Ein Licht in dunkler Nacht: das neue Habibi & Hawara im – noch – spektakulär entrisch wirkenden nagelneuen Nordbahnviertel.

Fotos: Gerhard Wasserbauer

Taxifahrer finden sowieso nicht her, außerdem sind etliche der prächtigen Boulevards und Alleen des neuen Nordbahnviertels für den Autoverkehr gesperrt. Abends ist es hier durchaus ein bissl gespenstisch, jeden Moment könnte irgendein Transformer oder sonst ein Scifi-Monster um irgendeine Ecke der Technobauten biegen, die hier aus dem einstigen Bahngelände gewachsen sind. Am besten kommt man mit der U-Bahn (Praterstern, Ausgang Lassallestraße) und geht die paar Minuten bis zum Lokal zu Fuß, dann sieht man gleich ein bissl was von der Architektur.

Die schaut so menschenleer, wie es hier am Abend ist, nämlich besonders gut aus. Umso mehr darf man sich wundern, dass das neue Habibi & Hawara zum Brechen voll ist, sodass man aufs Erste gar nicht sieht, was das für ein schönes Lokal (Architekt Michael Osmann) geworden ist. Kein Wunder, dass die Einsitzenden der umliegenden Büros es sich, wie die frisch Zugezogenen, gleich einmal zu eigen gemacht haben. Abends geht ohne Reservierung gar nichts. Aber gut, es schmeckt hier einfach zu gut, als dass man sich das entgehen lassen wollte.

Küchenchef Mohammed Aljassem ist vor vier Jahren aus dem syrischen Krieg geflüchtet. Er hat die Gerichte gemeinsam mit Josef Pieringer entwickelt, der für die Küchen aller drei Habibis (neben dem Nordbahn auch in der Wipplinger Straße und am Siebensternplatz) verantwortlich zeichnet und eine ganz fantastische Kombination aus orientalischen Herrlichkeiten und urwienerischen Spezialitäten geschaffen hat. Dazu trinkt man Wiener Original oder ganz köstlichen Biowein von Stefan Pratsch aus Hohenruppersdorf und freut sich des Landes.

Nicht entgehen lasse sollte man sich die Vielzahl an Mezze: von souverän knusprig-cremigem Falafel über rauchiges Muttabal mit Minz-Taboulé, geschmorten Okra mit Erdäpfeln und Paradeisern bis zu Tahini mit gebratenen Champignons und Zucchini.
Fotos: Gerhard Wasserbauer

Das Konzept, mithilfe privater Initiatoren und Spender einen Ort zu schaffen, an dem Geflüchtete in ihrer neuen Heimat wieder einen Fuß auf den Boden bringen und gleichzeitig einen köstlichen Beitrag zum Wohlsein der Gesellschaft leisten können, war mutig. Dass es so überragend erfolgreich ist, darf uns allen Mut – und Appetit auf mehr – machen.

Wunderbar saftiges Kalbsgulasch wird mit dem Dickjoghurt Labneh kombiniert, mindestens so köstlich wie mit Sauerrahm. In Rotwein zu molliger Kraft gedünstetes Rindsragout wird mit fantastischem Hummus kombiniert, echt saftiges Filet vom Labonca-Schwein kommt auf markant würzigem Molokhia (einem arabischen Blattgemüse) zu liegen.

Vielfalt am Buffet

Davor gibt es eine Vielzahl an Mezze, von souverän knusprig-cremigem Falafel über rauchiges Muttabal mit Minz-Taboulé, geschmorten Okra mit Erdäpfeln und Paradeisern bis zu Tahini mit gebratenen Champignons und Zucchini. Das knusprig gebratene Chicken Shawarma und, vor allem, die Toshka aus dem Pitaofen – syrisch-armenische Knusperfladen, die mit nelkenschwangerem Lamm gefüllt sind – darf man sich aber nicht entgehen lassen.

All das wird im Rahmen eines mehr als großzügig kalkulierten Set-Menü zum Dinner aufgetragen (fantastische Schoko- und Apfelkuchen sowie Baklava der Extraklasse gibt es hinterher noch zum arabischen Kaffee), mittags darf man sich aus ähnlicher Vielfalt am Buffet bedienen.

Kinder zahlen die Hälfte, jene unter zehn dürfen sich sogar umsonst bedienen. Man schlemmt und erkennt: Wenn wir uns nur ein klein wenig locker machen (zum Beispiel den Gürtel), dann würde allen klar, dass die Angst ein viel schlechterer Ratgeber ist als, nur zum Beispiel, der Appetit. (Severin Corti, RONDO, 20.12.2019)

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