt Holger Roschk von der Abteilung für Dienstleistungsmanagement der Uni Klagenfurt, der gemeinsam mit der Doktorandin Masoumeh Hosseinpour die im "Journal of Marketing" erschienene Metastudie umsetzte.

Geruch weckt Emotionen

Was genau im Kopf eines Menschen passiert, sodass ein atmosphärischer Geruch in eine Kundenreaktion umschlägt, sei noch eine offene Frage, betont Roschk. Die Psychologie gibt aber immerhin einige Anhaltspunkte: Der Geruchssinn scheint einen sehr direkten Draht zum limbischen System des Gehirns zu haben, in dem Erinnerungen und Gefühle verarbeitet werden. Die olfaktorischen Eindrücke werden automatisch verarbeitet und weniger stark in ein bewusstes Wahrnehmungsbild integriert.

Die Macht des Geruchssinns, durch die lange zurückliegende Erinnerungen erstaunlich "echt" wieder aufleben, wieder gefühlt werden können, verweist auf den Zugang zu emotional aufgeladenen Erinnerungen. Man spricht dabei vom Proust-Effekt – in Anlehnung an eine Szene im Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" des berühmten französischen Autors.

Allen Studien, die Roschk und Hosseinpour bearbeitet haben, liegt ein experimentelles Setting zugrunde. Sie fokussieren auf unterschiedliche Aspekte wie die Kombination von Musik und Gerüchen oder die Auswirkung auf das Zeitgefühl. Gemessen wurden primär Wahrnehmungen per Fragebogen, aber auch körperliche Expressionen, die etwa per Hautwiderstandsmessungen abgenommen werden, waren dabei.

Konsumplus von drei Prozent

In allen Versuchen, sei es im Feld oder im Labor, gibt es in jedem Fall Settings, die mit und ohne einen bestimmten Geruch verglichen werden. Das sei der "kleinste gemeinsame Nenner", der die Forscher befähigt, die Einzelergebnisse in Form einer Metastudie zu kombinieren, erklärt Roschk. Mittels statistischer Verfahren wurden dann Effekte, die über alle Studien hinweg zu finden sind, herausgerechnet.

Eine Grundaussage, die nach der Metaanalyse getroffen werden kann, ist: Ja, Gerüche machen einen Unterschied in den Handels- und Dienstleistungsumgebungen. "Wir kommen in unserer Rechnung auf vermehrte Konsumausgaben von durchschnittlich drei Prozent, die mithilfe von atmosphärischen Gerüchen erzielt werden", sagt Roschk. Aber es kommt auf den Kontext an. Man kann mit einem falschen Einsatz auch gegen seine Verkaufsinteressen arbeiten. Vermitteln Musik, Farben oder weitere Aspekte eine andere Stimmung als der Geruch, dann könnte kein oder sogar ein negativer Effekt erzielt werden, erklärt der Wissenschafter.

Keine Mixturen

Der Geruch muss also zur Umgebung, zu anderen Sinneswahrnehmungen passen. Gerade im Zusammenhang mit Musik wurde das explizit belegt, so Roschk. "Aktivierender Orangenduft passt beispielsweise nicht zu entspannendem Jazz." Zudem hätten die Untersuchungen auch ergeben, dass man potenzielle Kunden besser nicht mit Geruchsmixturen konfrontieren sollte. Roschk: "Eine klare Aromastruktur ist effektiver." Und natürlich sind auch zu intensive Duftnoten, ähnlich wie beim Tragen von Parfum, kontraproduktiv.

Der direkte Draht in den für Emotionen zuständigen Teil des Gehirns scheint dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an Erfahrungen, die von passenden Düften begleitet sind, besser ist. Auf den ersten Blick scheint eine andere Studienerkenntnis dazu im Widerspruch zu stehen: "Es hat sich gezeigt, dass mit dem richtigen Geruch die Zeit in der Wahrnehmung der Probanden schneller vergeht. Man kann sich danach nicht mehr so gut an das Vergehen von Zeit erinnern." Eine Erkenntnis, die dafür spricht, dass Gerüche tatsächlich gut für Entspannung und Wohlbefinden sind. Frauen sprechen übrigens tendenziell stärker auf das Vorhandensein von Gerüchen an. In Tests sind sie bei der Wahrnehmung, Unterscheidung und Benennung besser.

Bis zu 23 Prozent Umsatzsteigerung möglich

Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Wirkung von Gerüchen konnten in der Analyse nicht berücksichtigt werden. Die zugrunde liegenden Studien stammen großteils aus westlichen Industriestaaten in Europa und Nordamerika, sagt Roschk. Assoziationen, die man verschiedenen Gerüchen zuschreibt, seien kaum auf andere Kulturen übertragbar.

Das Maximum an Umsatzsteigerung, das durch eine perfekte "Geruchsbegleitung" in Konsumtempeln erzielt werden kann, ist Roschks Schätzungen zufolge sage und schreibe 23 Prozent. "Wenn wir wissen, welche Variablen die Stärke des Effekts von Gerüchen beeinflussen, können wir auch einen Idealzustand definieren", sagt der Wissenschafter. "Auf Konsumausgaben umgelegt, würde der Idealzustand diesen Wert erreichen." (Alois Pumhösel, 21.12.2019)