Hermann Schützenhöfer wurde am Mittwoch als Landeshauptmann in der Steiermark angelobt. Er hatte Neuwahlen ausgerufen, obwohl die Legislaturperiode noch nicht zu Ende war. Die Rechnung ist für ihn voll aufgegangen, die ÖVP war klarer Wahlsieger.

In Wien will Michael Ludwig diesen Schritt nicht setzen. Es ist ihm zu riskant, die Wählerinnen und Wähler bereits im Frühjahr an die Urnen zu bitten. Die Ausgangssituation ist natürlich in der Bundeshauptstadt eine andere als in der Grünen Mark. Schützenhöfer profitierte vom Rückenwind des Wahlsiegers bei der Nationalratswahl, Sebastian Kurz. Ludwig hingegen kann sich keine besondere Wahlhilfe vom Bund erwarten. Die SPÖ liegt immer noch am Boden. Sie befindet sich in einer Abwärtsspirale und findet nicht heraus.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig.
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Ludwig argumentiert stets damit, dass Wien für Beständigkeit stehe. Nur weil anderswo ständig Neuwahlen ausgerufen würden, sei das noch lange kein Grund, auch in Wien diesem Muster zu folgen. Dennoch sind das Ibiza-Video und seine Folgen von Anbeginn ein Wiener Thema. Johann Gudenus war Parteichef der Wiener Landesgruppe, und bei den Blauen blieb bekanntlich kein Stein auf dem anderen, wie auch die Sondersitzung im Landtag am Mittwoch unter Beweis stellte: Erstmals nahmen Vertreter der DAÖ ("Die Allianz für Österreich") im Gemeinderat Platz. Durch Ibiza und Heinz-Christian Straches Spendenskandal sind neue Dynamiken entstanden, die sich auch auf Wien auswirken werden.

Nur nicht negativ auffallen

Durch das Einhalten des Wahltermins im Herbst gibt Ludwig nun auch Strache Zeit, sich zu positionieren. Ob auf Facebook, beim Pfötchenpunsch oder der Raucherdemo – der ehemalige FPÖ-Chef sucht wieder die Öffentlichkeit. Im Frühjahr würde er sich vielleicht noch schwertun, einen Wahlkampf zu bestreiten. Bis Herbst hat er nun Gelegenheit, Unterstützer zu akquirieren. Und wie man an der Gründung der DAÖ sieht, sind die Vorarbeiten längst im Gange.

Vielleicht ist es Ludwigs Kalkül, dass FPÖ und Strache sich gegenseitig Stimmen wegnehmen sollen. Auch die Grünen surfen immer noch auf der Erfolgswelle, die bis Herbst ein wenig zurückgehen könnte. Dann nämlich, wenn sie als Partner der ÖVP unbequeme Entscheidungen im Bund mittragen müssen. Solange Türkis-Grün nicht steht, sind das natürlich theoretische Annahmen.

Das Zuwarten zeigt aber schlicht auch die Charaktereigenschaften des Bürgermeisters. Er ist keiner, der Spontanschüsse macht. In Pressekonferenzen und bei Interviews wählt er seine Worte mit Bedacht. War sein Vorgänger Michael Häupl immer für einen Sager gut, entscheidet sich Ludwig für die weniger polarisierende Antwort. Nur nicht negativ auffallen, scheint die Devise zu sein.

Im Wahlkampf kann das noch zum Problem werden. In einer schmutzigen Auseinandersetzung könnte Ludwig leicht untergehen. So viele Zweiergespräche mit Bürgern, die ihm am meisten liegen, kann er gar nicht führen.

Ein wichtiger Termin wird auch der 26. Jänner sein, an dem Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Burgenland vorzeitig wählen lässt. Ist er erfolgreich, kann Ludwig immer noch die Reißleine ziehen und Neuwahlen, etwa im Mai, in die Wege leiten.

Er wird es aber auch dann kaum tun. Ludwig, so scheint es, lässt die Dinge lieber geschehen, als selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. (Rosa Winkler-Hermaden, 18.12.2019)