Drogen aus der Natur: Neben Cannabis gibt es eine Reihe von neuen Substanzen wie Pilze, Engelstrompeten und Lianen. Diese Biodrogen können aber extrem gefährlich sein.

Foto: GettyImages

"Ayahuasca ist die Droge der Bio-Generation", diagnostizieren die Forscherinnen und Forscher des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main in ihrem aktuellen Trendbericht. Ayahuasca ist ein psychedelisch wirkender Tee aus dem Amazonasgebiet, der mittlerweile auch in Deutschland konsumiert wird. Dass sogenannte "Biodrogen", also Drogen aus der Natur, momentan en vogue sind, glaubt auch die Journalistin Birgit Schmid und schreibt in der "Neuen Züricher Zeitung": "Der Trend zu ökologischem Lifestyle und achtsamer Gesinnung hat sich auf die Drogen ausgedehnt."

Dass junge Menschen, die auf Tierwohl achten, vegan leben und sich für Fridays for Future engagieren, eher zu pflanzlichen Stimulanzien greifen als zu Speed und MDMA, klingt logisch. Doch lässt sich die These mit Zahlen belegen? Ist der Drogenkonsum in den letzten Jahren tatsächlich ökologisch bewusster geworden? Und wenn ja, sind die Wirkstoffe aus der Natur gesünder als die aus dem Labor?

Gerieben, gestampft oder aufgebrüht

Neben Ayahuasca gibt es natürlich noch viele andere Biodrogen, darunter Psilocybin, den Wirkstoff sogenannter Zauberpilze, Cannabis oder die altbekannten Nachtschattengewächse wie Engelstrompete, Stechapfel, Bilsenkraut und Tollkirsche. Gegessen, eingerieben, getropft oder als Tee konsumiert, können die Pflanzen aus Omas Garten eine stark bewusstseinsverändernde Wirkung haben – oft verursachen sie jedoch einfach nur Übelkeit und Kopfschmerzen. Kratom, die Blätter des in Südostasien beheimateten Kratom-Baums, scheinen gering dosiert stimulierend und euphorisch zu wirken, und die Wirkung sogenannter Peyote, einer meskalinhaltigen Kakteenart, wird oft als ekstatischer, von Glücksgefühlen begleiteter Zustand beschrieben.

Ein Großteil der pflanzlichen Produkte oder ihrer Wirkstoffe lässt sich mittlerweile im Internet bestellen. Wie viele junge Menschen in Deutschland Drogen wie Ayahuasca oder Kratom konsumieren, lässt sich anhand von Zahlen allerdings nicht sagen. Denn in den repräsentativen Befragungen der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) werden Stechapfel und Co nicht speziell ausgewiesen, sondern zusammen mit Ecstasy und Amphetamin unter dem Begriff "illegale Drogen" zusammengefasst. Auch in Österreich ist die Datenlage lückenhaft. Rund ein Viertel der Wiener hat schon einmal Cannabis probiert, biogene Substanzen wie Pilze, Engelstrompete oder Kakteen sind laut Suchtmittelmonitoring 2017 mit fünf Prozent deutlich weniger populär.

Hohe Dunkelziffer

Auch im Europäischen Drogenbericht 2019 werden die Drogen aus der Natur nicht gesondert erwähnt. Einzige Ausnahme sind Cannabis und halluzinogene Pilze – und tatsächlich hat der Konsum von Cannabis in den letzten Jahren stark zugenommen. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist Hanf daher die am stärksten verbreitete illegale Droge. Laut BzgA-Befragung hat gut jeder zehnte Jugendliche (9,7 Prozent) und jeder dritte junge Erwachsene (34,5 Prozent) schon einmal Cannabis konsumiert. Die Verwendung von Zauberpilzen schätzen die Autoren und Autorinnen des Drogenberichts in Europa hingegen als "niedrig und stabil" ein. Im Jahr 2017 hat demnach weniger als ein Prozent der 15- bis 34-Jährigen psychoaktive Pilze eingenommen.

Dirk Grimm vom Suchtpräventionsprojekt Mindzone geht beim Konsum illegaler Drogen zwar insgesamt von einer hohen Dunkelziffer aus, denn nicht jeder gebe bei einer Befragung zu, dass er schon einmal Drogen genommen hat beziehungsweise nimmt. Dass Pilze und Co im Zuge des neuen Biotrends stärker konsumiert werden, kann er jedoch nicht beobachten. Cannabis bilde hier eine Ausnahme, sagt Grimm – was vor allem daran liege, dass der Konsum der Droge durch die zunehmende Legalisierung immer stärker gesellschaftlich akzeptiert werde. Mit einem gestiegenen ökologischen Bewusstsein hat der Anstieg seiner Erfahrung nach allerdings nichts zu tun.

Eine leichte Zunahme vermutet Grimm zudem beim Konsum von LSD. Wobei es sich bei dem Halluzinogen des Mutterkorns strenggenommen um keine echte "Biodroge" handelt. Tatsächlich ist LSD halbsynthetisch, wird also im Labor hergestellt. Warum die Droge momentan wieder etwas stärker konsumiert wird, kann Grimm nicht sagen.

