Seit rund zehn Tagen ist die Universität Gießen weitestgehend offline.

Foto: Imago/Schepp

Nach einem mutmaßlichen Hackerangriff auf die Justus-Liebig-Universität im deutschen Gießen herrscht Ausnahmezustand an der 1607 gegründeten Bildungseinrichtung. Die Attacke vom 8. Dezember hat weitreichende Konsequenzen. Weil praktisch alle IT-Systeme aus Sicherheitsgründen vorerst vom Netz genommen worden waren, musste die Universität ins Offline-Zeitalter zurückkehren.

Gegenüber der "Zeit" hat die Universität die Situation als "digitale Naturkatastrophe" bezeichnet. Studenten und Lehrenden blieb der Zugriff auf wichtige Unterlagen und Termininformationen plötzlich verwehrt. Die Leihe von Büchern in der Uni-Bibliothek war nur noch vor Ort möglich. Das WLAN in von der Universität verwalteten Studentenwohneinheiten musste abgedreht werden. Spezialisten sollen zumindest bis Weihnachten die E-Mails der letzten Tage wiederherstellen.

Eine bislang unbekannte Schadsoftware soll das Chaos verursacht haben. Genaueres ist derzeit nicht bekannt. Die Universität hat ihren IT-Spezialisten ein Auskunftsverbot erteilt. An Beschäftigte werden USB-Sticks mit Antiviren-Software ausgegeben, mit denen alle Rechner der Uni überprüft werden sollen. Der Webauftritt ist weitgehend offline, lediglich eine Informationsseite zu dem Vorfall ist aktuell abrufbar.

Lange Schlangen vor der Sporthalle

Für alle Beteiligten besonders ärgerlich ist die Notwendigkeit, die Passwörter für ihre E-Mail-Accounts zu ändern. Denn aufgrund von Sicherheitsbestimmungen gibt es dafür kein Online-Prozedere. Die rund 38.000 Betroffenen müssen ihre neuen Logins persönlich abholen.

Das Hochschulrechenzentrum (HRZ) der Gießener Uni hat die Campus-eigene Sporthalle für die Verteilung ausgewählt. Im Rahmen der seit Montag laufenden Ausgabe bilden sich davor immer wieder beachtlich lange Warteschlangen, wie die "Gießener Allgemeine Zeitung" auch mit Fotos dokumentiert.

Um gröberes Chaos zu vermeiden hat man die Verteilung gestaffelt. Sie läuft bis 20 Dezember in zwei- bis vierstündigen Abschnitten, in welche die Studenten nach ihrem Geburtsmonat eingeteilt sind. Wer seinen Termin nicht wahrnehmen kann, kann "ausnahmsweise" auch einen anderen Zeitslot nutzen. Für alle, die diese Woche nicht mehr zur Abholung kommen können, soll ein gesondertes Prozedere festgelegt werden. Ursache für die manuelle Ausgabe sind die strengen Vorgaben des Vereins des Deutschen Forschungsnetzes, dem die Uni angehört.

Viel Ärger und eine Hymne

Durch die Verwendung der Halle kommt es zudem auch zu Ausfällen aller aktueller Kurse des Hochschulsportzentrums und der Sportwissenschaften, die dort stattgefunden hätten.

Immerhin, manche Studierende nehmen die Situation trotz aller Ärgernisse mit Humor. Darum gibt es mittlerweile auch eine Hymne, die die Misere begleitet: The Day My Data Died. (gpi, 18.12.2019)