Vom Begriff Unfall ist jeder an Bord eines Flugzeugs vorfallende Sachverhalt erfasst – so das Urteil.

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In einem Rechtsstreit um die Haftung für einen auf einem Niki-Flug verschütteten Kaffee hat die Klägerin gegen die Fluglinie gewonnen. Eine Fluglinie haftet für umgekippten heißen Kaffee, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag. Demnach ist es nicht erforderlich, dass ein solcher Unfall mit einem flugspezifischen Risiko zusammenhängt.

Der Fall war vom Obersten Gerichtshof (OGH) an den EuGH verwiesen worden. Ein sechsjähriges Mädchen hatte auf einem Niki-Flug Verbrühungen erlitten und Schadenersatz gefordert.

2015 war das Mädchen mit seiner Familie mit der mittlerweile insolventen Fluglinie Niki von Mallorca nach Wien geflogen. Etwa eine Stunde nach dem Start servierte eine Flugbegleiterin Getränke. Zu diesem Zeitpunkt lehnte sich die Sechsjährige über die Armlehne an ihrem Vater an. Der Vater nahm von der Flugbegleiterin einen deckellosen Becher mit frischgebrühtem heißem Kaffee entgegen, den er auf dem am Vordertisch befestigten Klapptisch abstellte. Als er noch nach Milch fragte, geriet der Becher ins Rutschen, der Kaffee ergoss sich über die Brust seiner Tochter. Sie erlitt dabei Verbrennungen zweiten Grades auf zwei bis vier Prozent der Körperoberfläche. Dabei handelt es sich um mittelschwere Verbrennungen, die in der Regel mit oder ohne Narben verheilen.

Rutschen des Bechers

Die Klägerin forderte von der Airline Schadenersatz. Diese argumentierte aber, dass kein Unfall im Sinne des Übereinkommens von Montreal vorliege, der von der Fluglinie oder ihren Mitarbeitern herbeigeführt wurde, kein plötzliches und unerwartetes Ereignis zum Rutschen des Bechers geführt habe und sie deshalb nicht haftbar gemacht werden könne. Das Ereignis beruhe nicht auf einem für die Luftfahrt typischen Risiko. Die EU-Richter sahen das nun anders und folgten damit der Ansicht des Generalanwalts, wonach die Umstände im vorliegenden Fall sehr wohl unter den Unfallbegriff fallen.

Der EuGH stellte klar, dass vom Begriff "Unfall" jeder an Bord eines Flugzeugs vorfallende Sachverhalt erfasst ist, in dem ein bei der Fluggastbetreuung eingesetzter Gegenstand eine körperliche Verletzung eines Reisenden verursacht hat, ohne dass ermittelt werden müsste, ob der Sachverhalt auf ein luftfahrtspezifisches Risiko zurückgeht. Er stellte zudem fest, dass mit dem Übereinkommen von Montreal eine Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung von Fluglinien eingeführt und gleichzeitig für einen "gerechten Interessenausgleich" gesorgt werden sollte.

Einklang mit EuGH

Der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist nun Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. (APA, red, 19.12.2019)