Generation Bio

Und was ist mit Ayahuasca, der Droge, die das Zukunftsinstitut als die "Droge der Bio-Generation" hervorhebt? "Auch für Ayahuasca gibt es keine repräsentativen Zahlen", sagt Henrik Jungaberle von der Mind European Foundation for Psychedelic Science. Und obwohl in Deutschland mittlerweile bereits mehrtägige Ayahuasca-Retreats angeboten werden, bei denen vorrangig "biologisch vegetarisch/vegan" gekocht wird, würde Jungaberle das Teegetränk nicht als die "Droge der Bio-Generation" bezeichnen. Bei den Ayahuasca-Anhängern handle es sich vielmehr um eine weitere soziale Gruppe – ähnlich wie bei Hip-Hop oder Elektro –, in der eine bestimmte Droge eben bevorzugt konsumiert werde. Die Popularität von Ayahuasca hat in den letzten zwanzig Jahren zwar stark zugenommen – was vermutlich auch daran liegt, dass immer mehr Medien über den Tee berichten. Genug Konsumenten, dass sich eine große Befragung lohnt, scheint es bislang dennoch nicht zu geben, so Mind-Forscher Jungaberle.

Im Gegensatz zu Partygängern geht es Menschen, die Ayahuasca einnehmen, in der Regel auch nicht um die stimulierende oder aphrodisierende Rauscherfahrung, sondern um mehr Verbundenheit mit sich selbst und der Natur, um Selbsterkenntnisse und das Gemeinschaftserlebnis. Der Tee aus dem Amazonasgebiet wird daher in einer Zeremonie rituell zubereitet – oft sogar von einem Schamanen. Seine psychedelische Wirkung entfaltet Ayahuasca durch die Kombination zweier Pflanzen: der Liane Banisteriopsis caapi und des Kaffeestrauchgewächses Psychotria viridis. Allein eingenommen haben die beiden Gewächse keinen Effekt.

Neuer Blick auf sich selbst

"Die Kombination ermöglicht dem psychedelisch wirkenden DMT jedoch, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und seine Wirkung zu entfalten", erklärt Jungaberle. Während die Bewusstseinserweiterung eintritt, müssen die meisten Konsumenten und Konsumentinnen sich allerdings übergeben. "Das Erbrechen steht dabei für eine geistig-körperliche Reinigung, und der psychedelische Trip soll den Konsumenten und Konsumentinnen helfen, einen neuen Blick auf sich selbst und die Welt zu gewinnen", berichtet der Forscher. Das Übergeben sowie die rituelle Zubereitung machten Ayahuasca zudem dazu ungeeignet, als Partydroge genutzt zu werden.

Dass Drogen aus der Natur gesünder sind als die aus dem Labor, lässt sich ebenfalls nicht sagen. In dem 2010 erschienen Ranking zur Gefährlichkeit von Drogen des Wissenschafters David Nutt befinden sich LSD und Zauberpilze zwar ganz weit unten in der Rangliste – Nummer eins ist Alkohol, dicht gefolgt von Heroin, MDMA und Kokain –, dennoch können auch pflanzliche Stoffe unerfreuliche und manchmal tödliche Nebenwirkungen haben.

Zusammen mit Alkohol kann Kratom beispielsweise zu Atemnot führen, zu hoch dosierte Nachtschattengewächse können Schwindel verursachen, zeitweilig blind machen und sogar den Atem lähmen. "Insbesondere Engelstrompeten lassen sich nur schwer dosieren und führen daher immer wieder zu schweren Unfällen", so Jungaberle. Und bei Pilzen bestehe wie bei LSD die Gefahr, dass sie bei Überdosierung und unter den falschen Umständen eingenommen Psychosen auslösten. "Wie stark die Inhaltsstoffe der Biodrogen wirken, hängt zudem nicht nur von der eingenommenen Menge ab, sondern kann auch je nach Sorte, Anbaugebiet und Zubereitung variieren", gibt Grimm von Mindzone zu bedenken.

Schlechter Trip

Dazu kommt: Die ausgelösten Rauscherfahrungen sind keineswegs immer positiv. "Denn die pflanzlichen Halluzinogene können wie ihre synthetischen Schwestern auch Ängste verstärken oder verdrängte Traumata reaktivieren, die besser bei einem Therapeuten aufgehoben wären", betont Jungaberle. Wichtig sei daher immer das Setting und die Erwartungshaltung, mit der Menschen psychedelische Drogen konsumieren. Laut Ansicht des Mind-Forschers gehören psychedelische Substanzen deshalb gar nicht in den Freizeitgebrauch, sondern in die Medizin und Psychotherapie.

Menschen, die sie dennoch einnehmen, sollten das Risiko eines schlechten Trips durch Planung und Selbstreflexion reduzieren – etwa indem sie sich vorher genau überlegen, welche Wirkung sie sich von den Drogen erhoffen, und die Umgebung so sicher wie möglich gestalten: also mit Freunden, die etwas von den Potenzialen und Gefahren verstehen. (Stella Hombach, 7.1.2020)