Ilham Tohti wurde am Mittwoch der Sacharow-Preis verliehen.

Foto: FREDERICK FLORIN / AFP

Er ist nicht der erste Träger des Sacharow-Preises, der bei der Verleihung im Gefängnis sitzt. Nicht zuletzt deswegen wird Ilham Tohti mitunter auch mit Nelson Mandela verglichen, der 1988 als Erster die Auszeichnung erhielt. Das ist allerdings nicht die einzige Analogie. Wie Mandela setzte sich Tohti bis zu seiner Verurteilung 2014 immer wieder für die Verständigung zwischen Uiguren und Han-Chinesen ein.

Wie aktuell dieser Konflikt ist, zeigen die Anfang Dezember veröffentlichten "China Cables". Sie belegen die systematische Inhaftierung und Misshandlung von bis zu einer Million Menschen in streng bewachten Lagern. Peking spricht von "Ausbildungszentren" und bezeichnet die Dokumente als "Fake-News". Es gehe lediglich darum, "Terroristen umzuerziehen".

Tohti wurde 1969 in Artux in der chinesischen Westprovinz Xinjiang an der Grenze zu Kirgisistan geboren. Bis 2012 unterrichtete der Wirtschaftswissenschafter an einer Pekinger Universität. Nebenher gründete er die Website Uyghur Online, die immer wieder auch die Siedlungspolitik Pekings in Xinjiang kritisierte. 2008 nahmen die chinesischen Behörden die Seite vom Netz.

Die Uiguren sind ein muslimisches Turkvolk, das in seiner wechselhaften Geschichte immer mal wieder unabhängig war oder zum chinesischen Kaiserreich gehörte. Seit den 1970er-Jahren aber siedelt Peking immer mehr Han-Chinesen dort an, sodass mittlerweile nur noch knapp die Hälfte der 23 Millionen Einwohner Uiguren sind.

Kurzer Prozess

Nachdem es 2009 zu schweren Unruhen in der Provinz gekommen war, bei denen rund 150 Menschen, meist Han-Chinesen, ums Leben kamen, verschwand Tohti vorübergehend, wurde aber auf Druck der US-Regierung einen Monat später wieder freigelassen. 2014 wurde er abermals festgenommen und wenig später zu lebenslanger Haft wegen "Separatismus" verurteilt. Außerdem wurde sein Vermögen beschlagnahmt. Die "Verhandlung" nahm zwei Tage in Anspruch.

Menschenrechtsgruppen fordern immer wieder Tohtis Freilassung. Ihm wurde dieses Jahr auch der Václav-Havel-Menschenrechtspreis verliehen. Seine Tochter Yewher Tohti lebt in den USA. Die Auszeichnung des Vaters hat für sie große Bedeutung: "Die Nominierung für den Sacharow-Preis zeigt auch, dass die Sache der Uiguren von der EU beachtet wird. Das tröstet mich sehr." (Philipp Mattheis, 18.12.2019)