Foto: Fischer

Kurz vor Annahmeschluss ist mir dann noch dieses Buch in die Redaktion geflattert. "Der galaktische Topfheiler" blickt auf eine recht bunte Veröffentlichungsgeschichte auf Deutsch zurück. Es ist – ursprünglich unter dem Titel "Joe von der Milchstraße" – der Reihe nach bei Fischer, Moewig und Heyne erschienen und jetzt wieder von Fischer herausgegeben worden. Im Original erschien es 1969, eingequetscht zwischen zwei echte Klassiker von Philip K. Dick: "Do Androids Dream of Electric Sheep?" (heute besser unter "Blade Runner" bekannt) und "Ubik". Obwohl es damit aus einer der erfolgreichsten Phasen in Dicks Schaffen stammt, wird man es nirgendwo auf einer Liste seiner zentralen Werke finden. Was mich natürlich erst recht neugierig gemacht hat.

Die "perfekte Regierungsform"

Der Roman beginnt mit der satirischen Beschreibung der US- oder auch Weltgesellschaft im Jahr 2046: ein totalitäres System, das Konsum, Verhalten und Gedanken seiner Bürger steuert, so gut es kann. Nicht einmal im Schlaf ist man noch frei, denn da – Gipfelpunkt der invasiven Politik – werden einem Träume von der Stange aufgezwungen: "Hallo, Leute", sagte die fröhlich klingende Traumstimme. "Unser heutiger Traum wurde von Reg Baker geschrieben und hat den Titel 'Ins Gedächtnis gemeißelt'. Und vergesst nicht: Schickt eure Traumideen ein und gewinnt wertvolle Preise!" Die allgegenwärtige Bevormundung durch Produkte der Technologie – zum Beispiel die schnippische Computerstimme der Telefonauskunft – hat mitunter so skurrile Züge, als wäre man in einem Roman von Uwe Post gelandet.

Obwohl die Gesellschaft einige kommunistische Züge zeigt, ist das eigentliche System letztlich nicht so wichtig. Hauptfigur Joe Fernwright fasst es schön zusammen: Unsere Gesellschaft hat die perfekte Regierungsform. Am Ende fällt jeder rein. Es ist die Klage der Abgehängten in jeder beliebigen Staatsform. Und spätestens wenn wir lesen, wie Pendler Joe mit der Lunchbox in der Hand auf dem Dach steht, um auf den überfüllten Nahverkehrsschweber zu warten, erkennen wir in der Romanwelt das ganz normale Leben Mitte des 20. Jahrhunderts wieder – satirisch überhöht und mit ein paar hellsichtigen Vorwegnahmen der Zukunft versehen (Rauchverbot!).

Ein Abenteuer für den Durchschnitts-Joe

Joe befindet sich gerade am Tiefpunkt seines Lebens: geschieden und de facto arbeitslos, da seine Expertise – das kunstvolle Reparieren kaputter Keramik – im Plastikzeitalter kaum noch gefragt ist. Der richtungslose "Ur-Hunger", den Joe in sich verspürt, wird jedoch wieder angeheizt, als eines Tages eine unverhoffte Nachricht eintrifft (sie treibt übrigens als Flaschenpost im Spülkasten seiner Toilette): Der Glimmung, eine außerirdische Quasi-Gottheit, rekrutiert ein interstellares Team, um auf dem Planeten Plowman eine versunkene Kathedrale vom Meeresgrund zu heben. Joe sagt zu und lernt bald ein äußerst bunt zusammengesetztes Grüppchen verschiedenster Aliens kennen – darunter mit der reizenden Mali Yojez auch ein potenzielles Love Interest.

Was sie dann auf Plowman erleben ... nun, zum Glück kann ich mich da hinter der Spoilergrenze verstecken, denn ich wüsste ohnehin nicht so recht, was ich da schreiben sollte. War der erste Abschnitt des Romans noch recht stringent, so sind Dick danach die Gäule durchgegangen. Es wird metaphysisch, aber auf eine absurde Weise – Gonzo-Metaphysik, wenn man so will.

Out of control

Man kann sich – auch angesichts widersprüchlicher Angaben – des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass Dick hier ohne wirklichen Plan einfach drauflosgeschrieben hat. Allerdings ist die vollkommene Unvorhersehbarkeit der Handlung auch eine Qualität. Und der eine oder andere Dick-Fan dürfte sich zwischendurch fragen, ob das ganze Abenteuer womöglich einer der gescripteten Träume ist, von denen wir anfangs gelesen haben. Das wäre doch ein Twist, der zu diesem Autor passen würde!

"Sie alle werden zum ersten Mal wirklich sein. Auch Sie haben es noch nie erlebt, was es bedeutet zu sein, Joe. Sie existieren bloß. Sein bedeutet machen. Und wir werden eine großartige Sache machen, Joe!", sagt der Glimmung zu unserem "Helden". Wenn man nach einer Botschaft dieses seltsamen kleinen Romans sucht, dann könnte sie tatsächlich hierin liegen: in der Erfüllung, die man findet, wenn man mit anderen zusammenarbeit und an etwas teilhaben darf, das größer ist als man selbst. Auch wenn jeder für sich selber klären muss, wie ernst er Weisheiten aus dem Munde einer Gottheit nimmt, die sich als zigtausendtonnenschwere Amöbe manifestiert und unter ihrem eigenen Gewicht sofort bis in den Keller durchbricht ...

Wie eingangs gesagt: "Der galaktische Topfheiler" ist keines der zentralen Werke Philip K. Dicks, und wenn man den Roman gelesen hat, versteht man auch, warum. Er ist ein Kuriosum. Aber Spaß gemacht hat's schon.